Der Pharmasektor gehört zu den wichtigsten Industriezweigen der Schweiz. Etwa ein Viertel der Exporte sind pharmazeutische Produkte. Zudem ist die Schweiz im internationalen Vergleich führend in der Forschung und Entwicklung: Gemäss OECD belegt die Schweiz nach Belgien den zweiten Platz bei der Forschung und Entwicklung (F&E) im Biotechbereich.

Die Intensität der F&E-Investitionen - also der Anteil der Biotech-F&E an den gesamten F&E-Ausgaben der Volkswirtschaft - übersteigt in beiden Ländern 35 Prozent. Die nächstplatzierten Länder, Litauen und die USA, geben weniger als 20 Prozent aus.

Es dürfte deshalb wenig überraschen, dass der Gesundheitssektor im Swiss Performance Index (SPI) mit über 800 Milliarden Franken Börsenwert und knapp 40 Prozent der Gesamtkapitalisierung der mit Abstand wertvollste Wirtschaftszweig an der Schweizer Börse ist. Die 37 darin enthaltenen Unternehmen sind jedoch sehr unterschiedlich. 

76 Prozent der Sektorkapitalisierung entfallen auf nur zwei Konzerne: Roche und Novartis. Das Unternehmen mit dem geringsten Wert, Addex Therapeutics, bringt dagegen lediglich 10 Millionen Franken auf die Waage. Während 25 Firmen Tendenzen einer Überbewertung erkennen lassen, sind zehn attraktiv bewertet und zwei äusserst günstig. Das Unternehmen mit der niedrigsten Bewertung ist Medmix.

Problemfelder: Wachstum und Margen

Medmix stellt Technologien für Verabreichungsgeräte und Flüssigkeitsmischungen für das Gesundheitswesen, die Industrie und die Kosmetikbranche her. Seit der Abspaltung von Sulzer im September 2021 sind die Aktien um über 73 Prozent gefallen. Der SPI notiert in der gleichen Zeit mit 11 Prozent im Plus.

Kursentwicklung der Medmix-Aktie in Franken.

Der Konzern leidet unter zwei Problemen: Rückläufiges Wachstum und sinkende Profitabilität. Die Lage hat sich derart verschärft, dass CEO René Willi das Geschäftsjahr 2025 bei der Präsentation der letztjährigen Ergebnisse als ein «weiteres Übergangsjahr» bezeichnete.

Von den beim Börsengang kommunizierten Zielen hat man sich mittlerweile verabschiedet. Damals waren ein Umsatzwachstum von über 8 Prozent und ein EBITDA-Ziel von über 30 Prozent kommuniziert worden. Laut UBS-Analysten dürften mittelfristig höchstens 6 Prozent Umsatzwachstum und 20 Prozent operative Marge erreichbar sein. Während das Wachstum auf eine Erholung des Industrie- und Kosmetiksektor angewiesen ist, sind die früheren Margenziele auf absehbare Zeit nicht realistisch.

Günstig, aber auch unterbewertet?

Mit den verschlechterten Fundamentaldaten und dem sinkenden Aktienkurs fiel auch die Bewertung. Fünf Kennzahlen deuten auf eine Unterbewertung hin: Unternehmenswert zum Umsatz, Unternehmenswert zum EBITDA, Kurs-Cashflow-Verhältnis, Kurs-Buchwert-Verhältnis und Dividendenrendite. Sie befinden sich im 70. bis 90. Perzentil aller börsenkotierten Unternehmen. Bei der sechsten Kennzahl, dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), schneidet der Pharmazulieferer dagegen nur durchschnittlich ab. 

Die Kombination dieser Bewertungsfaktoren führt dazu, dass die Medmix-Aktie zu den günstigsten Aktien in der Schweiz zählt - nur 6 Prozent sind laut dem Datenanbieter LSEG noch billiger. Im Gesundheitsbereich ist Medmix die günstigste.

Ein Blick auf einzelne Bewertungskomponenten ergibt hingegen kein einheitliches Bild: Beispielsweise ist das Kurs-Buchwert-Verhältnis sehr tief: 1,1 im Vergleich mit Werten von 2 bis 5 für Sandoz, Novartis, Galderma oder Lonza. Allerdings machen immaterielle Vermögenswerte rund 40 Prozent der Bilanzsumme aus. Sollten diese überbewertet sein, weil weder Wachstum noch Margen an die ursprünglichen Ziele herankommen, bestünde aus dieser Perspektive keine wesentliche Unterbewertung mehr.

