Die Börsenweisheit «Never catch a falling knife» ist weltweit bekannt. Investierende sollten demnach nicht in eine Aktie investieren, die gerade einen starken Kursverfall erlebt. Man sollte vielmehr abwarten, bis sich der Kurs stabilisiert, da anhaltende Kursverluste oft ein Zeichen für noch grössere Probleme des Unternehmens sind und der Kurs weiter - zuweilen bis ins Bodenlose - fallen kann. 

Bei langfristig orientierten Anlegerinnen und Anlegern ist auf der anderen Seite die Hoffnung gross, eine stark gefallene Aktie stelle eine attraktive Anlagemöglichkeit mit Kurspotenzial dar. Dabei wird oft vergessen, was passiert, wenn die Talfahrt nicht gestoppt werden kann. Das zeigt der Vergleich über zehn Jahre bei den Schweizer Sorgenkindern Adecco (-60 Prozent), DocMorris (-90 Prozent), Idorsia (-84 Prozent), Meyer Burger (-99 Prozent) oder OC Oerlikon (-58 Prozent). 

Wer sich an gefallene Aktien heranwagt, benötigt einen klaren Plan. Stefan Immenkötter, Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute, stellte in einer 2024 publizierten Studie zu US-Aktien fast nur bei Qualitätsunternehmen eine Erholung nach Kursverfall fest. Drei Fundamentalfaktoren entscheiden über Erfolg oder Misserfolg bei Turnaround-Unternehmen: Die Profitabilität (Kapitalrendite), das Wachstum (jährliches Umsatzwachstum) und die Verschuldung (Nettoverschuldung im Verhältnis zum freien Cashflow).

Am Schweizer Aktienmarkt fallen sieben Unternehmen auf, die grundsätzlich über ein Geschäftsmodell verfügen, das für einen erfolgreichen Turnaround in Frage kommt: Dätwyler, Feintool, Gavazzi, Lem Holding, Medmix und Tecan. Die Kurse dieser Unternehmen haben sich nach Kurseinbrüchen in den letzten Jahren auf tiefem Niveau stabilisiert.

cash.ch hat die Entwicklung des Gewinns pro Aktie, das Umsatzwachstum und die Veränderung bei der Nettoverschuldung zur Analyse dieser sieben Titel herangezogen:

  Gewinn je Aktie     (Veränderung zum Vorjahr) Umsatz-   wachstum Verändung Verschuldung KGV
Unternehmen 2024 2025* 2025* 2025* 2025*
Dätwyler - 53% + 170% + 3% - 8% 24
Feintool - 310% + 90% + 3% + 24% -.-
Gavazzi - 71% + 3% + 2% - 45% 25
Lem Holding - 15% -76% - 18% + 30% 30
Leonteq - 88% + 368% +7 % - 70% 14
Medmix - 300% + 810% + 3% + 2% 21
Tecan - 32% - 14% + 2% + 10% 24
Quelle: Bloomberg (Daten 2025 Konsensus der Analystenschätzungen, KGV per Ende 2025)

Bei allen sieben Titeln ist das Erholungspotenzial durchaus gegeben. Beim Gewinn je Aktie dürften allen voran Dätwyler, aber auch GavazziLem HoldingLeonteq und Medmix 2025 und 2026 deutliche Fortschritte erzielen. Wird der erwartete Gewinn 2025 mit dem Rückgang 2024 im Vergleich zu 2023 analysiert, fällt bei Leonteq der Gewinn für das laufende Jahr hoch aus wie 2023. Das erklärt die Stabilisierung des Kurses über die letzten sechs Monate. Das gleiche gilt für Medmix. 

Bei der Kenngrösse Umsatzwachstum erfüllen bis auf Lem alle Unternehmen das Kriterium, während bei der Nettoverschuldung Feintool, Lem HoldingMedmix und Tecan durchfallen. Unter Berücksichtigung aller drei Parameter punktet nur Dätwyler und Leonteq für 2025. Wird bei den Umsatz- und Gewinnperspektiven auch 2026 hinzugezogen, wissen alle sieben Unternehmen zu gefallen. Gerade zu Dätwyler schrieb die Zürcher Kantonalbank kürzlich: «Wir halten die Dätwyler-Aktie, die noch immer unweit ihrer Mehrjahrestiefs notiert, für ein attraktives Investment.» Und ebenfalls die ZKB hielt zu LEM fest, die Aktie sei «ein klassisches Turnaround-Investment.»

