Wir haben uns fast schon daran gewöhnt: Die Zeiten für risikoaverse Anleger, die Wert auf fixe Renditen in Form von Zinsen legen, sind längst vorbei. Und so schnell werden sie wohl auch nicht wiederkommen. Zinsen auf Sparguthaben gibt es kaum noch, und die Renditen auf Qualitätsanleihen fielen ebenfalls häufig ins Negative. Momentan rentiert der zehnjährige "Eidgenoss" bei -0,661 Prozent.

Nicht zuletzt hervorgerufen durch diesen Trend erfreuen sich seit einigen Jahren vermehrt dividendenstarke Aktien grösserer Beliebtheit. Anleger sehen darin eine Art Obligationenersatz. Freilich kann eine Aktie nie ein wirklicher Ersatz für ein festverzinsliches Papier sein. Doch gerade auf dem europäischen Aktienmarkt kann es sich durchaus lohnen, auf solche Unternehmen zu setzen. Denn: Nirgendwo auf der Welt sind die Unternehmen so gewillt, hohe Dividenden auszuschütten.

Während in Asien und den USA die durchschnittliche Ausschüttungsquote der Unternehmen im Verhältnis zu den Gewinnen je Aktie bei etwa 50 Prozent liegt, wurden in Europa zuletzt etwa 80 Prozent des Konzernüberschusses an die Aktionäre ausbezahlt – meist mangels lukrativer Parkmöglichkeiten für freie Mittel. cash wirft – gemessen an der Dividendenrendite – einen Blick auf die Top-Ten der besten europäischen Dividendenzahler und zeigt, ob sich die Renditen weiter solide entwickeln werden. 

Evraz: Der absolute Dividendenkönig

Die meisten dürften den Namen Evraz noch nie gehört haben. Dabei handelt es sich bei dem zweitgrössten Stahlhersteller Russlands quasi um den Dividendenkönig Europas. 2019 wies die Aktie eine Dividendenrendite von satten 12,6 Prozent aus. Damit liegt Evraz dividendentechnisch an der Spitze des Eurostoxx 600 (siehe Tabelle unten). Allerdings handelt es sich hier um keinen kontinuierlichen Dividendenzahler. Erst seit 2017 zahlt der Stahlbauer überhaupt "Tantiemen" an seine Aktionäre.

Vorsicht ist auch deswegen geboten, weil Evraz zwischen 2012 und 2016 durchgehend Verluste machte. Seit 2017 scheint es aber aufwärtszugehen. Die Aktie befindet sich seit 2016 auf stabilem Wachstumskurs. Auch wenn in der zweiten Hälfte 2019 der Kurs wegen eines Gewinneinbruchs korrigierte, könnte hier eine interessante Turnaround-Geschichte entstehen. Wenn es der Konzern schafft, das Ruder weiter herumzureissen, könnte sich Evraz zu einem beliebten Dividenentitel entwickeln.

Imperial Brands: Dividendenzahler als Einstiegsmöglichkeit?

Der viergrösste Tabakkonzern der Welt ist seit Jahren ein stabiler Dividendenzahler. Während sich die Dividendenrendite in den 2010er-Jahren meist zwischen soliden vier und sieben Prozent befand, ist sie 2019 auf 11,5 Prozent hochgeschossen. Ein Grund ist, dass Imperial Brands praktisch jedes Jahr die Dividende erhöht. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der Aktienkurs des Konzerns zuletzt ein wenig litt, was die Dividendenrendite erhöht.

Dennoch handelt es sich bei Imperial Brands um einen soliden Dividendentitel. Sowohl bei Umsatz als auch beim operativen Gewinn zeigt die Richtung – trotz kleinerer Unterbrüche – klar nach oben. Analysten sehen den jüngsten Kursrückgang zudem als attraktive Kaufgelegenheit. Das durchschnittliche Kursziel der Analysten liegt laut Marketscreener rund 20 Prozent über dem aktuellen Kurs.

