Der S&P 500 Index hat in den letzten drei Monaten 20 Prozent zugelegt und ist im Januar von Rekordhoch zu Rekordhoch geeilt. Historisch gesehen bricht nun mit dem Monat Februar aber eine schwierige Zeit an. Denn nebst September und Oktober wartet auch der Februar im historischen Vergleich mit rückläufigen Börsenkursen auf. So bescherte in der jüngeren Vergangenheit der Februar 2016 und 2018 Anlegerinnen und Anlegern im S&P 500 je einen Verlust von rund 5 Prozent.

Grund zur Sorge vor einer möglichen Korrektur gibt es reichlich. Widerstand kommt primär von der Zinsfront, nachdem diese vor Jahresende noch für kräftigen Rückenwind gesorgt hat. Die Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen haben in den letzten fünf Wochen von 3,75 auf 4,15 Prozent wieder deutlich angezogen. Gemäss Marktbeobachtern erscheint es unwahrscheinlich, dass die US-Notenbank Fed bereits im März mit Zinssenkungen beginnen wird. Der Futures-Markt preist nun eine erste US-Leitzinssenkung um 0,25 Prozent per Mai ein. 

Zunehmend wirft auch der Hype um die Künstliche Intelligenz Fragen auf, da die Kursexplosion stark an die spekulative Dotcom-Blase erinnert. Laut den Strategen von Citigroup ist die Positionierung in den US-Technologieaktien so optimistisch, dass jeder Ausverkauf einen grösseren Absturz auslösen könnte. «Die grosse Konsenspositionierung ist ein Risiko und könnte eine Markttrendwende verstärken», schrieb Citi-Stratege Chris Montagu in einer Notiz.

Einige der grössten Optimisten an Wall Street sind zudem beunruhigt, dass der Enthusiasmus, der den Anstieg auf Allzeithochs antrieb, ein konträres Signal aussendet. In der Woche bis zum 30. Januar erreichte das ermittelte Verhältnis von Bullen zu Bären den höchsten Stand seit Mitte 2021, wie eine Analyse von Yardeni Research zeigt. 

Die Letzten beissen die Hunde

Damit die Hausse an Wall Street auf der anderen Seite weitergeht, braucht es Käufer, die selbst in diesen luftigen Höhen weiter zugreifen. Und von denen scheint es genug zu geben. «Ich hoffe wirklich, dass wir bald eine Korrektur an der Börse erleben», sagte Nancy Tengler, Chief Investment Officer bei Laffer Tengler Investments zur Nachrichtenagentur Bloomberg. «Ich habe viel Geld, das ich für meine Kunden einsetzen möchte.» Sie plant, jeden Kursrückgang zu nutzen, um die Aktienpositionen von Palo Alto Networks, Microsoft oder auch Amazon aufzustocken.

Selbst der Überflieger Nvidia wird weiter mit Kurszielerhöhungen eingedeckt. So hat Goldman Sachs am Montag das Ziel von Nvidia von 625 auf 800 Dollar hochgeschraubt. Am Dienstag eröffnete Nvidia bei 700 Dollar - vor 16 Monaten gab es die Aktie noch zum Schnäppchenpreis von 115 Dollar. 

Bemerkenswert ist auch die zunehmende Breite der Rally in den Technologieaktien. Die Anzahl der Gewinner am KI-Boom wird immer grösser. Der jüngste Star ist mit Palantir ein Hersteller von Verteidigungssoftware, dessen Aktien aufgrund eines beeindruckenden Umsatzwachstums am Dienstag um über 20 Prozent in die Höhe schossen. Letzte Woche erlebten die Aktien des Nvidia-Zulieferers Super Micro Computer einen kräftigen Aufschwung, als das Unternehmen eine herausragende Prognose für das laufende Geschäftsjahr abgab.

Mit Intel folgt ein Nachzügler, der noch in diesem Jahr KI-fokussierte Chips auf den Markt bringen will. Meta hat es andererseits geschafft, den Schwerpunkt vom Metaversum auf die KI-Vorteile zu verlagern. Mit der angekündigten Aufnahme von Dividendenzahlung hat dies den Aktien in diesem Jahr ein Kursplus von 30 Prozent beschert.

