Der Erfolg der KI von DeepSeek kostete Nvidia an einem Tag 600 Milliarden Dollar Börsenwert - 17 Prozent war die Aktie Anfang Jahr abgestürzt. Bei Meta hingegen lösten Finanzergebnisse und die Ankündigung einer ersten Dividende im Februar 2025 einen Kursgewinn von 20,3 Prozent aus, also 196 Milliarden Dollar an Börsenwert. Zwei total unterschiedliche Szenarien, die beide Unternehmen jedoch Geld gekostet, oder geschenkt, haben.
In der Schweiz sind solche Beträge utopisch. Aber auch hierzulande reagieren Aktienkurse teilweise stark auf gewisse Situationen. So beispielsweise die Titel der Credit Suisse (CS), welche am 15. März 2023 an der Spitze 30 Prozent einbüssten, als die Saudi National Bank weitere Kapitalspritzen ausschloss - der Anfang vom Ende für die damals zweitgrösste Schweizer Bank.
Dennoch: Ein Auf und Ab an den Börsen ist normal und Kursverluste - oder -gewinne - im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Bereich gehören auch am Schweizer Markt dazu. Die Ursachen für Kursreaktionen sind divers und folgen nicht immer einer Logik. Klar, der Kurs steigt, wenn mehr Menschen eine Aktie kaufen statt verkaufen möchten, und er sinkt, wenn das Angebot grösser als die Nachfrage ist.
Nur ist dieses Verhalten der Börsenteilnehmenden nicht vorhersehbar. So sind auch vorbörslich geschätzte und gestellte Kurse oft nicht verlässlich und Anleger reagieren gegenteilig der Erwartungen.
Das auf Datenerfassung - und Verarbeitung spezialisierte Unternehmen Strique analysiert Kursreaktionen genau und liefert für das gesamte letzte Jahr und die ersten neun Monate des Jahres 2025 spannende Einblicke in den Schweizer Aktienmarkt. Dazu messen sie die einzelnen Kurseffekte als absolute Werte und die gemessenen Kurseffekte sind um allgemeine Marktschwankungen bereinigt. Gemäss ihren Analysen liegt die «implizierte Schwelle für Kursrelevanz» bei 2,71 Prozent.
In anderen Worten: Der Markt erachtet Nachrichten, die den Kurs um mehr als 2,71 Prozent bewegen, als besonders relevante oder signifikante Ereignisse.
Aus den Zahlen von Strique geht hervor, dass es gemäss den durchschnittlichen Kurseffekten von Ad hoc-Mitteilungen innerhalb des Untersuchungszeitraums sektorale Unterschiede gibt. So reagieren Aktien aus dem Bereich Informationstechnologie und Gesundheitswesen mehr als solche aus der Industrie und ungefähr doppelt so stark wie Titel aus dem Finanzsektor.
Auch Unterschiede nach Unternehmensgrössen sind sichtbar, wie Reto Forrer, Mitgründer von Strique, erklärt: «Grundsätzlich gilt, je kleiner die Unternehmen gemessen am Börsenwert, desto grösser sind die Kurseffekte der unternehmensspezifischen Ereignisse.» Es gebe aber durchaus auch grosse Unternehmen, die sehr volatil sein können.
Ausserdem haben Unternehmen, die selten kommunizieren, meist grössere Kurausschläge zu erwarten. «In Abwesenheit neuer Informationen steigt das Risiko, dass die Erwartungen der Marktteilnehmer und die tatsächliche Situation der Unternehmen auseinanderdriften», führt er aus. Es könne unter diesem Gesichtspunkt sinnvoll sein, den Finanzmarkt regelmässig auf dem Laufenden zu halten, empfiehlt Forrer.
Wichtig sei auch, ob ein Ereignis allein oder in Kombination mit anderen Ereignissen veröffentlicht wird. Wird ein Personalwechsel oder ein neues Produkt zusammen mit den Finanzzahlen kommuniziert, dürfte der Kurseffekt der Finanzzahlen überwiegen. Sein Fazit: «Es ist daher empfehlenswert, Inhalte von unterschiedlicher Tragweite nicht als Bündel, sondern getrennt zu kommunizieren.»
