Angesichts der stetig steigenden Börsen macht sich weitum Unbehagen breit: Fast drei Viertel der in einer Umfrage konsultierten Schweizerinnen und Schweizer erwarten in den kommenden fünf Jahren eine Finanzkrise. Und in einer Umfrage des US-Finanzinstituts Bank of America halten rekordhohe 91 Prozent der Teilnehmenden US-Aktien für überbewertet. 

Zudem: Der «Buffett Indicator» (benannt nach der Investmentlegende Warren Buffett) notiert bei rund 220 Prozent - das ist fast das Doppelte wie während der Dotcom-Blase. Nicht einmal vor der Grossen Depression vor 100 Jahren erreichte die bis heute grösste Finanzblase derartige Niveaus. Buffett bezeichnete in einem Interview mit dem Magazin Fortune im Jahr 2001 ein Level über 200 Prozent als «Spiel mit dem Feuer». 

Und dennoch: Die Märkte steigen. Ob Aktien, Gold oder Bitcoin - die «Everything Rally» scheint unaufhaltsam.  Selbst ein vormals von den Finanzmärkten gefürchteter «Government Shutdown» in den USA vermag die Börsen kaum aus der Ruhe zu bringen. Dieser dauert nun schon Wochen und ist der zweitlängste in der Geschichte.

Ob ein Markt-Crash oder eine deutliche Korrektur bevorsteht, kann niemand sagen. Zumal schroffe Rücksetzer an den Märkten sehr oft unerwartete Ursachen haben.cash.ch ordnet nach Gesprächen mit zwei Anlagechefs das Crash-Risiko für verschiedene Anlageklassen anhand eines Ampelsystems ein und zeigt auf, wie sich Anlegerinnen und Anleger vor Verlusten schützen oder diese zumindest begrenzen können.

Aktien: Gelb (Technologie: Rot)

Alle Aktien in den gleichen Topf zu werfen, wäre falsch. Während Technologie- und KI-getriebene Werte von Rekord zu Rekord eilen, befinden sich andere Branchen wie die Automobil- oder die Chemieindustrie in einer gegensätzlichen Ausgangslage. Gleiches gilt regional: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 liegt mit rund 29 nahe dem Rekordhoch, Europa oder China sind mit 18 respektive 11 deutlich preiswerter.

Matthias Geissbühler, Anlagechef von Raiffeisen, rät angesichts der Blasenbildung in Teilen des Aktienmarkts zu Gewinnmitnahmen im US-Technologiesektor. Das grösste Potenzial für Reinvestitionen sieht er bei heimischen Werten. Während viele Schwellenländer und Europa in diesem Jahr deutliche Kursanstiege verzeichnet haben, wurden die Gewinnwachstumsaussichten dort nicht angepasst - entsprechend sind die Bewertungen angestiegen und liegen über dem langfristigen Durchschnitt.

Relativ betrachtet sind derzeit Schweizer Aktien attraktiver. Hier liegt die Bewertung weiterhin auf dem langfristigen Durchschnitt. Ein Grund dafür ist die niedrige Bewertung der beiden Pharmariesen Roche und Novartis. Diese liegt unter dem Langzeitschnitt. Mit einer Dividendenrendite von rund 3,5 Prozent und einem eingepreisten Risiko rund um die Medikamentenpreise in den USA könnte sich ein Einstieg langfristig lohnen.

Thomas Rühl, Anlagechef der Schwyzer Kantonalbank (SZKB), sieht dagegen Potenzial bei europäischen Small und Mid Caps - inklusive der Schweiz. Aufgrund der Kursentwicklungen der «Magnificent 7» weisen Indexanlagen mittlerweile eine hohe Konzentration im Technologiesektor auf. Um dem entgegenzuwirken, sollten kleinere Werte aktiv ins Portfolio aufgenommen werden, da sie positiv überraschen dürften: Die Erwartungen seien derzeit tief.

Gold: Grün

Im Wirtschaftskrieg gegen China wollen die USA ihre politische und wirtschaftliche Führungsrolle verteidigen. Nachdem der Dollar im Zuge der Ukraine-Invasion als Sanktionsinstrument und Waffe gegenüber Russland eingesetzt wurde, wenden sich immer mehr Zentralbanken vom der US-Währung ab.

Sie gehören seit Monaten zu den grössten Goldkäufern. Laut World Gold Council liegen ihre Käufe deutlich über historischen Niveaus. Auch die Nachfrage von chinesischen und indischen Investoren steigt - sie liegt bis zu 44 Prozent über dem Vorjahr. 

