Es ist alles andere als einfach, in der jetzigen Börsen-Unsicherheit die Übersicht zu behalten. Seit den Sitzungsprotokollen vom 5. Januar, in denen die Notenbank Fed in Washington neben einem entschiedeneren Zinserhöhungs-Fahrplan erstmals auch eine Reduzierung der Bilanz andeutete, scheint nichts mehr so zu sein wie vorher. 

Der krisenhafte Börsen-Januar zeigt sich am stärksten bei Technologie-Titeln. Unternehmen, in die grosse Erwartungen gesetzt worden sind, stehen mit ihrer hohen Bewertung plötzlich so etwas wie nackt da. Höhere Zinsen lassen die künftigen Gewinne von Wachstumsunternehmen schlechter aussehen. An der US-Börse Nasdaq, dem Allerheiligsten der kotierten Technologie- und Zukunftsthemen, spürt man die Nervosität besonders. Der Index hat seit Anfang Jahr 13 Prozent verloren, schloss am Montag aber im Plus, und in der nächsten Sitzung geht im schon wieder die Luft aus.

Die Meinung ist derzeit: Wenn ein Wachstumsunternehmen Geld verdient, wird es trotz des derzeitigen Drucks früher oder später an der Börse wieder steigen. Die Schweizer Logitech hat gerade gezeigt, dass man mit guten Resultaten den Trend umkehren kann. Aber dies vielleicht nur für einen Tag.

Und was ist mit den vielen kleinen, innovativen, aber unprofitablen Unternehmen, welche die Technologie der Zukunft bestimmen werden? Werden Trends letztlich wieder wichtiger als Bewertungen? Fonds-Grössen wie Cathie Wood und Frank Thelen (siehe hier) leben und investieren nach dieser Aussage. Aber denken Millionen Anlegerinnen und Anlegern mit kleinen Portfolios ähnlich, wenn sie von hohen Verlusten empfindlich getroffen werden können? 

Es betrifft fast den gesamten Markt

Ein schlechter Börsenmonat allein bringt versierte Börsenfans noch nicht an den sinnbildlichen Rand des Nervenzusammenbruchs. Ausschläge, kurze Rücksetzer und Tage mit scheinbar dramatischen Kurseinbrüchen am Markt gibt es immer wieder. Auch ein paar Monate schlechter Performance bestimmter Aktien oder Börsensegmente haben die meisten schon mal erlebt und sinnvollerweise durchgestanden. 

Das Problem beschränkt sich allerdings nicht nur auf Biotech-, Software- oder Chip-Aktien. Am Schweizer Aktienmarkt hat es in den vergangenen Tagen die unterschiedlichsten Titel nach oben und nach unten getrieben. Aber mit der neuen Zinswelt der Fed könnten grosse Teile des Aktienmarktes noch wochen- oder monatelang hin- und herschlittern wie ein Einkaufswagen mit schlecht montierten Rädern. 2018 dauerte es fast ein halbes Jahr, bis sich der Markt mit den damaligen Zins-Ankündigungen der Fed arrangierte. 

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Auch wer sich längerfristig orientiert, muss sich die Frage stellen, ob die Weltherrschaft von "Tina" ("There is No Alternative") immer noch so uneingeschränkt existiert wie noch vor kurzem. Vielleicht hat die Fed vor drei Wochen eine während über zehn Jahren einträgliche Einstellung in Frage gestellt, wonach man langfristig in fast jede Aktien investieren kann. 

Hohe Volatilität heisst aber auch: Es ergeben sich Gelegenheiten, aus sich schnell ändernden Kursen Rendite herauszuholen. Die Aufrufe, Marktschwächen auszunutzen, hört man von veschiedenen Seiten. Steigende Zinsen, so lauten die Argumente, seien weniger das Problem als die Frage, wie schnell die Zinsen angehoben werden. Auch Vermutungen, wie oft die Fed eine Stufe nach oben geht, machen wild die Runde. Das Gift für die Märkte ist dieser Betrachtung nach die Unsicherheit und nicht die neue geldpolitische Realität. 

Bezüglich Risiko werden unterschiedliche Haltungen jetzt wichtiger: Beobachtet man intensiv und schlägt schon dann zu, wenn die Gelegenheit günstig scheint? Oder beobachtet man weiter, entscheidet sich aber, das Kapital zu schützen und auf grössere Wagnisse zu verzichten - allenfalls sogar so weit, dass man das Engagement am Markt sogar etwas reduziert? 

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