Kapital und Strategie
In den 2'254 analysierten Ad-hoc-Mitteilungen zeigen sich insbesondere jene Ereignisse als besonders kursrelevant, die mit Kapitalmassnahmen oder strategisch bedeutenden Unternehmensentscheidungen zusammenhingen. So führt «Equity Financing Proposal», also Vorschläge zur Eigenkapitalfinanzierung, das Ranking an. Damit führten also Ankündigungen, dass neues Eigenkapital aufgenommen wird, im Durchschnitt zu einer Kursveränderung von rund fünf Prozent.
Dies kann durch die Ausgabe neuer Aktien, eine Privatplatzierung oder die Umwandlung von Schulden in Eigenkapital geschehen und ist für Anleger besonders relevant, da die Kapitalstruktur und Bewertung des Unternehmens direkt beeinflusst werden. Eine Kapitalerhöhung kann einerseits zu einer Verwässerung bestehender Anteile führen, andererseits aber auch als positives Signal für Wachstum oder finanzielle Stabilisierung interpretiert werden. Entsprechend stark reagiert der Markt.
Ebenfalls deutlich reagierten die Aktienkurse auf Prognoseaktualisierungen (+4,64 Prozent), die Offenlegung bedeutender Beteiligungen (+4,56 Prozent), vermeldete Umsatzrückgänge (+4,24 Prozent), oder Fusionsüberlegungen (4,16 Prozent). Sie alle reagierten mit einer Kursreaktion von mindestens 4 Prozent.
Prognoseänderungen und Fusionsüberlegungen beeinflussen insbesondere die Erwartungen der Anleger an die künftige Entwicklung und strategische Ausrichtung eines Unternehmens, während Umsatzrückgänge eher Bedenken hinsichtlich der operativen Stärke wecken. Die Offenlegung bedeutender Beteiligungen führt Veränderungen in der Eigentümerstruktur mit sich. Neue Grossaktionäre oder institutionelle Investoren werden oft als Zeichen von Vertrauen in das Unternehmen gewertet, was tendenziell eher für positive Kursimpulse sorgt.
Ergebnisse und Personal
Neben den stark kursbewegenden Mitteilungen zeigten sich auch eine Reihe von Ereignissen mit spürbaren, aber moderatere Kursreaktionen zwischen zwei und vier Prozent als relevant. Dazu zählen insbesondere Quartals- und Jahresergebnisse, Effizienz- und Kostensenkungsprogramme, oder Gewinnerwartungen
Solche Ereignisse sind typischerweise weniger überraschend, liefern den Anlegern jedoch wichtige Hinweise auf die operative Entwicklung und Managementqualität eines Unternehmens. Während Ergebnisveröffentlichungen und Effizienzmassnahmen häufig als Indikatoren für operative Stabilität oder Verbesserungspotenzial interpretiert werden. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass auch «Routineereignisse» einen relevanten Einfluss auf die Marktstimmung haben können – primär dann, wenn sie im Kontext vorheriger Erwartungen bewertet werden.
Ebenfalls im mittleren Segment sind Änderungen in der Unternehmensführung. So finden sich Nominierung des Verwaltungsratspräsidenten, und Nominierung des Verwaltungsrats und die Ernennung des CEOs alle in einer Kursreaktionsspanne von 1,93 bis 2,34 Prozent wider. Ein gutes Beispiel hierfür ist Nestlé. Ex-Nestlé-Chef Laurent Freixe musste den Lebensmittelmulti anfangs September aufgrund einer Affäre verlassen. Der Aktienkurs von Nestlé fiel am Morgen danach 3 Prozent. VR-Präsident Paul Bulcke verliess den Konzern - auf Drängen der Investoren - daraufhin per 1. Oktober.
Personalentscheidungen sind für Anleger, beziehungsweise die Aussenwahrnehmung des Unternehmens relevanter als oftmals vermutet. Führungskräfte sind für das Erreichen der Unternehmensziele verantwortlich - und gelten als das Aushängeschild des Unternehmens.
«Der Einfluss eines CEO kann sich schon sehr rasch niederschlagen. Der Aktienkurs widerspiegelt schnell das Vertrauen, das die Anlegergemeinde darin setzt, dass er die richtigen Stellschrauben bewegt und das Unternehmen auf den richtigen Kurs bringt», führte Bernd Laux, Anlagechef der Zürcher Kantonalbank (ZKB), anfangs Oktober gegenüber cash aus.