Top-Ten der Euro-Stoxx-600-Aktien mit den höchsten Dividendenrenditen 

AktieBrancheLandDiv.-Rendite 2019, in Prozent
EvrazRohstoffRussland12,85
Imperial BrandsTabakGrossbritannien11,56
HammersonFinanzenGrossbritannien11,14
Royal Bank of ScotlandFinanzenGrossbritannien10,06
Micro FocusSoftwareGrossbritannien9,59
BT GroupTelekommunikationGrossbritannien9,56
EutelsatTelekommunikationFrankreich9,54
Unibail-Rodamco-WestfieldFinanzenFrankreich8,71
NatixisFinanzenFrankreich8,61
FreenetTelekommunikationDeutschland8,58

Quelle: Bloomberg

BT Group: Hohe Dividende allein kein Kaufsignal

Der britische Telekommunikationskonzern BT Group ist ein gutes Beispiel dafür, dass eine hohe Dividendenrendite nicht automatisch ein Kaufargument sein muss. Zwar weisst BT seit Jahren solide Dividendenrenditen zwischen 3 und 7 Prozent aus – 2019 waren es sogar rund 9,5. Doch der Aktienkurs kennt seit fünf Jahren nur eine Richtung, nach unten. Seit 2015 büsste das Unternehmen rund 60 Prozent an Aktienwert ein.

Und Besserung ist nicht in Sicht. Kürzlich veröffentlichte BT Group Ergebnisse für das bis Ende Dezember laufenden dritten Geschäftsquartal. Die nackten Zahlen: Ein Minus von vier Prozent im operativen Gewinn und ein Umsatzrückgang von drei Prozent. Zudem begrenzte die britische Regierung zuletzt den Anteil an Huawei-Hardware für den Ausbau des 5G-Netzes auf der Insel auf 35 Prozent. Da der chinesische Technologiekonzern aktuell Hauptzulieferer für den Netzaufbau der BT Group ist, belastet dieses Verbot den Ausblick des Konzerns zusätzlich. Anleger sollten hier bis auf Weiteres die Finger von lassen.

Freenet: Konstante Dividende und ein solides Geschäft

Dass es als Telekommunikationsunternehmen auch besser geht, zeigt Freenet. Zwar hat der deutsche Konzern, der hierzulande wohl vor allem als Blockierer des Sunrise-UPC-Deals bekannt ist, 2018 ebenfalls einen kräftigen Rückgang beim Umsatz verkraften müssen. 2019 überraschte der Konzern allerdings mit einem kräftigen Gewinnplus von 44 Prozent. Seit 2010 hat Freenet stets seine Dividende erhöht. 2019 betrug sie gute 8,5 Prozent.

Und die Aussichten sind durchaus stabil. Der Kursrücksetzter aus dem Jahr 2018 birgt noch Aufholpotenzial, auch wenn die Aktie 2019 bereits 20 Prozent zugelegt hat. Erst gestern erneuerte die DZ Bank ihre Kaufempfehlung für den Telekommunikationsanbieter. Laut den Analysten dürften das Unternehmen bei seinen vorläufige Eckdaten Ende Februar seine Ziele erreichen, was die Kurserholung weiter antreiben dürfte.

Natixis: abgestraft aber auf Erholungskurs

Im Juni letzten Jahres wurde die französische Sparkassen- und Genossenschaftsbank an der Börse stark abgestraft. Weil die Tochtergesellschaft H2O Asset Milliardenabflüsse von Kundengeldern bekannt machte, verloren die Titel von Natixis rund 30 Prozent innerhalb weniger Wochen. Doch mit der Zeit machte sich die Erkenntnis breit, dass die Reaktion der Märkte wohl überzogen war.

Den Stein des Anstosses gab das Analysehaus Fitch Rating, das zur Erkenntnis kam, dass die finanzielle Stärke von Natixis durch die Schwierigkeiten bei H2O AM nicht beeinträchtigt ist. H2O stelle nur vier Prozent der Verwalteten Vermögen von Natixis dar und mache fünf Prozent des Nettogewinns aus. Seit dem Kurssturz hat sich die Aktie immerhin um rund 18 Prozent erholt. Zudem zahlt das Finanzinstitut seit Jahren stabile Dividenden. 2009 betrug die Dividendenrendite 8,6 Prozent. 2021 will Natixis die Dividende je Aktie von derzeit 0,34 auf 0,36 erhöhen.