Bewegung im Zollstreit könnte den Börsen kommende Woche anhaltenden Rückenwind liefern. Die Rally steht angesichts des ungewissen Ausgangs der Verhandlungen jedoch auf tönernen Füssen, warnen Strategen. Für schlechtere Laune könnten auch maue Wirtschaftsdaten sorgen.

Das Abkommen zwischen den USA und Grossbritannien liess die Investoren zuletzt auf weitere Deals hoffen und heizte die Kauflaune der Anleger an. Auch China deutete vor den ersten Gesprächen mit US-Vertretern Gesprächsbereitschaft an. Die Erwartungen und damit aber auch das Enttäuschungspotenzial seien gross, heisst es.

Der SMI verlor in der ablaufenden Woche 1,4 Prozent. Die Schweiz hofft als eines der nächsten Länder, mit den USA eine Zollvereinbarung abschliessen zu können. Derweil verlor der Dow Jones 0,2 Prozent. Die Anleger scheinen erste Gespräche nach der vorherigen Erholungsjagd abwarten zu wollen. 

Über eine positive Woche konnte sich der Dax freuen. Der deutsche Leitindex notiert knapp zwei Prozent höher als in der Vorwoche. Bei einem Stand von 23'528,88 Punkten in der Spitze toppte er am Freitag sein im März erreichtes Allzeithoch. 

Hohe Unsicherheit

«Die Börsenampeln stehen weiter auf Grün», fasst Helaba-Strategin Claudia Windt zusammen. «Unter den Investoren ist eine Aufbruchstimmung erkennbar, doch wie gerechtfertigt ist diese?» Denn die Hoffnung der Marktteilnehmer, dass sich das bilaterale erste Abkommen einfach auf die Schwergewichte China und Europa übertragen lässt, könnte sich als trügerisch erweisen.»

Bislang gebe es noch zu wenig konkrete Ergebnisse, sagt auch Analyst Wienke. »Die Unsicherheit bleibt hoch, unberechenbare Aussagen aus Washington können jederzeit neue Zollängste schüren.« Sollte US-Präsident Donald Trump Europa wieder stärker ins Visier nehmen, wäre der Dax besonders anfällig. Die Commerzbank-Strategen gehen davon aus, dass sich der deutsche Aktienmarkt nach der Erholungsrally in den nächsten Wochen eine Verschnaufpause gönnen dürfte.

Darüber hinaus werden die Anleger die in der Berichtswoche anstehenden Konjunkturdaten auf weitere negative Effekte der Handelspolitik absuchen. Deutliche Spuren seien bereits erkennbar, sagen die Experten der Weberbank. «Die Unsicherheit unter Verbrauchern und Unternehmen nimmt weiter zu und belastet insbesondere die Investitionsbereitschaft der Unternehmen sowie das Konsumverhalten.» Ob eine Rezession in den USA vermieden werden kann, hänge massgeblich davon ab, wie lange die Verhandlungen zwischen den wichtigsten Handelspartnern andauern.

US-Notenbank in Warteposition

Am Dienstag stehen die Inflationsdaten aus den USA an. Der Preisauftrieb hatte im März und damit vor dem Zoll-Rundumschlag spürbar nachgelassen.

Die April-Daten könnten erste preistreibende Effekte der Zölle zeigen, sagen die Commerzbank-Experten. «Insgesamt dürfte der Preisauftrieb aber wenig dramatisch sein. Dennoch hätten sich die Inflationserwartungen der Verbraucher auf Sicht von einem Jahr mehr als verdoppelt», sagt Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck. «Die Bedenken sind also gross, dass das Leben noch spürbar teurer wird, was Stimmungsindikatoren wie das Verbrauchervertrauen bereits deutlich eintrübt und damit ein Risiko für das US-Wachstum bedeutet.»

Die US-Notenbank Fed könnte deswegen erst einmal weiter abwarten, und auch im Juni ihre Leitzinsen zum Missfallen von Trump nicht senken. Am Donnerstag richten sich die Blicke der Anleger dann auf die US-Einzelhandelsumsätze. Am Freitag folgt das von der University of Michigan erhobene vorläufige Verbrauchervertrauen für Mai.

Bei den Unternehmen stehen kommende Woche einige Bilanzen auf der Agenda. Unter anderem gewähren Tecan, PSP, Alcon, On Holding und Orascom Einblick in ihre Bücher. Am Freitag folgen Richemont mit dem Ergebnis 2024/25 und Swiss Re mit dem Quartalsergebnis.

(Reuters/cash)