"Meme Stocks" sind Aktien, zu denen sich Informationen im Internet viral verbreiten und so die Aufmerksamkeit von Investorinnen und Investoren auf sich ziehen. Dabei sorgte der Hype in sozialen Medien wie Twitter, Reddit, StockTwits oder Wallstreetbets 2021 für schnelle und drastische Kurssteigerungen bei Titeln wie AMC, BlackBerry oder den Ur-Meme-Aktien GameStop und Bed Bath & Beyond.

Allerdings ging es mit den Titeln nicht nur aufwärts. Die Blackberry-Aktie zeigt exemplarisch auf, wie sich das Auf und Ab in diesen extrem spekulativen Titel entwickelte. So ist die Aktie nach dem ersten Hype im Sommer 2021 gegen Ende des gleichen Jahres wieder deutlich gesunken. Im Sommer 2022 versechsfachte sich die Aktie innerhalb weniger Wochen erneut, obwohl alle Nachrichten über das eigentliche Geschäft von Blackberry ernüchternd waren. Kaum erstaunlich, dass der Aktienkurs des ehemals ikonischen Mobiltelefonherstellers hernach wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt wurde und innert sechs Monaten um 90 Prozent an Wert verlor. Seit Anfang diesem Jahr geht es bei Blackberry immerhin vorwärts, der Kurs stieg um 50 Prozent und die Firma hat die Geschäftsentwicklung stabilisiert. Damit sind die Kanadier allerdings die Ausnahme. 

Das Unternehmen Bed Bath & Beyond hat sich nicht mehr erholen können und musste am 24. April 2023 Nachlassstundung - sogenanntes Chapter 11 - beantragen. An Volatilität war die Kursentwicklung in den Monaten zuvor kaum zu überbieten. Anfang 2023 ging es in einem Rutsch von einem Dollar auf sieben Dollar hoch, ehe der Titel auf einen Tiefstand von 4 Cents Ende Mai fiel. Bis am Donnerstag haben sich die Valoren auf 20 Cents erholt. 

Analog geht es auch bei den AMC-Aktien immer schneller nach unten. Allein in der aktuellen Börsenwoche von Montag bis Donnerstag verlor das Unternehmen jeden Tag 10 Prozent an Wert. Letzten Freitag stand die Aktie bei 36 Dollar, am Freitag im frühen Handel werden noch 13,70 Dollar aufgerufen. Marktkommentatoren sind sich einig, dass es nur mehr eine Frage der Zeit sei, bis der amerikanische Kinobetreiber wie Bed Bath & Beyond ebenfalls Nachlassstundung beantragen muss.

Stellt sich nur die Frage, ob Retailtrader von Reddit zwischenzeitlich bei AMC noch einmal ein Kursfeuerwerk zünden können. Aber auch das wird mittlerweile bezweifelt. Die Kursgewinne zu Beginn des Hypes 2021 wurden dadurch ausgelöst, dass Hedgefonds ihre Short-Positionen zu extrem hohen Preisen eindecken mussten. Damals war das Kaufvolumen der Retailtrader dermassen hoch, dass die Hedgefonds keine Chance hatten. Heute ist die Munition der Retailtrader wesentlich geringer, weshalb es deutlich schwieriger fällt, einen extremen Hype zu entfachen. 

Für Nachschub ist gesorgt

Wer nun denkt, dass mit den kontinuierlich sinkenden Kursen bei den Meme-Klassikern AMC und Co. das Ende des Hypes angesagt ist, dürfte enttäuscht werden. Zwar wird es ruhiger um die Ur-Meme-Aktien, aber in deren Fussstapfen treten nun vermehrt "Spacs". Spacs oder sogenannte "Special Purpose Acquisition Corporation" sind börsenkotierte Kapitalgesellschaften ohne bestehendes, operatives Geschäft. Der Zweck der Gesellschaft ist einzig die Akquisition einer oder der Zusammenschluss mit einem operativ tätigen Unternehmen. Und da sind jüngst gleich zwei Unternehmen an der US-Börse aufgefallen, die Meme-Charakter aufweisen.

