Unternehmen sind je nach Grösse und Struktur in unterschiedlichem Masse von ihren CEO abhängig. Was indessen überall gilt: Er ist für das Erreichen der Unternehmensziele verantwortlich - und gilt als das Aushängeschild des Unternehmens. 

Gerade bei börsenkotierten Unternehmen geht es nicht immer nur um operative Entscheide, welche den Geschäftsgang beeinflussen, sondern auch um die Aussenwahrnehmung. Hat diese aufgrund operativer Fehlentscheide, mangelnder Sympathie oder anderen Fauxpas gelitten, schlägt sich das in den Geschäftszahlen und vor allem dem Aktienkurs nieder. Dann muss ein neuer Chef her, der die Aufgabe hat, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen.

«Der Einfluss eines neuen CEO kann sich schon sehr rasch niederschlagen. Der Aktienkurs widerspiegelt schnell das Vertrauen, das die Anlegergemeinde darin setzt, dass er die richtigen Stellschrauben bewegt und das Unternehmen auf den richtigen Kurs bringt», sagt Bernd Laux, Anlagechef der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Ein neuer CEO erhält oft Vorschusslorbeeren.

Die Geschäftszahlen hingegen spiegeln die operativen Trends mit etwas Verzögerung von etwa sechs bis zwölf Monaten. «Typischerweise signalisieren die prozentualen Veränderungsraten zum Vorquartal und zum Vorjahr die Trendwende», führt Laux aus.  Für die Stimmung im Unternehmen könne die Ernennung neuer Führungskräfte ebenfalls viel bewegen. Bei der Wahl des richtigen Managers entstehe ein Energieschub für die Organisation und eine Aufbruchstimmung in der Belegschaft.

Derzeit gibt es einige Aktien von Unternehmen, die aus diversen Gründen unter ihren vorgängigen Chefs, aber auch von Fehlentscheiden des Verwaltungsrates an Wert verloren haben. Nun sind neue Gesichter die Aushängeschilder und haben die schwierige Aufgabe vor sich, den Turnaround einzuleiten und das Anlegervertrauen zurückzugewinnen. In Europa sind dies beispielsweise Novo Nordisk, Puma, Kering, und in den USA Boeing. Aber auch in der Schweiz gibt es ein paar Kandidaten. Ein Überblick:

1) Nestlé

Das prominenteste Schweizer Beispiel derzeit ist Nestlé. Nachdem bereits Mark Schneider vorzeitig abtreten musste, folgte fast auf den Tag genau ein Jahr später der nächste Knall und Laurent Freixe musste aufgrund einer Liebes-Affäre den Nahrungsmittelkonzern verlassen. In seiner kurzen Amtsdauer hatte der ehemalige CEO Mühe damit, die Investoren von seinem Turnaround-Plan zu überzeugen und die Aktie verlor deutlich an Wert.

Der Konzern muss wieder in ruhigere Gewässer kommen und zu alter Grösse zurückfinden. Ob der neue CEO Philipp Navratil der «Mann der Stunde» wird, muss sich herausstellen. Die Bank Vontobel meint, der neue Chef werde für frischen Wind von innen sorgen und sei «ausserordentlich geradlinig, ehrgeizig und unerbittlich auf Ergebnisse fokussiert». Die betrachtet das Potenzial einer Trendwende ebenfalls als «beträchtlich». Der Konzern sei kerngesund und durch geeignete Veränderungen, insbesondere eine Neupriorisierung und auch Refokussierung sollte es möglich sein, den Abwärtstrend zu brechen und eine Aufholphase einzuläuten.

Der Aktienkurs hat sich seit dem Wechsel am 2. September nicht nennenswert bewegt. Gemäss Bernd Laux dürfte der Umschwung in Anbetracht der Grösse von Nestlé bei den Anlegern etwas Geduld erfordern. Bis zum durchschnittlichen Wert, den Analysten der Aktie zutrauen, liegen jedoch noch rund 10 Franken Potenzial. Schenkt man der ungefähr selben Anzahl Kauf- und Halteempfehlungen Glauben, warten auch die Analysten vorerst ab.

