Die Schweizer Regierung setzt nach dem erfolglosen Versuch, hohe US-Zölle auf Schweizer Waren in letzter Minute abzuwenden, auf weitere Verhandlungen für ein Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten. «Man muss einfach weitermachen und weiter verhandeln und wieder ins Gespräch kommen», sagte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter am Donnerstag nach einer Sondersitzung der Regierung. Sie und Wirtschaftsminister Guy Parmelin waren zuvor von einer kurzfristig anberaumten Reise nach Washington zurückgekehrt, deren Ziel es war, den von US-Präsident Donald Trump vergangene Woche angekündigten Zollsatz von 39 Prozent auf Importe aus der Schweiz noch abzuwenden. Dieser Satz, einer der höchsten Zollsätze für Einfuhren aus einem bestimmten Land, trat am Donnerstag in Kraft.
Angaben zu dem «optimierten Angebot», mit dem die USA in letzter Minute umgestimmt werden sollten, lehnte Keller-Sutter auf der Pressekonferenz wiederholt ab. Zu Gegenzöllen will die Regierung derzeit nicht greifen, da dies zu Mehrkosten für die Wirtschaft führen würde, insbesondere durch eine Verteuerung von Importen aus den USA. Um den betroffenen Unternehmen unter die Arme zu greifen, sollen die Möglichkeit zur Kurzarbeit auf zwei Jahre von 18 Monaten verlängert und weitere Erleichterungen für die Wirtschaft geprüft werden.
Eine auf Schweizer Seite mit den Gesprächen vertraute Person sagte, die US-Regierung habe die Tür zu einer Lösung nicht zugeschlagen. Der Insider geht davon aus, dass letztendlich eine Einigung zustande kommen wird. Es sei aber zu früh, um zu sagen, wann der Tarifkonflikt gelöst sei.
Geringeres Wachstum, aber keine Krise
Die Schweiz müsse sich dieses und kommendes Jahr auf ein geringeres Wachstum zwischen 0,5 und einem Prozent einstellen, von einem Krisenszenario wie beispielsweise während der Covid-Pandemie sei man aber weit entfernt, sagte Eric Scheidegger, Direktor des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Der Regierung zufolge sind rund 60 Prozent aller Schweizer Exporte in die USA vom Zusatzzoll betroffen. In den grössten Absatzmarkt des Landes gehen rund 18 Prozent aller Ausfuhren. Hersteller von Präzisionsinstrumenten und Maschinen dürfte der Einfuhrzoll, der deutlich höher ist als der zwischen den USA und der Europäischen Union (EU) vereinbarte Satz von 15 Prozent, besonders stark treffen.
«Diese Zahl ist wahnsinnig hoch», sagte Manfred Elsig, Geschäftsführer des World Trade Institute der Universität Bern, zu den 39 Prozent US-Importzoll. Die Schweiz hat 2024 die Zölle auf fast alle Importe abgeschafft und damit US-Produkten praktisch freien Zugang zu ihren Märkten gewährt. Keller-Sutter hatte vergangene Woche nach einem Telefonat mit Trump gesagt, dass für den US-Präsidenten der Handelsüberschuss mit den Vereinigten Staaten im Zentrum stand, der sich im Vorjahr auf 38,5 Milliarden Schweizer Franken belief.
«Wenn diese horrende Zollbelastung bestehen bleibt, bedeutet dies faktisch das Aus für das Exportgeschäft der Schweizer Technologiebranche in die USA», erklärte der Branchenverband Swissmem. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse forderte den Bundesrat auf, die Verhandlungen mit den USA mit höchster Priorität fortzusetzen. «Eine möglichst rasche Einigung zur Reduktion der Zölle ist dringend», erklärte das für den Aussenhandel zuständige Economiesuisse-Geschäftsleitungsmitglied Jan Atteslander.
Unternehmen hielten sich am Donnerstag grossteils bedeckt und zogen es vor, sich nicht zu den erwarteten Auswirkungen der Zölle zu äussern. Der Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli erklärte, er beobachte die Situation, obwohl die meisten seiner in den USA verkauften Produkte in New Hampshire hergestellt werden. Mario Greco, Konzernchef des Versicherers Zurich, zeigte sich bei der Bekanntgabe der Halbjahresergebnisse von Trumps Zollankündigungen «irritiert». «Ich denke, das ist Teil des Spiels, Chaos zu stiften und jeden Tag Ankündigungen zu machen.»
Börse hat Zollschock bereits eingepreist
Die Börse in Zürich reagierte gelassen: Der Schweizer Standardwerteindex SMI schloss um 0,8 Prozent höher. Die Anleger dürften die Hiobsbotschaft in den vergangenen Tagen bereits eingepreist haben und darauf setzen, dass die Schweiz doch noch eine Zollreduktion erreichen kann. «Es ist derzeit unklar, wie sich die weiteren Verhandlungen zwischen der Schweiz und den USA fortsetzen werden», erklärte Björn Eberhard, Analyst bei der Luzerner Kantonalbank. «Wir gehen aber davon aus, dass das aktuelle Zollniveau nicht in Stein gemeisselt ist und noch abgesenkt werden kann.»
(Reuters/cash)