Am Donnerstag war es soweit: Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigte an, ab Ende des Jahres die milliardenschweren Anleihekäufe zu drosseln und somit das lange erwartete Tapering, also den schrittweisen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik anzugehen.

Oder doch nicht? An der Medienkonferenz stellte EZB-Präsidentin klar: "The lady is not for tapering", eine Anspielung auf den berühmten Satz der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher, die damit ihren damaligen Kurs zur Liberalisierung der Wirtschaft unterstrich. 

Auch Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, sieht in der EZB-Entscheidung bestenfalls ein "kleines Taperchen", wie er im cash-Video-Interview sagt. Schliesslich handle es sich lediglich um eine moderate Drosselung des Anleihekaufprogramms, welche jederzeit wieder zurückgenommen werden könne, so Junius. Er glaubt, die EZB werde frühestens Ende 2022 eine wirkliche Straffung der ultralockeren Geldpolitik ankündigen. 

Das heisst auch: Höhere Zinsen sind in Europa erstmal vom Tisch, was gleichzeitig Auswirkungen auf die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat. "Die SNB kann sich zurücklehnen, die Zinswende wird es in Europa vorerst nicht geben", so Junius im Interview. Die erste EZB-Zinserhöhung sei frühestens 2024 zu erwarten.

Etwas anders sei die Lage in den USA, wo aufgrund von höheren Inflationsraten eine grössere Notwendigkeit für ein Tapering bestehe. Hier rechnet Junius bereits Ende 2022 mit einer ersten, leichten Zinserhöhung. 

«Keine Zinserhöhung in Europa vor 2024»

Beim Thema Inflation, ebenfalls aktuell ein heiss diskutiertes Thema am Markt, zeigt sich Junius zumindest für Europa relativ entspannt. Die entscheidende Frage sei, ob Zweitrundeneffekte für Lohnerhöhungen sorgen. Aber: "Solange die Löhne nicht ansteigen, wird es keinen grösseren Preisdruck geben", ist Junius überzeugt. Auch die Konjunktur dürfte sich weiter robust zeigen – gerade in der Schweiz seien die Voraussetzungen dafür gut. 

Heisst: Weiterhin anziehende Konjunktur, tiefe Zinsen in Europa bis mindestens 2024 sowie eine Inflation, die beherrschbar bleibt. Klingt so nicht das berühmte Goldilocks-Szenario für die Märkte? Junius glaubt zumindest, dass die Perspektiven für die Aktienmärkte tatsächlich gut sind. "Das gilt vor allem für die Schweiz". 

Was die einzelnen Aktienmärkte betrifft, sei man bei der Schweiz übergewichtet, sagt denn auch Wolf von Rotberg, Aktienmarktstratege bei J. Safra Sarasin. "Der Schweizer Markt bietet eine starke Gewichtung von Sektoren mit hohem Wachstumspotenzial, bei gleichzeitig defensiven Qualitäten", sagt von Rotberg am Freitag vor den Medien. 

Dazu gehörten etwa die Bereiche Healthcare und Konsumgüter. Zudem werde oft übersehen, dass die Schweizer Wirtschaft einen der höchsten Umsatzanteile im asiatischen Raum habe. "Schweizer Unternehmen setzen in Asien anteilig mehr um als alle anderen entwickelten Märkte", so von Rotberg. Man könne mit einem Investment in Schweizer Aktien von dem Aufstieg der Emerging Markets besser profitieren als mit einem direkten Investment in die jeweiligen Aktienmärkte. 

Im cash-Börsen-Talk sagt Junius, welche Gefahren von Produktionsengpässen für die globale Konjunktur ausgehen könnte. Ausserdem erklärt er, warum die negativen Realzinsen dem Goldpreis weiter Schub verleihen werden.