cash: Herr de Saussure, in ihrem Fonds setzen Sie auf nachrangige Finanzanleihen. Was versteht man genau darunter?

Julien de Saussure: Finanzanleihen werden von Banken oder Versicherungen herausgegeben. Der Zusatz 'nachrangig' bezieht sich darauf, dass diese Anleihen nicht erste Priorität haben bei einer allfälligen Liquidierung. Sie bieten eine potentiell höhere jährliche Zinszahlung als normale Anleihen, tragen aber das Risiko, im Falle der Insolvenz einen Totalverlust zu erleiden, da andere Gläubiger zuerst befriedigt werden.

Warum sollte man in diese Papiere investieren?

Wegen der Rendite. Wir befinden uns in einem Umfeld mit geringen Ertragsmöglichkeiten, und Anleger dürsten nach Renditechancen. Wir sind überzeugt, dass nachrangige Finanzanleihen Sinn machen, da wir uns inmitten einer gewaltigen regulatorischen Reform befinden, welche Investitionen in diese Assetklasse begünstigen.

Inwiefern wirken sich die verschärften regulatorischen Vorschriften positiv auf nachrangige Finanzanleihen aus?

Die Banken werden am Ende der regulatorisch bedingten Veränderungen sicherer dastehen, es wird mehr und qualitativ besseres Eigenkapital geben. Banken werden zum Beispiel dazu aufgefordert, mindestens drei- oder viermal mehr Eigenkapital zu halten als heute. Die meisten Anleihen, die aufgrund von Basel II oder Solvency I herausgegeben wurden, werden nun eigentlich überflüssig und müssen durch neue Instrumente ersetzt werden. Die alte Assetklasse wird sterben. Nachrangige Finanzanleihen werden zwar nie eine modische Assetklasse, aber das ist gut so. Denn: Wird im Markt die Liquidität knapper und knapper, sind es diese modischen Titel, die abgezogen werden.

Was sind die Vorteile von nachrangingen Finanzanleihen im Vergleich zu Aktien?

Nachrangige Finanzanleihen sind so aufgebaut, dass die Flexibilität von Aktien in einem gewissen Masse repliziert werden kann. Sie sollen dem Emittenten helfen, Krisen zu überstehen. Das aktuelle regulatorische Umfeld macht dieses Instrument derzeit viel sicherer als Aktien, weil das gehaltene Eigenkapital erhöht werden muss. Wir glauben auch, dass wir noch nicht am Ende des regulatorischen Prozesses sind. Wir sind nicht sicher, ob Aktienhaltern bewusst ist, wie hoch die zukünftigen Kosten der Regulierung sein werden.

Wie viel Erfahrung haben Sie bereits mit nachrangigen Finanzanleihen?

Ich manage den 'Edmond de Rothschild Signatures Financial Bonds'-Fonds seit vier Jahren. Zuvor arbeitete ich bei der Deutschen Bank im Bereich 'Mergers and Acquisitions' von Finanzinstituten. Ich war dort sozusagen auf der anderen Seite. Ich half auf der Seite der Anleihen-Herausgeber.

Wie wählen Sie die Titel dieses Fonds aus?

Der Auswahlprozess soll dazu führen, dass schlussendlich nur die besten Herausgeber und Titel gewählt werden. Entscheidend ist die Profitabilität, aber auch die Sicherheit der Anleihe. Wir verwenden bei der Auswahl verschiedene Selektionskriterien. Zum Beispiel das Herkunftsland oder der Herausgeber. Danach nehmen wir uns genug Zeit, daraus die richtigen Titel herauszupicken. Die Rendite soll die Tatsache, dass es sich um ein nachrangiges Produkt handelt, kompensieren. Schlussendlich wählen wir sichere Anleihen, nicht diejenigen mit dem höchsten Renditepotential. Wir sind uns bewusst, dass die Assetklasse volatil sein kann, deshalb reduzieren wir ex ante durch unsere Auswahl den Risikoappetit, um sicherzustellen, dass die potentiellen Risiken minimiert werden.

An welche Art von Anleger richtet sich Ihr Fonds?

Die grosse Mehrheit, etwa drei Viertel, besteht aus Geldern aus dem Private Banking. Also individuelle Investoren. Momentan eignet sich diese Assetklasse nicht zu sehr für institutionelle Anleger, weil es, im Speziellen für Versicherungen, grosse regulatorische Vorbehalte gibt, in diese Assetklasse zu investieren. Für private Investoren macht es jedoch Sinn, diese Assetklasse ins Auge zu fassen, um das eigene Portfolio breiter zu diversifizieren.

