Diese Woche ist es passiert: Der Dollar rutsche erstmals seit fünf Jahren kurzzeitig unter die Marke von 90 Rappen. Auch gegenüber dem Euro notiert der Greenback so schwach wie seit zwei Jahren nicht mehr. Damit erreichte die seit Monaten anhaltende Dollar-Schwäche einen vorläufigen Tiefpunkt. Fragt sich, ob es sich lediglich um eine vorübergehende Schwächephase handelt oder ob die Dollardominanz hier tatsächlich langsam zu bröckeln beginnt.

Thomas Flury, Währungsstratege bei der UBS, geht davon aus, dass der Dollar die nächsten Quartale weiter schwach bleiben wird, wie er im cash-Börsen-Talk erklärt. Das ergebe sich allein schon aus der ultralockeren Geldpolitik der Fed, die sich so schnell nicht ändern dürfte. Doch eine nachhaltige Dollarschwäche sieht Flury in den jüngsten Entwicklungen an den Devisenmärkten nicht. Im Gegenteil: "Covid-19 hat vielmehr eine Normalisierung des überteuerten Dollar ausgelöst". Flury spricht hier vor allem von der Dollar-Bewertung gegenüber dem Euro und dem Pfund.

Ausserdem sei der Greenback weiterhin die wichtigste Handelswährung und das Vertrauen in die USA sei nach wie vor gross. "Den Dollar kann man nie abschreiben", so Flury.

«Euro-Franken-Kursziel von 1,10»

Und der Euro? – strotzt derzeit vor Stärke wie schon lange nicht mehr. Sogar zum ewig starken Franken konnte die Gemeinschaftswährung zuletzt ordentlich Boden gutmachen. Nachdem der Euro-Franken-Kurs Mitte Mai noch unter die 1,05-Marke rutschte, hat er sich mittlerweile bis auf 1,08 erholt. Das ist wieder fast das Niveau von Jahresbeginn. Dass sich die europäischen Länder in der Corona-Krise zusammenraufen konnten und sich auf ein umfassendes Hilfspaket einigten, stützt die Gemeinschaftswährung deutlich.

Für Flury muss das auch noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Zumindest werde sich der Euro gegenüber den Franken weiterhin stabilisieren. "Für die nächsten zwölf Monaten gehen wir von einem Kurs von 1,10 Franken aus", so der Devisenexperte. Wie schwierig übrigens Devisenprognosen sind, zeigt das Beispiel von Goldman Sachs. Die grosse US-Bank war noch Mitte Mai der Meinung, dass Investoren in den folgenden drei Monaten den Euro-Franken-Kurs in Richtung 1,02 drücken würden.

Erstaunlicherweise nimmt die Schweizer Nationalbank (SNB) den steigenden Euro nicht zum Anlass, sich zumindest mal vorübergehend von den Devisenmärkten in Sachen Interventionen zurückzuziehen. "Die SNB hält trotz stärkerem Euro an den Devisen-Interventionen fest. Das zeigt, dass sie mittlerweile auch den Dollar zunehmend im Auge hat", vermutet Flury. Ein Dollar-Frankenkurs um die 90 Rappen sei für die SNB offenbar doch ein – zu – starkes Statement.

Die SNB will seit Jahren verhindern, dass der Franken zu stark an Wert gewinnt. Denn das macht Schweizer Waren im Ausland, vor allem im Dollar- und Euroraum, teuer und bremst die Exporte. Die SNB setzt dabei auf Negativzinsen von minus 0,75 Prozent, mit denen sie den Franken für Investoren unattraktiv machen will, un dDevisenmarktinterventionen: Sie druckt Franken und kauft damit Fremdwährungen wie Euro oder Dollar, um den Franken zu schwächen.

Inflationsgefahr gering

Ob der weltweiten Ausweitung der expansiven Geldpolitik geht derzeit vielerorts das Gespenst der Inflation um. 2008 nach der Finanzkrise gab es ähnliche Befürchtungen, die allerdings nie eintraten. Könnte es diesmal anders sein? Schliesslich geht das Geld dieses Mal zu grossen Teilen direkt in die Realwirtschaft und nicht nur in den Finanz- und Bankensektor wie 2008.

Flury widerspricht: "Viele dieser Zuschüsse an die Realwirtschaft sind Kredite. Die müssen auch wieder zurückgezahlt werden." Das sei eine natürliche Bremse für die Inflation, so der UBS-Experte. Zwar könne das umfassende EU-Hilfspaket durchaus Inflationsdruck in einzelnen Branchen auslösen, aber die Faktormärkte, wie der Arbeitsmarkt oder die Bodenpreisen, deuten derzeit auf keine nachhaltige Inflation hin.

Sehen Sie ausserdem im cash-Video-Interview, welche Prognose Flury für den Goldpreis gibt und warum er grundsätzlich positiv gestimmt ist für die weltweite Erholung der Konjunktur.