Die Inflationsrate ist in der Schweiz im Januar überraschend auf 1,3 Prozent gefallen, wie m Dienstag bekannt wurde. Das hat auch zu einem Rückgang der Frankenrenditen geführt.

Der verbesserte Inflationsausblick hat sich kurzfristig allerdings nicht in höheren Kursen an der Schweizer Börse niedergeschlagen, da die ebenfalls am Dienstag publizierten US-Teuerungszahlen negativ überraschten und die Erwartungen zu den US-Leitzinssenkung weiter nach hinten verschoben hat.

Da die Börse aber bekanntlich die Zukunft vorneweg nimmt, ist jetzt der Zeitpunkt, um sich mit der Frage zu befassen, wer mittelfristig von den tieferen Frankenzinsen profitiert. 

Für die drei von cash.ch befragten Schweizer Aktienstrategen ist die tiefere Schweizer Inflation zwar erfreulich, aber kurzfristig noch kein Signal, um im grossen Stil in Schweizer Aktien einzusteigen. «Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer», meint Christian Gattiker-Ericsson, Chefstratege von Julius Bär. Für einen bleibenden Effekt muss zuerst ein nachhaltiger Trend zu sehen sein mit deutlich tieferer Inflation in der Schweiz.

Gattiker konstatiert zwar, dass bei anhaltend tieferer Inflation, tieferen Zinsen primär Unternehmen mit hoher Kostenbasis in der Schweiz wie Immobilienfirmen, Uhrenhersteller und einige Industrieunternehmen profitieren werden.

Erst bei einer länger anhaltenden Franken-Schwäche würde der Gesamtmarkt nachziehen. Für diesen Call ist aber eine einzelne Inflationszahl zu wenig. Julius Bär hält weiter an den fünf "Top-Picks" Sandoz, Alcon, Holcim, Stadler Rail und Nestlé fest. 

Dividendenstarke Werte bei sinkenden Zinsen in der Gunst der Anleger

Beim verbesserten Ausblick für die Schweizer Immobiliengesellschaften und Immobilienfonds schliesst sich Matthias Geissbühler, Anlagechef bei der Raiffeisen, der Meinung von Gattiker an, weil die potenziell sinkenden Zinsen die Nachfrage beleben und via tieferem Diskontierungssatz zu einem höheren Net Asset Value (NAV) der Immobilien führt.  

Sollte die Inflation weltweit weiter zurückgehen und damit die Zinsen deutlich sinken, würden unter anderem dividendenstarke Werte in der Gunst der Anleger steigen. Dazu gehören hierzulande die Pharmaschwergewichte Novartis und Roche, die Versicherer Zurich Insurance und Swiss Life sowie Swisscom. Diese Titel, welche teilweise auch als «Bondersatz» bezeichnet werden, gewinnen dadurch an relativer Attraktivität, erklärt Geissbühler gegenüber cash.ch.

Omar Brem, Leiter Research bei Zürcher Kantonalbank (ZKB), sieht es als verfrüht an, von den tieferen Schweizer Inflationsdaten einen direkten, positiven Einfluss auf den SMI oder SPI abzulesen. «Die Ausblicke der Unternehmen für das laufende Jahr sind sehr verhalten und die Unternehmen weisen auf eine geringe Visibilität hin. Dies erhöht die Unsicherheit bezüglich der Umsatzentwicklung im laufenden Jahr». 

Die ZKB bevorzugt im aktuellen Umfeld Qualitätswerte mit Preissetzungsmacht, die in der Lage sind, trotz sinkender Inputpreise die Preise bei den Kunden weiter durchzusetzen. Dazu gehören Givaudan, Straumann oder Schindler, aber auch Unternehmen aus dem Pharma-Sektor wie Roche.

Im Industriesektor gibt es Unternehmen wie Holcim oder Sika, die trotz sinkender Inputpreise dem Preisdruck entgegenwirken können und von einem positiven Preis-Kosten-Verhältnis profitieren, ergänzt Brem.

Schweizerische Nationalbank mit mehr Spielraum

Einen positiven Effekt der tieferen Inflationsraten machen die Strategen für die Schweizerische Nationalbank (SNB) aus, auch wenn dies für Geissbühler nicht bedeutet, dass die hiesigen Währungshüter bald die Zinsen senken werden. Die SNB dürfte zumindest noch die Inflationsdaten für den April und Mai abwarten. In dieses Zeitfenster fällt die zweite Mietzinserhöhungswelle, welche nochmals leicht steigende Inflationswerte nach sich ziehen dürfte.

Der Haupttreiber für die Schweizer Aktien ist derzeit der Schweizer Franken. Hier spielen derzeit weniger die Inflations- und Zinsdifferenzen eine Rolle als vielmehr die Tendenz, wie stark die internationalen Zuflüsse in den sicheren Hafen Schweiz sind. Man könnte höchstens schliessen, dass eine massvolle Inflationsentwicklung der SNB den Spielraum erweitert, bei weiterer Frankenstärke einzuschreiten, konstatiert Gattiker.