Die UBS stellt mit fast fünf Prozent die grösste Einzelposition des Fonds dar. Wieso gerade die UBS und nicht, beispielsweise, die Credit Suisse?

Wir bevorzugen die UBS leicht gegenüber der Credit Suisse. Zum einen denken wir, dass die Geschäftstransformierung der UBS fortgeschrittener ist als diejenige der Credit Suisse. Die Credit Suisse befindet sich jedoch ebenfalls in den Top-Ten unseres Portfolios. Generell halten wir unser Portfolio möglichst breit. Ein Herausgeber darf maximal 5 Prozent unseres Portfolios ausmachen, um das Risiko möglichst gering zu halten. Viele Versicherungen und Banken sind mit einem Anteil zwischen drei bis fünf Prozent im Fonds vertreten. Die Top-Ten-Titel machen gerade mal 35 Prozent des Portfolios aus.

Sind noch andere Schweizer Banken oder Versicherungen im Fonds enthalten?

Aktuell ist die Schweiz am drittstärksten im Portfolio vertreten, gleich nach Frankreich und Grossbritannien. Es hat viele Papiere von Schweizer Instituten im Portfolio. Neben den erwähnten Grossbanken UBS und Credit Suisse sind dies Swiss Re und Swiss Life. Wir haben derzeit auch andere Banken aus der Schweiz auf dem Radar, wie die Raiffeisen Schweiz, Julius Bär, Banque Cantonale Vaudoise oder die Zürcher Kantonalbank. Generell denken wir, dass Basel III in der Schweiz 'obligationär-freundlicher' umgesetzt wurde als innerhalb der Europäischen Union. Dies macht aus einer ganz europäischen Perspektive Schweizer Anleihen attraktiver.

Die Titel ihres Fonds kommen zu einem grossen Teil aus Frankreich oder generell aus Europa. Ist das Klumpenrisiko nicht sehr gross?

Wir fokussieren uns tatsächlich stark auf den europäischen Markt, zu 99 Prozent investieren wir in Europa. Wir wollen uns auf das konzentrieren, was wir am besten kennen. Ausserdem ist Europa die weltweit einzige Region, wo zur gleichen Zeit regulatorische Anpassungen in der Bank- und auch Versicherungsbranche stattfinden. Mit Basel III zum einen und Solvency II zum anderen. Es kommt hinzu, dass wir grosses Vertrauen in die Europäische Zentralbank und deren aktuelle Geldausweitung haben. Es besteht zwar in der Tat ein gewissen Risiko, dass die europäische Krise wieder ausbricht, wir sehen diese Chance jedoch als sehr minim. Der Fall Griechenland sollte in diesem Zusammenhang kontrollierbar sein.

Was spricht konkret für Frankreich?

Es ist so, dass es in Frankreich fünf grosse Banken gibt. In Deutschland oder Italien zum Beispiel nur eine. Frankreich ist zwar derzeit eindeutig nicht das stärkste Land der Eurozone, der Finanzsektor befindet sich jedoch in einer sehr ordentlichen Verfassung. Banken dort sind sehr profitabel. Deutschland im Gegensatz dazu ist zwar das mit Abstand stärkste Land der Eurozone, hat jedoch ein Bankensystem, welches nicht sehr profitabel ist. Und genau weil es in Frankreich viele profitable Banken hat, investieren wir auch zu einem grossen Teil in französische Finanzinstitute.

Im Video-Interview mit cash gibt Julien de Saussure ausserdem generelle Tipps, worauf Privatanleger achten sollten, er äussert sich zur Geldschwemme der Europäischen Zentralbank und er beurteilt den Effekt einer Zinserhöhung der US-Notenbank auf die Finanzmärkte.

Vor seiner Tätigkeit für die Edmond de Rothschild-Gruppe war Julien de Saussure 2003 bei EADS und als M&A Analyst bei der Deutschen Bank tätig. Seit 2006 ist er für Edmond de Rothschild Asset Management tätig, wo er zu Beginn einen Hedge-Funds verwaltete. 2009 wechselte er in den Bereich Corporate Debt und spezialisierte sich auf Finanzanleihen. Seit April 2011 ist Julien de Saussure für den "Edmond de Rothschild Signatures Bonds Fonds" verantwortlich. Julien de Saussure schloss sein Finanzstudium an der HEC in Paris ab.