Beim Schweizer Labortechnik-Hersteller Tecan war es vor Wochenfrist die deutsche Bank Berenberg, welche das Rating wieder aufnahm mit «Kaufen» und einem Kursziel von 220 Franken. Dies stützt die Kurserholung. Nach einer Schwächephase zeigten sich erste Anzeichen einer Erholung, schreibt der Berenberg-Analyst in einer Kundennotiz. So sollte vor allem ab 2026 das Wachstum deutlich anziehen.

Bei den Titeln sind trotzdem Vorbehalte angebracht. Diese Unternehmen müssen beweisen, dass sie die eigenen Ziele für das laufende Geschäftsjahr und darüber hinaus erreichen. Die Analysten erwarten gemäss Bloomberg-Daten zum Beispiel bei Lem erst 2028 wieder einen Gewinn pro Aktie auf der Höhe des Erfolgsjahres 2023. Damals notierte der Titel während einer längeren Zeit über 2'000 Franken, derzeit sind es noch knapp 800 Franken. Das heisst, Investierende könnten einen langen Atem benötigen. 

Bei Medmix ist die Ausgangslage vielversprechend. Allerdings sind die hohen Schwankungen beim Gewinn schwierig einzuschätzen. Das Medizinaltechnik-Unternehmen rechnet in den kommenden Jahren nun immerhin mit steigenden Margen und einem organischen Umsatzwachstum von 4 bis 6 Prozent. Die Elektrotechnik-Gruppe Carlo Gavazzi dürfte dagegen schon Anfang 2026 auf einen solideren Wachstumspfad einschwenken. 

Einstiegszeitpunkt gut wählen

Kurzfristig kann das gut funktionieren, wenn man den richtigen Einstiegszeitpunkt bei einer stark fallenden Aktie erwischt, meint der Experte von Flossbach von Storch. In drei Viertel der Fälle konnten Anleger, die zum richtigen Zeitpunkt einstiegen, den S&P 500 innerhalb eines Monats übertreffen. Die Performance verschlechterte sich jedoch, je länger die Aktien gehalten wurden und je länger der optimale Einstiegszeitpunkt verpasst wurde. Bereits nach anderthalb Jahren hinkten mehr als die Hälfte der Aktien dem S&P 500 Index hinterher. Die Outperformance war nur von kurzer Dauer, so der Flossbach-Analyst.

Anleger, die bereits vor dem Kursrückgang investiert waren und auf eine Erholung hoffen, sollten ebenfalls über die Bücher gehen. Unter einer Erholung versteht man eine Aktie, die nicht nur das Kursniveau vor dem Kursrückgang wieder erreicht, sondern auch die inzwischen erzielte Marktrendite aufholen kann. Ein Jahr nach dem Kursrückgang hatten sich aber nur 24 Prozent der US-Aktien erholt, verglichen mit 28 Prozent nach drei Jahren. Eine nachhaltige Erholung scheint daher eher die Ausnahme als die Regel zu sein, so Flossbach von Storch.

Da sich Unternehmen langfristig eher schlechter als der Gesamtmarkt entwickeln, ist eine rigorose Selektion unabdingbar. «Anlegerinnen und Anleger, die eine Aktie bereits besitzen und wenn sich die Aktie zu einem fallenden Messer entwickelt, sollten sorgfältig überlegen, ob sie längerfristig daran festhalten und auf eine spätere Erholung hoffen wollen», meint Immenkötter von Flossbach von Storch. 

Obwohl sich Qualitätsunternehmen langfristig häufiger von Kursrückgängen erholen als andere, ist dies bei den US-Titeln im S&P 500 Index eher die Ausnahme als die Regel. Wichtig ist deshalb auch für hiesige Anlegerinnen und Anleger, nicht nur auf ein Qualitätsunternehmen zu setzen, sondern mit mehreren Titeln diversifiziert vorzugehen. Ein Stop-Loss-Auftrag ist zudem angebracht, um allfällige Verluste zu minimieren. Von Hilfe könnte ebenfalls eine Checkliste sein, die vor dem Titelkauf respektive dem Verkauf konsultiert wird. 

Thomas Daniel Marti
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