Sind Adecco, AMS und Oerlikon die grossen Profiteure?

Neben Immobilienunternehmen gehören dividendenstarke Industrie- und selektive Einzeltitel mittelfristig zu den aussichtsreicheren Firmen, welche von tieferen Zinsen und einer Konjunkturbelebung in Europa und der Schweiz profitieren.

In Antizipation niedriger Leitzinsen könnten dabei auch höher verschuldete Unternehmen optimistischer in die Zukunft blicken. cash.ch hat anhand von Bloomberg-Daten 20 Schweizer Unternehmen ermittelt, welche eine verhältnismässig hohe Nettoverschuldung im Verhältnis zum Vorsteuergewinn vor Abschreibungen aufweisen und nebenher über ein attraktives Kurspotenzial und eine attraktive Dividendenrendite verfügen.

20 interessante Aktien für den Zinssenkungszylkus

Name Nettoverschuldung/EBITDA Kurspotenzial Dividendenrendite
Medmix"}">Medmix 58.54 48% 2.9%
Swiss Prime Site"}">Swiss Prime Site 40.89 8% 2.0%
Edisun Power Europe"}">Edisun Power Europe 33.06 62% 1.5%
Zug Estates Holding"}">Zug Estates Holding 26.96 9% 2.4%
PSP Swiss Property"}">PSP Swiss Property 15.31 8% 3.3%
SIG Group"}">SIG Group 13.68 49% 2.6%
Cembra Money Bank"}">Cembra Money Bank 13.00 9% 5.9%
Avolta"}">Avolta 10.41 34% 2.0%
OC Oerlikon Corp"}">OC Oerlikon Corp 7.71 9% 9.3%
Adecco Group"}">Adecco Group 6.30 10% 5.0%
Implenia"}">Implenia 5.87 22% 1.3%
Autoneum Holding"}">Autoneum Holding 5.86 21% 1.2%
Sika"}">Sika 5.28 14% 1.3%
Rieter Holding"}">Rieter Holding 5.21 13% 1.7%
Bell Food Group"}">Bell Food Group 5.19 16% 2.8%
Galenica"}">Galenica 4.30 1% 2.9%
Daetwyler Holding 4.29 1% 1.7%
Nestle"}">Nestle 4.26 17% 3.0%
Holcim"}">Holcim 3.96 11% 3.8%
Givaudan SA"}">Givaudan SA 3.86 20% 1.8%

(Datenquelle Bloomberg, Zusammenstellung cash.ch)

In der Tabelle fallen im Immobilien- und Bausektor PSP Swiss Property (3,3 Prozent), Zug Estate Holding (2,4 Prozent), Swiss Prime Site (2,0 Prozent) sowie Holcim (3,8 Prozent), Implenia (1,3 Prozent) und Sika (1,3 Prozent) mit der attraktiven Dividendenrendite auf. Alle Firmen können mit einem stabilen Wachstum, einer soliden Ertragslage sowie einer gesunden Bilanz aufwarten. 

Die durchschnittlichen Schätzungen der Analysten zeigen auf der anderen Seite das höchste Kurzpotenzial bei Edisun Power Europe (62 Prozent), SIG Group (49 Prozent), Medmix (48 Prozent) und Avolta (34 Prozent). Diese Titel haben in den vergangenen drei Jahren allesamt Kursverluste verkraften müssen. Die Aussicht auf tiefere Zinsen dürfte diesen Titeln mittelfristig entsprechend wieder mehr Aufwärtsdynamik geben, sofern die Firmen die eigenen Finanzziele erreichen.  

Ein verbesserter Zinsausblick könnte auch Adecco, AMS und Oerlikon weiter Rückenwind verleihen, nachdem diese Unternehmen die Tiefstkurse der letzten sechs Monaten hinter sich gelassen haben. Alle drei Firmen sind hoch verschuldet und tiefere Refinanzierungskosten wären ein willkommene Unterstützung, um die Erfolgsrechnung mittelfristig zu entlasten.

In diesen Titeln besteht Aufholpotenzial, fällt doch die Bilanz über einen Zeitraum von fünf Jahren tiefrot aus: Adecco (-30 Prozent), AMS Osram (-78 Prozent) und Oerlikon (-72 Prozent). Adecco mit einer stabilen Dividenden, welche 5 Prozent Rendite hergibt, dürfte von einer sich aufhellenden Konjunktur in Europa besonders profitieren.

Die grösste Nutzniesserin einer verbesserten Ertragslage könnte aber die Dividendenperle Cembra Money Bank sein. Verschiedene Analysten wiesen in der jüngeren Vergangenheit darauf hin, dass die höheren Refinanzierungskosten das kurzfristige Aufwärtspotenzial der Cembra-Aktien schmälern. Sollte sich die Entspannung an der hiesigen Teuerungs- und Zinsfront in den nächsten Monaten bestätigen, so dürfte der Titel auf den Kaufzetteln der Investorinnen und Investoren bald weit oben stehen.

Thomas Daniel Marti
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