Im Swiss Market Index (SMI) gibt es derzeit mehr oder weniger konkrete Gerüchte und Offerten: Syngenta soll an Monsanto gehen, Actelion an die britische Shire. Julius Bär soll auch nicht mehr lange allein sein. Der grösssere Konkurrent soll die Privatbank schlucken wollen.

Dauerbrenner im Karussell möglicher Übernahmen und Fusionen sind auch Clariant, Sonova oder AMS. Es gibt auch Aktien von Unternehmen, wo die Übernahme- und Fusionspekulationen derzeit nicht so stark wuchern. Sie sind aber auch nicht komplett unwahrscheinlich. Auch für Anleger sind solche Unternehmen interessant. Denn sie beinhalten zumeist noch keine Übernahme-"Prämie". Hier lohnt sich ein Blick:

Temenos: Der Bankensoftwarehersteller flösst Vertrauen ein. Die Mehrzahl der Analysten, die sich die Aktie anschauen, empfehlen einen Kauf, auch wenn die schwankungsanfällige Aktie innerhalb eines Jahres nur knapp 4 Prozent an Wert zuzulegen vermochte und die Geschäftsresultate mal besser, mal schlechter ausfallen. Anleger kaufen Temenos auch, um Kursschwächen auszunutzen. Einige Experten stellen gar in Abrede, dass Temenos eine Wachstumsstory sei.

Übernahmegerüchte um das Genfer Unternehmen sind indessen nicht neu und kehren immer wieder zurück. "Temenos ist der grösste reine Anbieter von Bankensoftware und damit interessant", sagt Andreas Müller von der Zürcher Kantonalbank. Als mögliche Interessenten sieht er Software-Riesen wie SAP, Microsoft oder IBM. Oracle könnte seine eigene Sparte Financial Services mit Temenos ergänzen wollen. Die relativ hohen Barmittel von Temenos seien hingegen kein Übernahmegrund.

Auch ein Finanzinvestor könnte an Temenos interessiert sein. Die Bewertung der Aktie ist über die Jahre aber angestiegen und steht heute bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 20. An der Börse ist Temenos 2,15 Milliarden Franken wert. Einer der Temenos-Grossaktionäre ist Martin Ebner (11,6 Prozent). Wenn man Temenos also kaufen will oder das Unternehmen zwecks Synergien mit einem Mitbewerber fusionieren soll, müssen der Preis und die Prämie stimmen.

ABB: Dass der Elektrotechnik-Gigant übernommen werden könnte, klingt nächst wie eine bizarre Fantasie. Um ABB in seinen Besitz zu bekommen, müsste man die Mittel für einen mit 47 Milliarden Franken marktkapitalisierten Koloss aufbringen. Zudem hat ABB mit der schwedischen Familie Wallenberg einen sehr konservativen Grossaktionär.

Die Selbständigkeit von ABB ist aber dennoch nicht in Stein gemeisselt: Die ebenfalls riesigen Pharmakonzerne der Welt sind seit einiger Zeit im Fusionsfieber. ABB Konkurrenten wie Siemens und General Electic könnten auch auf die Idee kommen, einem Branchenkonkurrenten näherrücken zu wollen. Oder dass, wie in der Pharmabranche, eines Tages Sparten untereinander hin- und hergeschoben werden. Die in den vergangenen Jahren zukaufwütige ABB ist heute in ziemlicher Gemischtwarenladen.

Der Kurs der ABB-Aktie ist hat innert Jahresfrist kaum zuzulegen vermocht und liegt heute 14 Prozent unter dem Mehrjahreshoch vom Januar 2014. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16,1 ist die Aktie nicht übermässig hoch bewertet.

Swiss Life: Wer wie die Swiss Life nur Lebensversicherungen und Versorgepläne verkauft und daneben noch ein bisschen Vermögensverwaltung betreibt, ist bei Null- und Negativzinsen in einer ungemütlichen Lage – auch wenn immer wieder gesagt wird, dass man dank Bilanzstrukturmanagement mit der Steuerung von Zinsänderungsrisiken und Fälligkeiten alles im Griff habe. Was Swiss Life ausbalancieren würde, wäre ein Sachversicherungsgeschäft. Helvetia hat die National-Versicherungen übernommen; Swiss Life und Bâloise - anyone?

Fusionen sind das eine. Vor einigen Jahren war spekuliert worden, dass der grösste Versicherer Europas Allianz den Schweizer Traditionskonzern übernehmen könnte. Auch Generali wurden schon derartige Ambitionen nachgesagt, und die Gerüchte tauchen an den Märkten immer einmal wieder auf. So abwegig ist es also nicht, dass ein Gigant ein Auge auf Swiss Life wirft, in Europa einer der führenden Lebensversicherer. Swiss Life ist an der Börse 6,7 Milliarden Franken wert und verfügt über ein KGV von 8,1. Wegen der Tiefzinsen trauen die Anleger der Swiss Life nicht so richtig, auch wenn die Dividende steigt. Der Kurs der Aktie gilt als zu tief, nachdem sich die Swiss Life mit Effizienzprogrammen fitter getrimmt hat und zudem die AWD-Altlasten bereinigt hat.

