Die Forderung folgt auf die Aufrüstungsbemühungen Europas angesichts des russischen Krieges in der Ukraine und der Ankündigung Donald Trumps, die US-Militärpräsenz in der Region zu reduzieren.

Derzeit sind deutsche Rüstungsunternehmen hauptsächlich von Lieferungen des schwedischen Stahlherstellers SSAB abhängig und damit dem Risiko von Lieferengpässen ausgesetzt, wenn die Nachfrage steigt.

Doch zwei deutsche Hersteller - Salzgitter und Dillinger Hüttenwerke - könnten das ändern. Dillinger wurde vor über 200 Jahren mit Genehmigung von Napoleon Bonaparte gegründet und ist seit 2021 zertifiziert, an das Militär zu liefern. Obwohl das Unternehmen kleiner ist als ArcelorMittal und Thyssenkrupp, spielt es mit seiner Grobblechproduktion von seinem Hauptsitz nahe der französischen Grenze aus eine wichtige Rolle in der Rüstungsindustrie.

Man stehe «mit allen namhaften Hersteller von Landfahrzeugen in Deutschland und Europa» über die Lieferung des Stahls in Kontakt, wie das Unternehmen Bloomberg mitteilte.

Einer der grössten Stahlproduzenten Europas, Salzgitter, hat bislang hingegen noch nichts an den Rüstungssektor geliefert. Doch Trumps Warnung, das US-Engagement in der Region zu beschränken und die geplanten höheren Verteidigungsausgaben der Bundesregierung haben zu einem Umdenken im Unternehmen geführt.

«Wenn wir über Resilienz sprechen, dann macht es ja keinen Sinn, in der heutigen Zeit Stahl aus dem Ausland zu beziehen», sagte Thomas Möllmann, Leiter der neuen Verteidigungs-Taskforce von Salzgitter, im Bloomberg-Interview. Die Belieferung von Rüstungsunternehmen werde den Status der Stahlhersteller als «systemrelevante» Akteure in Deutschland wiederherstellen, so Möllmann.

Obwohl das Volumen im Vergleich zu den Verkäufen an die Automobilindustrie gering ist, verspricht die Rüstungsindustrie höhere Gewinnmargen. Salzgitter hatte ursprünglich eine militärische Zertifizierung beantragt, um beispielsweise das Technische Hilfswerk zu beliefern, wird nun aber Verträge mit Rüstungsunternehmen anstreben. Die Lieferungen würden laut Möllmann nach Genehmigung des Antrags beginnen — möglicherweise bereits in den kommenden Wochen.

Rheinmetall gehört zu den grössten Nutzniessern der europäischen Aufrüstungsoffensive

Der Bedarf steht ausser Frage: Rheinmetall gab an, jährlich mehrere tausend Tonnen militärtauglichen Stahl zu benötigen – eine Menge, die sich innerhalb von zwei Jahren verdoppelt hat. Die ersten Tranchen von inländischen Herstellern habe man bereits gekauft. Rheinmetall nannte zwar die deutschen Produzenten nicht, begrüsste jedoch die zusätzlichen Lieferungen. Das Unternehmen - das in seinem Laser-, Schneide- und Biegezentrum Stahl verarbeitet - erklärte, dass auch Stahlschweisser zunehmend gefragt seien.

Rheinmetall gehört zu den grössten Nutzniessern der europäischen Aufrüstungsoffensive, mit der auf die Forderung der USA reagiert wird, dass die Nato-Mitglieder mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit übernehmen sollen. Der Aktienkurs des Unternehmens hat sich in diesem Jahr fast verdreifacht und ist damit in den wichtigsten Aktienindex der Eurozone aufgestiegen.

Die neue Bundesregierung hat im März beschlossen, die Obergrenzen für Verteidigungsausgaben praktisch aufzuheben, was militärische Beschaffungsvorhaben in bisher beispiellosem Ausmass ermöglicht. Der Entwurf für den Verteidigungshaushalt — der in den kommenden Wochen vorgelegt werden soll — sieht eine Aufstockung um etwa 15% auf über 60 Milliarden Euro im Jahr 2025 und fast 70 Milliarden Euro im Jahr 2026 vor.

Der Ausgabenanstieg verschafft der Stahlindustrie, die seit Jahren mit chinesischer Konkurrenz zu kämpfen hat, eine Atempause. Dennoch halten sich die meisten heimischen Stahlproduzenten zurück und argumentieren, dass das Volumen trotz der stark gestiegenen Nachfrage zu gering sei, um die Investitionskosten und den langwierigen militärischen Zertifizierungsprozess zu rechtfertigen. Thyssenkrupp beispielsweise erklärte, es gebe keine Pläne, das Grobblechwerk wieder zu eröffnen, das Deutschlands grösster Stahlhersteller 2021 aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen hatte.

Der kleinere Stahlproduzent Benteler beliefert zwar die Rüstungsindustrie, allerdings in geringen Mengen. Das Unternehmen habe zwar einen Anstieg der Nachfrage festgestellt, plane aber keine separate Abteilung für Verteidigungstechnologie oder Rüstung, so Ralph Mathis, Vertriebsleiter des Stahlrohrbereichs Steel/Tube von Benteler. «Das wird für uns immer ein Randbereich bleiben», sagte er im Interview.

Die meisten militärischen Stahlverarbeiter in Deutschland sind relativ klein

Eine erhöhte Inlandsproduktion bringt auch Vorteile für deutsche Stahlverarbeiter — wie das Düsseldorfer Unternehmen Kloeckner Metals Germany, das im März Ambo-Stahl übernommen hat, um Stahl mit Lasern für die Herstellung von Panzerteilen, gepanzerte Fahrzeuge und Schiffe vorzubereiten und zu schneiden.

Die meisten militärischen Stahlverarbeiter in Deutschland sind relativ klein und daher empfindlich gegenüber Nachfrageschwächen. Zudem sind die Fachkenntnisse oft auf wenige Personen beschränkt. Grössere Unternehmen wie seines sollten die Verantwortung dafür übernehmen, das Know-how zu erhalten, sagte Kloeckner-Metals-CEO Felix Schmitz.

Mit der Zeit könnten weitere Stahlhersteller in den Rüstungsbereich einsteigen, sagte er. «Wenn es aufgrund der hohen Nachfrage zu Engpässen kommt und Militärstahl noch teurer wird, könnte dies für einige Hersteller interessanter werden.»

Deutschland sollte Abnahmegarantien in Betracht ziehen, da die Produktion von Grobblechen für einige Stahlhersteller immer noch zu teuer sei, sagte Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.

Die Bundesregierung erklärte zwar, dass Stahl eine Frage der nationalen Sicherheit sei, unternahm bisher jedoch keine Massnahmen zur Förderung der heimischen Produktion für militärische Zwecke.

«Verteidigungsfähigkeit und Sicherheit sind kollektive Güter. Man kann nicht erwarten, dass Einzelne sich aus privaten wirtschaftlichen Interessen darum kümmern», sagte Atzpodien. «Der Staat muss darüber nachdenken, wie das zu bewerkstelligen ist, und insbesondere, wie kollektive und private wirtschaftliche Interessen angemessen in Einklang gebracht werden können.»

(Bloomberg)