2) Idorsia

Anders sieht die Lage bei Idorsia aus. Srishti Gupta ist seit dem 1. Juli die CEO des Biotechunternehmens, nach der kurzen Amtszeit von André Muller, der den CEO-Posten erst vor rund einem Jahr von Gründer Jean-Paul Clozel übernommen hatte. Seit 2021 amtet Gupta im Verwaltungsrat von Idorsia als Leiterin des Nominations- und Vergütungsausschusses. 

Die Erwartungen an die ehemalige Ärztin sind hoch. Das angeschlagene Unternehmen kämpft mit anhaltenden Verlusten, Kostendruck und Marktzugang der Medikamente. «Mit dem Marktstart von Quviviq, der das Unternehmen bis Ende 2027 in die Gewinnzone bringen soll, muss der Fokus nun wieder auf das Portfolio gerichtet werden», lässt sich Verwaltungsratspräsident Clozel zitieren. Bis Ende 2027 solle die Firma zurück zur Profitabilität finden. Gupta bringe dafür die richtigen Voraussetzungen mit.

Viel Zeit dafür hat sie jedoch nicht, da die flüssigen Mittel nur noch bis Mitte 2026 reichen. Einige Beobachter fragen sich wohl auch, ob Gupta nebst der medizinischen Kompetenz die nötige CEO-Härte mitbringt. So oder so sorgt die Ehefrau von Novartis-CEO Vasant Narasimhan für frischen Wind.

Der Aktienkurs hat sich seit dem Amtsanatritt von Gupta verdoppelt. Dasselbe passierte allerdings schon zwischen April und Juni, als Gupta noch nicht Chefin war. Ende 2024 waren die Titel zwischenzeitlich noch 60 Rappen wert. Für die Aktie sehen Analysten derzeit nicht mehr viel Aufwärtspotenzial, wie das durchschnittliche Kursziel von 4,42 Franken impliziert - das kann sich jedoch jederzeit ändern.

3) Implenia

André Wyss trat Ende März 2025 nach sechs Jahren an der Spitze des Baukonzerns Implenia zurück und übergab das Amt an Jens Vollmar. Dieser ist seit 2013 bei Implenia und seit 2015 Leiter der Hochbaudivision. Der Verwaltungsrat äusserte sich in der Pressemitteilung sehr optimistisch, dass Vollmar «mit seinem strategischen, betriebswirtschaftlichen wie auch baufachlichen Wissen, seiner Erfahrung sowie seiner Persönlichkeit die Gruppe erfolgreich in die Zukunft führen wird.»

Anders als Gupta und Navratil übernimmt Vollmar kein angeschlagenes Unternehmen. Implenia überzeugt schon länger mit starken Ergebnissen und einem guten Auftragsbestand. Auch die Aktie hat im Einklang mit anderen europäischen Bauunternehmen bereits stark performt, bewertet Laux den Titel. Seit Anfang Jahr hat die Aktie rund 115 Prozent zugelegt. Seit Vollmar übernommen hat, hat sich die Aktie von 40,80 Franken auf 66 Franken verteuert und entspricht somit in etwa dem durchschnittlichen Kursziel von 67,75 Franken der Analysten - zwischenzeitlich lag der Titel sogar noch 2 Franken höher. 

Im Interview mit moneycab sagte Vollmar, der Fokus habe in den ersten Monaten auf Kunden, Projekten und Mitarbeitenden gelegen, sowie Investoren und Analysten besser kennenzulernen. Einen potenziellen Wachstumsbereich sieht er im Verteidigungsgeschäft. Wie Kepler Chevreux in einer Einschätzung schreibt, verfolge der Konzern nun eine risikoärmere Strategie und sei gut positioniert, um von sinkenden Zinsen sowie dem deutschen Infrastrukturpaket im Umfang von 500 Milliarden Euro zu profitieren, das ab dem Geschäftsjahr 2027 wirksam werde. Laut ZKB dürfte das operative Ergebnis im laufenden Jahr die Zielsetzung von 140 Millionen Franken erfüllen, wozu auch die Beteiligung an Cham Swiss Properties beitragen dürfte. 