Gegen eine Übernahme von Swiss Life spricht indessen, dass man sich nicht unbedingt einen Gefallen tut, wenn man einen reinen Lebensversicherer akquiriert. Zudem: Der grösste Markt der Swiss Life, die Vorsorge in der Schweiz, ist ein gesättigter Markt mit wenig Wachstumsmöglichkeiten.

Lindt & Sprüngli: Übernahmegerüchte sind Lindt & Sprüngli nicht ganz fremd. Seit Jahren geistert der Name von Branchenprimus Nestlé als möglicher Interessent unter Anlegern herum. Die Munkeleien verstummten im April 2013 zwar vorübergehend, als Nestlé-Verwaltungsratspräsident Peter Brabeck klar mitteilte, kein Interesse am Schokoladenhersteller zu haben. Doch mittlerweile gibt es wieder Spekulationen in diese Richtung. Auch Ferrero aus Italien wird als möglicher Interessent gehandelt.

Die Lindt & Sprüngli-Aktie kostet derzeit 58'965 Franken – der mit Abstand höchste Preis für eine Einzelaktie an der Schweizer Börse. Obwohl die Aktie im letzten Monat kaum vom Fleck kam - sie verlor in diesem Zeitraum mit minus 1 Prozent gar leicht an Wert - gilt der Titel als solide Investition. In den letzten fünf Jahren legte die Aktie um nicht weniger als 230 Prozent zu.

Eine Übernahme von Lindt & Sprüngli wäre wohl kein Schnäppchen. Das KGV 2015 von 37 lässt eher auf einen überteuerten Kurs schliessen. Und mit einem Börsenwert von 12,8 Milliarden Franken müsste ein Übernahme-Interessent auch über ausreichend Liquidität verfügen. Ein gehöriges Wort hätte ausserdem die Personalstiftung des Premiumschokoladeherstellers mitzureden, vereint diese doch ein Stimmrecht von 20,3 Prozent auf sich. Ob da trotzdem jemand zugreifen will?

Orior: Die Lebensmittelgruppe Orior beliefert in der Schweiz die Detailhändler mit Frisch-Convenience-Food und Fleischprodukten. Grösster Abnehmer ist die Migros. Da könnte die Migros doch ins Auge fassen, ihren grössten Lieferanten gleich aufzukaufen? Für Eric Steinhauser, Anlagechef Rahn & Bodmer, wäre dies ein guter Deal für beide Seiten, wie er im cash-Börsen-Talk sagte. Dennoch: Im letzten Monat verlor der Titel 1,3 Prozent an Wert, seit einem Jahr legte er um magere 0,5 Prozent zu. Nicht gerade der typische Kursverlauf eines heissen Übernahmekandidaten.

Anders sieht es bei Betrachtung des KGV 2015 aus: Mit einem Wert von 12,6 ist der Titel relativ günstig. Der Börsenwert beträgt 336 Millionen Franken. Für die Migros-Gruppe nahezu ein Klacks. Ausserdem würde auch der sehr hohe Streubesitz von 80 Prozent der Orior-Aktie eine Übernahme vereinfachen. Grösster Aktionär ist die Ernst-Göhner-Stiftung mit einem Anteil von 10,5 Prozent.

SGS: Der Genfer Warenprüfkonzern macht derzeit magere Zeiten durch. Nachdem die Aktionäre bis Anfang 2013 durch steigende Kurse verwöhnt wurden, wandert der Kurs nun seither nach unten: Minus 23 Prozent seit April 2013. Allein in den letzten 12 Monaten büsste der Titel 18 Prozent seines Wertes ein. Das setzt das Management und den Verwaltungsrat von SGS gehörig unter Druck. Denn abschreckendes Beispiel ist Syngenta, wo die Aktienkursentwicklung in den letzten drei Jahren sehr ähnlich war wie bei SGS.

Aber SGS könnte von sich aus aktiv werden. In den vergangenen Jahren war immer wieder die Rede von einem Zusammenschluss der weltweit grössten Prüfkonzerne.  Als "strategisch stimmig" und mit "hohen Synergien verbunden" bezeichneten Analysten der UBS im Dezember 2014 eine mögliche Übernahme des britischen Konkurrenten Intertek durch SGS. Auch der nach SGS weltweit zweitgrösste Warenprüfer Bureau Veritas könnte als möglicher Fusionspartner in Frage kommen.

Solche Zusammenschlüsse wurden in der Vergangenheit zwar von allen genannten Firmen dementiert, doch würden auf die lange Frist Fusionen durchaus Sinn machen. Der europäische Warenprüfsektor ist derzeit stark fragmentiert. SGS kommt als Marktführer auf einen Marktanteil von weniger als 5 Prozent, und die grössten fünf Anbieter zusammen auf einen Anteil von knapp 14 Prozent. Eine Konsolidierung der Branche wird früher oder später kommen. Mit grösseren wettbewerbsrechtlichen Hürden hätte SGS bei einer Fusion jedenfalls nicht zu rechnen.