Mark Haefele, Chief Investment Officer, UBS Global Wealth Management, ist weiterhin ein überzeugter Verfechter des Technologie-Booms. Die Argumente für Investitionen in Technologie - einschliesslich KI - sind weiterhin intakt und er empfiehlt Anlegerinnen und Anlegern, jede unangemessene Korrektur bei führenden KI-Qualitätstiteln als Kaufgelegenheit zu nutzen. «KI wird in diesem Jahr und wahrscheinlich auch für den Rest des Jahrzehnts das Schlüsselthema bleiben», so der oberste Anlagestratege der grössten Schweizer Bank. 

Andere beurteilten US-Aktienanlagen noch optimistischer

Der Optimismus der Strategen beschränkt sich nicht nur auf den Technologiesektor, auch der breite Markt hat Potenzial. So bekräftige Ed Yardeni von Yardeni Research jüngst sein Kursziel beim S&P 500 von 5'400 Punkte - das entspricht einem Kurspotenzial von rund 10 Prozent bis Ende Jahr. 

Lori Calvasina von RBC Capital Markets hat ein Jahresendziel von 5'500 Punkten auf dem Zettel. Für sie steht der Markt erst am Anfang eines Zyklus, wo Aktien mit höheren Multiplikatoren gehandelt werden, als sich das viele Leute vorstellen können. «Ich denke, dass viele Leute für ihre Bewertungen noch Zeiträume nach der globalen Finanzkrise nutzen. Nun müssen wir wirklich mehrere Zyklen betrachten», sagte Calvasina gegenüber Bloomberg. «Ich bin fest davon überzeugt, dass wir am Anfang der Post-Covid-Ära des Investierens stehen.»

Aktienrückkäufe und Saisonalität nach Rekordhoch sprechen für steigende Kurse

Vor allem eine Entwicklung spricht für weitere steigende Kurse: Laut vorläufigen Daten von S&P Dow Jones Indices werden die S&P-500-Unternehmen im Jahr 2024 voraussichtlich mindestens 840 Milliarden US-Dollar für Aktienrückkäufe ausgeben nach 800 Milliarden Dollar 2023. Angesichts der prognostizierten Zinssenkungen können mehr Unternehmen ihr neu verfügbares Kapital an der Börse für Rückkäufe einsetzen. «Der grösste technische Faktor für den US-Aktienmarkt ist der Rückkauf von Unternehmensaktien, und wir beginnen gerade erst mit der Wiederaufnahme der grössten Rückkäufe», schreibt die Investmentbank Goldman Sachs in einer Kundennotiz. 

Die grossen US-Technologieunternehmen haben letztes Jahr am meisten eigene Aktien zurückgekauft. Angeführt wird die Liste von Apple (77,6 Milliarden Dollar), Alphabet (60,7 Milliarden Dollar), Meta (26,1 Milliarden) und Microsoft (21,5 Milliarden Dollar). Im Umfang von mehr als 10 Milliarden Dollar haben auch Comcast, Visa, JPMorgan, T-Mobile, Chevron und Exxon Mobil eigene Titel erworben. 

Neben den Aktienrückkäufen spricht im Gegensatz zur strukturellen Februar-Schwäche noch eine anderer, historischer Faktor für höhere US-Aktienkurse. Die Vermögensverwalter von Goldman Sachs sind auf die Suche nach Mustern gegangen und haben die Kursentwicklung des S&P 500 nach Erreichen eines neuen Rekordhoch und die danach folgende Kursentwicklung untersucht. Die Analysten stellten dabei fest, dass es in der Vergangenheit sechs Mal zwei Jahre dauerte, bis der S&P 500 jeweils wieder zum Rekordhoch aufschliessen konnte. 

Der letzte solche Zyklus war zwischen Dezember 2021 und Dezember 2023, bis der S&P 500 das alte Allzeithoch wieder erreichte. Dabei hat es sich ausgezahlt, hernach weiter investiert zu bleiben, so die Schlussfolgerung der Analysten. In der Vergangenheit legte der breitgefasste Börsenindex S&P 500 jeweils im Durchschnitt über die nächsten drei Monaten um 4,1 Prozent, über sechs Monate um 7,1 Prozent und über die nächsten zwölf Monate gar um 13,1 Prozent zu. Wiederholt sich nun über die nächsten Monate die Historie gemäss den erhobenen Werten von Goldman Sachs Asset Management, so können Anlegerinnen und Anleger einer allfälligen Korrektur ziemlich gelassen entgegen sehen. 

Thomas Daniel Marti
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