Seit rund drei Jahren kennt der Goldpreis fast nur eine Richtung: nach oben. In US-Dollar gerechnet legte er zeitweise um 160 Prozent zu, in Schweizer Franken verdoppelte sich der Preis bis Mitte Oktober auf 3470 Franken pro Unze. Laut Experten unterstreicht dies die Rolle des Edelmetalls als Absicherung gegen wirtschaftliche und geopolitische Risiken.

Geissbühler von Raiffeisen empfiehlt, Gold im aktuellen Umfeld überzugewichten - in den Raiffeisen-Portfolios beträgt der Anteil derzeit 8 Prozent. Nach den kräftigen Kursanstiegen der vergangenen Monate sei das Edelmetall jedoch anfällig für kurzfristige Korrekturen. Tatsächlich hat der Goldpreis seit dem Rekordhoch vom 20. Oktober um rund 7 Prozent nachgegeben.

Dennoch bleiben die strukturellen Treiber intakt. Die Goldrallye spiegelt die Dollarabwertung wider. Aufgrund steigender Inflationserwartungen - insbesondere in den USA - dürfte der Preis langfristig weiter zulegen, so Rühl von der SZKB. Rücksetzer sollten deshalb zum Einstieg genutzt werden.

Bitcoin: Rot

Auch wenn Bitcoin oft als «digitales Gold» bezeichnet wird, verhält sich die Kryptowährung keineswegs so. Laut Geissbühler ist die Korrelation zwischen Bitcoin und Edelmetall nahezu null - vielmehr ähnelt der Kursverlauf spekulativen Aktien.

Seit dem Wahlsieg von Donald Trump gegenüber Joe Biden im vergangenen November hat sich der Bitcoin-Kurs auf 125’000 Dollar bis Anfang Oktober nahezu verdoppelt. In diesem Jahr betragen die Gewinne rund 24 Prozent. Die Volatilität bleibt jedoch ein Vielfaches jener von Aktien. Besonders in fallenden Märkten und oft Hand in Hand mit Verlusten bei Tech-Aktien verliert Bitcoin überdurchschnittlich stark. Zwischen Februar und April sowie im Oktober blieb die Performance hinter dem S&P 500 zurück.

Der Experte rät deshalb zu äusserster Vorsicht bei der weltweit bekanntesten Kryptowährung. Sie sei zwar grossartig in Bullenmärkten, in Bärenmärkten wird sie aber umgekehrt destruktiv sein. Das hohe Leverage der darin agierenden Akteure mache Bitcoin zu einer äusserst volatilen Anlage. 

Devisen: Grün

Was für den Franken grün ist, ist für den Euro gelb und den Dollar rot. Sowohl Geissbühler als auch Rühl erwarten eine Fortsetzung des Aufwertungsdrucks auf den Schweizer Franken - wenn auch in abgeschwächter Form. Der Franken war bei Marktturbulenzen schon immer ein Zufluchtsort.

Während die USA eine beispiellose Neuverschuldung aufweisen, verweist Rühl auf die Heterogenität der Eurozone: Einige Mitgliedsstaaten führen vorbildliche Haushalte, was zur relativen Stabilität des Euros beiträgt. Zudem dürfte die Frankenstärke teilweise mit der Gold-Aufwertung zusammenhängen. Die Abkehr der internationalen Zentralbanken vom Dollar und die Suche nach sicheren Häfen stützen die strukturelle Nachfrage nach dem Franken.

Der Marktkonsens sieht Dollar-Franken-Kurs in zwölf Monaten bei 79 Rappen, die tiefste Prognose gar bei 73 Rappen. Der Euro könnte sich dagegen im selben Zeitraum auf 95 Rappen aufwerten.

Obligationen: Gelb

So vielfältig wie der Anleihemarkt sind auch seine Risiken. Schweizer Staatsobligationen bieten kaum Rendite, gelten dafür aber als äusserst sicher. Ausländische Anleihen versprechen höhere Erträge, bergen jedoch Währungsrisiken. Von hochverzinslichen Anleihen mit niedriger Bonität raten beide Experten ab.

Geissbühler empfiehlt Staatsanleihen aus Schwellenländern. Nach Abzug der Devisen-Absicherungskosten bleibe deren Rendite attraktiv. Rühl wiederum sieht in Schweizer Immobilien eine interessante Alternative: Sie seien das «nächstbeste» zu Schweizer Staatsanleihen. Die Renditedifferenz sei erheblich, das Risiko jedoch nur geringfügig höher – sofern die vergangene Performance ein Indikator für künftige Erträge bleibt. 

Luca_Niederkofler
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