Dem gegenüber steht die Cashflow-Generierung. Zwar liegt das Verhältnis von freiem Cashflow zu Reingewinn unter dem anderer Pharmakonzerne, doch im Verhältnis zum Aktienkurs ist der freie Cashflow je Aktie sehr attraktiv. Eine Aktie des Pharmaausrüsters kostet nur zehn Jahres-Cashflows. Bei Lonza oder Galderma müssen Anleger deutlich tiefer in die Tasche greifen: Die Aktien kosten 22 respektive 33 Jahre an freien Cashflows.

Auf Gewinnebene wiederum scheint bereits vieles einer künftigen Erholung eingepreist. Das KGV auf Basis der nächstjährigen Ergebnisse liegt bei 25,4 und damit über dem langjährigen Schnitt von etwa 17. Auch im Vergleich zum Sektor ist die Kennzahl erhöht: Laut LSEG beträgt das vorwärtsgerichtete KGV der Pharmabranche etwa 13, das der Pharmazulieferer etwa 18.

Personalwechsel und strategischer Fokus

Dieser Optimismus könnte auf personelle Neubesetzungen bei Medmix zurückzuführen sein. Seit der Abspaltung wurden sämtliche Managementpositionen neu besetzt, wobei die Bereichsleiter «Dental» und «Surgery» - die am stärksten wachsenden Einheiten mit sehr hohen Margen - zu den jüngsten Neubesetzungen in 2023 und 2024 gehören. Die beiden Bereiche machen knapp ein Drittel des Umsatzes aus.

Darüber hinaus verfügt der neue CEO, René Willi, der im Sommer 2024 seinen Posten antrat, über viel Erfahrung in der Dentalindustrie. Diese personellen Anpassungen zeigen klar, wohin die Reise führt. Die bei der jüngsten Ergebnispublikation kommunizierten Eckpunkte bestätigen diese Stossrichtung.

Ob die Neubesetzungen und strategischen Leitlinien Früchte tragen, lässt sich laut einer Studie des deutschen Finanzinstituts Flossbach und Storch an drei Effekten erkennen: einer steigenden Profitabilität (Return on Investment), einem höheren Wachstum und einer sinkenden Verschuldung (Nettoverschuldung im Verhältnis zum freien Cashflow). cash.ch wies im Zusammenhang mehrerer Schweizer Small-Caps hier darauf hin.

Wachstumsbeschleunigung und Dividendenrendite

Schätzungen der UBS zufolge dürfte Medmix jetzt, im Sommer 2025, den Tiefpunkt im operativen Geschäft durchlaufen. Im zweiten Halbjahr könnte Anleger eine Verbesserung der Rahmenbedingungen erwarten: Die schwache industrielle Nachfrage, das Auslaufen von Nachholeffekten bei Kosmetika und die letzte Phase des «Dual-Source»-Effekts - also der Beizug von zwei Lieferanten für das gleiche Produkt um Lieferengpässe zu vermeiden - im Bereich Drug Delivery, sehen die Experten auslaufen. 

Ab 2026 wird mit einer Beschleunigung des Nachfragewachstums gerechnet, die schliesslich im darauffolgenden Jahr in einem organischen Wachstum von über 6 Prozent mündet. Dieses wird überproportional vom Healthcare-Bereich getragen. Dieser enthält die ebengenannten Segmente «Dental», «Surgery» und «Drug Delivery».

Mit der Markterholung wird auch eine Margenverbesserung erwartet: Von gut 17 Prozent auf über 21 Prozent, schätzen die UBS-Analysten. Dabei schliessen sie das frühere EBITDA-Margenziel von 30 Prozent vorerst aus: Eine strukturell höhere Kostenbasis, eine geringere Auslastung der Werke sowie ein weniger vorteilhafter Produktmix sind die Gründe.

Kann das neue Management das bevorstehende Momentum nutzen? Die UBS ist zuversichtlich: Bis 2029 gehen sie von einem Gewinn pro Aktie von 1,17 Franken aus. Das vorwärtsgerichtete KGV läge dann bei 10. Bei einem jährlichen Gewinnwachstum von über 33 Prozent und zukünftigen operativen Margen, nur unweit der Konkurrenz entfernt, wäre die Aktie heute günstig - und klar unterbewertet. 

Mit einer der höchsten Dividendenrenditen im Sektor - über 4 Prozent - wäre das langfristige Gewinnpotenzial für Investoren enorm. Doch vieles hängt vom noch jungen - aber nicht zwingend unerfahrenen - Management ab.

Luca_Niederkofler
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