4) SIG

Etwas weniger rosig sieht die Aufgabe für Ann-Kristin Erkens aus. Sie ist ad interim CEO von SIG, nachdem Samuel Sigrist im August das Unternehmen per sofort verlassen hatte. Wer die Position nach Erkens übernehmen wird, ist weiterhin unklar. Dies macht es auch schwierig, das Ausmass der erforderlichen Restrukturierung abzuschätzen, wie ZKB-Experte Laux erklärt. 

Der Verpackungsspezialist kämpft weiterhin mit einem schwachen Dollar und der Konsumentenstimmung in seinen Endmärkten. In den Halbjahreszahlen spiegelte sich das wider und im September folgte eine Gewinnwarnung und die Ankündigung der Dividendenstreichung 2025. Die Aktien brachen daraufhin ein und haben sich seither nicht erholt. Dennoch befinden sie sich mit dem aktuellen Kursniveau nahe dem durchschnittlichen Kursziel von 8,115 Franken. Mit neun Kaufempfehlungen zu sieben Halten und nur einer Verkaufsempfehlung scheint jedoch nicht der ganze Optimismus verflogen. Dennoch empfiehlt Laux, vorerst abzuwarten, bis wesentliche Parameter geklärt seien. 

Für Stifel signalisiert der angekündigte Schritt strikte Kapitaldisziplin und die Einsicht, dass die aktuelle Verschuldung nicht tragbar sei. Insgesamt erkennt die US-Bank die strategische Neuausrichtung als Schritt in die richtige Richtung, wenngleich Anleger kurzfristig mit weiteren Belastungen rechnen müssten. Das Unternehmen will erst Ende Oktober bei einem Investorenanlass weitere Details zur mittelfristigen Strategie nennen. Laut Research Partners brauche es wohl mehrere Quartale, um das Vertrauen wiederherzustellen. Langfristig könnte das Potenzial gemäss ZKB sehr gross sein, doch davor müssen eine Reihe von Voraussetzungen erst geschaffen werden.

5) GAM

Auch auf Albert Saporta warten bei GAM einige Herausforderungen. GAM - 2009 von Julius Bär abgespalten - kämpft seit Jahren mit den Folgen hausgemachter Probleme. Seit 2018 ein prominenter Fondsmanager wegen schwerer Verfehlungen suspendiert worden war, erlebt das Unternehmen massive Geldabflüsse aus seinen Anlagevehikeln. Der Asset-Manager blieb 2024 in der Verlustzone, und die Rückkehr in die Gewinnzone wird erst im Jahr 2026 erwartet.

Saportas Vorteil: der ehemalige CEO Elmar Zumbühl begleitet den Frischling für die ersten sechs Monate, also bis Ende Jahr. Unter Zumbühl hat der Vermögensverwalter in den vergangenen 21 Monaten eine umfassende Transformation durchlaufen: Nicht-strategische Geschäftsbereiche sind veräussert worden, und eine schlanke, skalierbare Plattform ist aufgebaut worden. Nun hat GAM seine strategische Neuausrichtung erfolgreich abgeschlossen und ist gut aufgestellt, um profitables Wachstum zu realisieren, so das Unternehmen. 

Seit dem Führungswechsel vermeldete der Vermögensverwalter neue Zugänge im Kundenmanagement. Damit erhofft sich das Unternehmen eine Wende bei den verwalteten Vermögen. Die Aktien haben nach jahrelangen Verlusten nun wieder eine positive Tendenz und gehören gar zu den Spitzenreitern am SPI. Sie legten in drei Wochen um rund 38 Prozent zu und kosten derzeit 0,16 Rappen.