Die Ära der straffen Geldpolitik ist endlich zu Ende gegangen. Der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell, hat genau das geliefert, worauf die Händler an der Wall Street schon lange gehofft hatten: Eine grosse Zinssenkung, die die diesjährige steile Rallye bei Aktien und Anleihen rechtfertigen würde.
Aktien, vor allem von konjunktursensiblen Unternehmen, legten am Mittwoch kurzzeitig kräftig zu und trieben den S&P 500 um bis zu 1 Prozent nach oben, um ein Rekordhoch zu markieren. Das Gleiche galt für Anleihen und Kryptowährungen, die zunächst mit Aussicht auf eine lockere Geldpolitik in die Höhe schnellten.
Als der Handelstag zu Ende ging, verpufften die Gewinne jedoch. Eine ernüchternde wirtschaftliche Realität trat ein. Selbst mit der Zinssenkung um einen halben Punkt - ein derart aggressiver Schritt ist normalerweise einer Rezession oder Krise vorbehalten - und weiteren zu erwartenden Leitzinsreduktionen, waren die Rahmenbedingungen nicht klarer als zuvor. Die Aktienkurse befinden sich bereits in der Nähe von Rekordhöhen. Die Wirtschaft verliert ein wenig an Schwung. Und es ist nicht sicher, dass das Tiefstzinsniveau, das durch die Inflation nach der Pandemie weggefegt wurde, in absehbarer Zeit wiederkehren wird.
Abrupte Umkehr
Von Aktien über Staats- und Unternehmensanleihen bis hin zu Rohstoffen waren am Mittwoch schliesslich alle wichtigen Vermögenswerte im Minus. Auch wenn der Umfang der Rückgänge gering war, so hatte es doch seit Juni 2021 keinen derartig breiten Rückschlag nach einer Fed-Sitzung gegeben.
Besonders besorgniserregend waren für die Händler die Äusserungen Powells. Sie lösten sogleich den Umschwung an den Aktien- und Anleihemärkten ein: Niemand solle erwarten, dass Zinsreduktionen um einen halben Punkt zur Gewohnheit werden und dass das neutrale Zinsniveau wahrscheinlich deutlich höher sei als vor der Pandemie.
«Der entscheidende Punkt hier ist die Zinssenkung um 50 Basispunkte und die Erwartungen im Vergleich zu dem, was bereits eingepreist war», sagte Jeffrey Rosenberg, ein Portfoliomanager bei Blackrock im Gespräch mit Bloomberg. «Es ist ein bisschen enttäuschend im Vergleich zur Erwartungshaltung, was in den Anleihemärkten aufgebaut wurde.»
Dies wurde in der unmittelbaren Reaktion auf die Ankündigung der Fed deutlich. Der S&P 500 erreichte kurzzeitig ein intraday Rekordhoch, bevor er wieder zurückfiel. Die Renditen zweijähriger US-Staatsanleihen, die am empfindlichsten auf die Änderungen der Geldpolitik reagieren, fielen auf ein Tagestief von 3,54 Prozent, um dann am Ende des Tages wieder zu steigen. Das Gleiche galt für die Sätze der 10-jährigen US-Obligationen.
Eine erneute Kehrtwende findet heute Mittwoch statt. Die internationalen Börsen notieren angeführt von den US-Märkten deutlich im Plus. Während die Futures auf den S&P 500 und Nasdaq 100 um 1,6 respektive 2,1 Prozent im Gewinn sind, notieren der Swiss Market Index 1 Prozent und der europäische Stoxx 600 1,3 Prozent höher. Gleichzeitig sinken die Renditen der zweijährigen US-Staatsanleihen erneut unter 3,6 Prozent. Der Beginn der neuen Ära ist wahrlich mit einer grossen Unsicherheit verbunden.
(Bloomberg/cash)
2 Kommentare
Selbstverständlich müssen Sie das wieder kritisieren. Nur Negatives zählt. Diese Zinssenkung ist clever und der nächst Schritt zu einem Soft Landing.
Nein, der Zinsschritt kam zu früh und war zu gross. Erstens ist die Inflation noch immer zu hoch und wir sehen keinen sich persistierenden Rückgang der Inflationstreiber, d.h., werden die Zinsen gelockert, kann die Inflation sehr schnell wieder zunehmen. Wir kennen das aus den 70er Jahren. Und wissen, was es bedeutet, einen zweiten Peak zu bekämpfen - da wird dann schmerzhaft. Zweitens ist die amerikanische Wirtschaft in einer weiterhin sehr guten Verfassung. Ganz zu schweigen von der Börse. Zuwarten, wäre die bessere Wahl gewesen. Time will tell.