Erwartungen und Vorhersehbarkeit
Im unteren Drittel der untersuchten Situationen liegen Ereignisse, die im Durchschnitt Kursreaktionen von unter zwei Prozent auslösten. Hierzu zählen insbesondere regelmässige oder formale Veröffentlichungen wie der Jahresbericht (+1,75 Prozent) oder Beschlüsse der Generalversammlung (+1,33 Prozent) sowie Finanzierungs- und Kapitalmassnahmen geringerer Tragweite, beispielsweise die Bekanntgabe der Erhöhung einer Kapitalbeteiligung an einem Drittunternehmen (+1,61 Prozent).
Diese Mitteilungen sind meist Teil des normalen Geschäftsverlaufs und enthalten für den Markt nur begrenzt neue oder unerwartete Informationen. Entsprechend fallen die Kursbewegungen moderater aus. Dennoch lassen die leicht positiven Reaktionen bei einzelnen Finanzierungs- und Beteiligungstransaktionen darauf schliessen, dass Investoren auch auf kleinere strukturelle Veränderungen oder gezielte Bilanzoptimierungen achten.
Unter 1 Prozent liegen der Erwerb von Vermögenswerten (0,94 Prozent), die Bekanntgabe der Finanzierung mit Anleihen (0,88 Prozent) oder die Bekanntgabe der Finanzierung mit Schuldverschreibungen (0,83 Prozent). Diese Ereignisse lösen nur minimale Kursbewegungen aus, da sie in der Regel keine unmittelbaren Auswirkungen auf die operative Geschäftstätigkeit oder die zukünftige Ertragskraft haben. Zudem werden Finanzierungsmassnahmen dieser Art üblicherweise im Vorfeld erwartet oder als Teil einer langfristigen Finanzierungsstrategie interpretiert, wodurch ihr Überraschungseffekt für den Markt gering bleibt.
Umfeld und Stimmung
Was natürlich ebenfalls nicht vergessen werden darf, sind gewisse technische Aspekte, also äussere Umstände. Gerade das Jahr 2025 hat eindrücklich gezeigt, wie relevant Änderungen in Politik und Wirtschaft sind. Es kann also durchaus sein, dass ein Unternehmen solide Zahlen präsentiert, im nächsten Moment jedoch ein Konflikt eskaliert oder Änderungen in der Politik die Aussichten für die Branche und somit das Unternehmen trüben.
Ein Beispiel sind hier - wenig überraschend - die Zölle. Am 4. April als Donald Trump die Thematik ins Rollen gebracht hat, blieben nur wenige Aktien verschont. Dies war einerseits die generelle Unsicherheit vor der Situation, aber auch kamen gewisse Branchen und Sektoren unter Druck. Gegenteilig dazu haben diese Woche Aktien wie Swatch oder Richemont zugelegt, als ein Ende des Debakels in Aussicht gestellt wurde.
Weiter findet der Ukrainekrieg kein Ende und wie eine Studie der Massey Universität in Auckland aus dem Jahr 2006 zeigt, verringert jeder internationale Konflikt die Rendite der weltweiten Aktienmärkte um 0,13 Prozent pro Monat. Zu Beginn einer Krise sind die monatlichen Renditeverluste mit 0,44 Prozent am höchsten. Es muss jedoch gesagt werden, dass dabei oftmals die Aktienmärkte der beteiligten Parteien leiden, während andere Märkte längerfristig nicht gross darauf reagieren. Im Gegenteil: US-amerikanische Aktienkurse sind während der Kriege, an denen die USA aktiv beteiligt waren, überdurchschnittlich stark gestiegen. Ganz nach dem Motto, «Kaufen, wenn die Kanonen donnern, und verkaufen, wenn die Violinen spielen».
«Makro-Ereignisse lösen marktweite Kurseffekte aus, wir konzentrieren uns jedoch auf die börsenrechtlichen Informationspflichten», so Forrer. Man müsse die Kurseffekte der unternehmensspezifischen Ereignisse von gleichzeitig auftretenden Makro-Ereignisse trennen. «Zum Beispiel, was ist der Kurseffekt einer Übernahme, die am Tag eines Zollentscheids angekündigt wird? Der Kurs bewegt sich dann unter Umständen signifikant. Die Frage ist dann (auch börsenrechtlich), was davon war der Zollentscheid und was war die Übernahme?»
So oder so, am Ende sind Unsicherheiten und Pessimismus sicherlich keine positiven Katalysatoren - insbesondere für vorsichtige Anleger, die um ihre Vermögen fürchten. Viele Investoren lassen sich von der Stimmung an den Märkten leiten, statt sich auf konkrete Nachrichten und fundamentale Zahlen zu verlassen.