So zum einen der Produzent von elektrischen Automobilen Vinfast, dessen Aktienkurs sich seit dem Börsendebüt Anfang August versechsfacht hat. Das vietnamesische Unternehmen hat letzten Monat mit dem Bau einer Fabrik in North Carolina begonnen und prognostiziert, dass der Absatz in diesem Jahr 45'000 bis 50'000 Elektrofahrzeuge erreichen wird. Ausserdem will Vinfast die Gewinnschwelle bereits bis Ende 2024 erreichen. Im Mai wurden allerdings die von Vietnam in die USA gelieferten Elektro-Sport Utility Vehicles wegen einer Softwarestörung zurückgerufen und das Unternehmen entliess aufgrund bescheidener Umsätze auch einen Teil der US-Belegschaft.

Laut einer Investorenpräsentation im Juni geht das Unternehmen davon aus, dass sein Umsatz im Jahr 2023 1,88 Milliarden US-Dollar erreichen wird, was bedeutet, dass es mit einem Vielfachen des rund 60-fachen Umsatzes gehandelt wird. Das liegt weit über den Bewertungen von Konkurrenten wie Lucid und Rivian. "Börsenprofis würden dieses Unternehmen nicht einmal mit der Bootsstange anfassen", sagte Oktay Kavrak, Produktstratege bei Leverage Shares, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg .

Zu denken gibt auch, dass Vinfast nun eine höhere Börsenbewertung aufweist als 400 der Unternehmen im S&P 500 Index - sprich Vinfast hat eine höhere Bewertung als in ihrem Bereich marktführende Unternehmen wie Citigroup und Goldman Sachs. Der berühmte Leerverkäufer Jim Chanos bezeichnet denn auch die Bewertung der Aktie als "völlig durchgeknallt".

Schuss kann nach hinten rausgehen

Ein Unternehmen hat in zwei Tagen erreicht, was bisher wohl noch nie so beobachtet werden konnte: Better Home & Finance ist ein Unternehmen, das über die Fusion mit dem Spac Aurora Acquisition am Mittwoch an die US-Börse gelangte. Dieser Börsengang war aber alles andere als erfolgreich. An einem Tag verlor die Aktie am Donnerstag 94 Prozent und sank auf einen Wert von 1,04 Dollar. 

Better Home ist ein digitaler Hypothekengeber. Dieser Sektor war ein grosser Gewinner des Booms der Immobilienpreise und der Hypothekenrefinanzierung, der mit der Pandemie und der Ära niedriger Zinsen einherging. Allerdings wurde der Sektor im vergangenen Jahr stark von steigenden Zinsen getroffen. Better Home, auch bekannt als Better.com, hat Tausende von Mitarbeitern entlassen, um mit dem schwächelnden Hypothekenmarkt umzugehen.

Sergio Ermotti's Spac in ruhigen Fahrwassern

Dass ein Spac-Akquisitionsvehikel auch erfolgreich sein kann, hat auf der anderen Seite der jetzige UBS-CEO Sergio Ermotti bewiesen. Der Edel-Herrenausstatter und Luxusmodekonzern Ermenegildo Zegna, der sich seit seiner Gründung im Jahr 1910 in Familienbesitz befand, wurde durch den Zusammenschluss mit einer Spac im Dezember 2021 erfolgreich an die US-Börse gebracht. Dieses wurde mit Hilfe der europäischen Private-Equity-Gruppe Investindustrial unter dem damaligen Vorsitz von Sergio Ermotti gegründet. Die Aktienkursentwicklung kann sich sehen lassen: Seit dem Debüt haben die Zenga-Valoren 44 Prozent zugelegt. 

Thomas Daniel Marti
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