"Die Schweizer Aktien haben alle anderen Märkte outperformt", sagt Lorenz Reinhard, Fondsmanager von Pictet Asset Management, vergangene Woche anlässlich einer Präsentation in Zürich. Von 2002 bis heute lasse der Swiss Performance Index (SPI) um Währungseffekte bereinigt den amerikanischen, europäischen und auch japanischen Aktienmarkt hinter sich. Er sieht verschiedene Gründe für den starken Schweizer Aktienmarkt:

  • Schweizer Firmen sind global ausgerichtetDie Schweiz selbst macht nur noch 6 Prozent des Umsatzes aus, der Mammutanteil des Umsatzes stammt aus Europa (30 Prozent), Nordamerika (28 Prozent) und der Region Asien-Pazifik (21 Prozent).
  • Soft Facts sprechen für die Schweiz: Gemäss dem Global Competitiveness Report 2015-2016 des WEF ist die Schweiz das weltweit wettbewerbsfähigste Land. Zum Erfolg tragen Soft Facts wie die Innovationskraft, ein stabiler Arbeitsmarkt, die politische Stabilität, die Infrastruktur und Ausbildungs- sowie Forschungszentren bei. Vor allem die politische Stabilität könne in den nächsten Jahren zum grossen Trumpf der Schweiz werden, ist Reinhard überzeugt. 
  • Kotierte Schweizer Firmen mit tiefster Steuerbelastung: Im Vergleich mit dem Ausland haben Schweizer Unternehmen mit einem Steuersatz von rund 18 Prozent am wenigsten staatliche Abgaben zu entrichten. Unternehmen in den USA, Deutschland, Japan, Frankreich und Grossbritannien zahlen allesamt höhere Abgaben. Und die Schweiz bleibt gemäss Reinhard weiter attraktiv: "In den nächsten 5 bis 10 Jahren ist zwar ein Anstieg des Steuersatzes für Firmen von 1 bis 2 Prozent möglich, aber die Vorteile für die Schweiz bleiben wohl bestehen." Die tiefen Steuersätze wirken sich auch auf den Cash Flow Return on Investment (CFROI) aus: In keinem anderen Land ist dieser langfristig so hoch wie bei Schweizer Unternehmen.

Der Fondsmanager von Pictet sieht auch keinen Grund, weshalb Aktien in nächster Zeit an Attraktivität verlieren sollten. Denn nach wie vor führe an ihnen, trotz erhöhter Bewertung, kein Weg vorbei.

Die Attraktivität wird durch den Vergleich mit anderen Anlageklassen zusätzlich untermauert: Während zehnjährige Schweizer Anleihen -0,32 Prozent, Privatkonten praktisch null Prozent und Schweizer Unternehmensanleihen knapp 0,5 Prozent im Jahr abwerfen, liegt die Jahresperformance des SPI immerhin bei 2,1 Prozent – trotz zwischenzeitlichen Durchhängern.

Aktien sind also zweifelslos verlockend, wenn man bereit ist, das entsprechende Risiko einzugehen. Aber ist der Schweizer Markt auch tatsächlich die weltweite Nummer eins? cash hat sich bei anderen Experten umgehört, die nicht alle zustimmen:

Andreas Bickel, Anlagechef Sound Capital:

"Die Aussage ist etwas zu stark. Vor allem für die nächsten 12 bis 24 Monate würde ich dies nicht unterschreiben. Schweizer Aktien sind zusammen mit den amerikanischen die teuersten. Es ist empfehlenswert, anderswo zu investieren, zum Beispiel in die Peripherie Europas - ich denke da an Länder wie Italien oder Spanien. Gegen den Schweizer Markt spricht auch der Gegenwind durch den Euro und die verschiedenen Massnahmen der Notenbanken. Der Schweizer Franken ist immer noch stark, die Wettbewerbsfähigkeit des Werkplatzes Schweiz ist massiv gesunken. Fairerweise muss aber auch gesagt werden, dass die Schweizer Wirtschaft sehr anpassungsfähig ist. Neben einer Verlängerung der Arbeitszeiten kommt es auch zu Verlagerungen ins Ausland. Klar, für die Schweizer Wirtschaft ist das nicht erfreulich, aber auf die Aktien wirken sich solche Massnahmen schlussendlich positiv aus. Aus Einzeltitel-Sicht sind zum einen die grossen Nestlé, Novartis und Roche, zum anderen auch kleinere Titel wie Partners Group, Ypsomed, EMS und Swatch interessant."

Roland Kläger, Leiter Finanzmarktanalyse Raiffeisen Schweiz:

"Ja. Gerade jetzt, wo die Unsicherheit gross ist, sind innovative und defensive Kräfte notwendig. Und der Schweizer Aktienmarkt bietet genau dies: Die defensiven Schwergewichte Novartis, Roche und Nestlé, aber auch interessante Wachstumstitel wie Actelion und Sonova. Schweizer Anlegern empfehlen wir bei einem ausgewogenen Risikoprofil, 40 Prozent ihres Vermögens in Aktien zu investieren, davon die Hälfte in Schweizer Titel. Das ist zwar ein klarer Schweizer Bias, der unserer Meinung nach aber vertretbar ist. Bei Titeln in Schweizer Franken hat man zusätzlich den Vorteil, dass keine Währungsabsicherung notwendig ist. Wenn der konjunkturelle Motor aber wieder heiss läuft, sehen wir die Schweiz nicht mehr unbedingt an erster Stelle. Der Schweizer Markt ist spannend, solange Volatilitäten und Unsicherheiten im Markt vorherrschen."

Thomas Steinemann, Anlagechef Privatbank Bellerive:

"Der Schweizer Aktienmarkt ist sehr interessant, da er eine grosse Diversifikation bietet. Es heisst ja, man solle sich gegen den 'Home Bias' wehren, in der Schweiz ist er meiner Meinung nach jedoch gerechtfertigt. Zum einen gibt es Unternehmen, die zu 99 Prozent im Ausland tätig sind, zum anderen auch Schweizer Firmen, die fast nur im Inland operieren. Man kann also in Schweizer Werte investieren und gleichzeitig auch die Welt 'hereinholen'. Etwas provokativ gefragt: Warum muss ich Titel von lokalen Nahrungsanbietern in China haben, wenn ich auch Nestlé-Aktien kaufen kann? Für Schweizer Aktien spricht auch die ausgeprägte Dividendenrendite, die man beispielsweise in Amerika so nicht kennt. Der Schweizer Markt ist aber hoch bewertet, da auch viele Ausländer die Vorteile von Schweizer Titeln sehen. Ich würde nicht sagen der Schweizer Aktienmarkt ist der attraktivste der Welt, aber interessant ist er auf jeden Fall, da er eine Sonderstellung hat."