Von der Konjunkturfront kommen derzeit widersprüchliche Signale. Während die US-Wirtschaft ein solides Wachstum von 3,5 oder mehr Prozent im 3. Quartal erzielt haben dürfte, dümpelt die Konjunktur in Europa und in China vor sich hin. Die Eurozone steht seit Jahresbeginn sogar mit einem Bein in einer Rezession. Und auch für die Schweiz sieht es wenig erfreulich aus: Die Konjunkturforscher der ETH Zürich (KOF) erwarten für die Schweiz noch ein bescheidenes Wachstum von 0,8 Prozent für das laufende Jahr.

Obwohl die US-Konjunktur sich immer noch von der robusten Seite zeigt, schliessen Strategen und Ökonomen nicht aus, dass die US-Wirtschaft Anfang 2024 ebenfalls in eine Rezession abdriften könnte. Grund dafür ist, dass die Zinserhöhungen der jüngsten Vergangenheit erst mit Verzögerung ihre Wirkung entfalten und das Wirtschaftswachstum abbremsen. Die positive Wirtschaftsentwicklung in den USA führt der Anlagestratege Anastassios Frangulidis von Pictet auf den robusten Konsum zurück, der im Vergleich zu Europa ein gewichtiges Standbein ist. Deutschland ist dagegen wie China wesentlich stärker vom industriellen Erfolg abhängig, weshalb die konjunkturellen Bremsspuren entsprechend deutlicher sichtbar sind.  

Allerdings zeigen sich nun auch in den USA erste, kleinere Risse. Einerseits müssen die Studentenkredite nach dreijährigem Moratorium wieder zurückbezahlt werden. Das schmälert das Konsumbudget der jüngeren Generationen. Zudem haben die tieferen Einkommensgruppen in den USA die während der Corona-Krise aufgebauten Ersparnisse nunmehr praktisch aufgebraucht.

«Die Realeinkommen sind im laufenden Jahr zwar etwas gestiegen, aber wegen der nach wie vor tendenziell hohen Inflation ist auch von dieser Seite keine weitere Unterstützung für den Konsum zu erwarten», erläutert Frangulidis. Der Pictet-Stratege erwartet allerdings nicht, dass die USA in eine starke Rezession abdriften wird, weil mittlerweile die Industrie und die Bauwirtschaft Zeichen einer Bodenbildung zeigen. 

Für Aktieninvestoren ist die entscheidende Frage, wie sie sich im Falle einer möglichen US-Rezession am besten aufstellen sollen. Denn in einem sich abschwächenden Wirtschaftsumfeld werden sich nicht alle Sektoren und Unternehmen gleich gut entwickeln. Krisensichere und rezessionsresistente Aktien werden hierbei auch häufig als defensive Titel bezeichnet, die sich in einem solchen Szenario besser schlagen sollten als Aktien von zyklischen Unternehmen.

Die klassischen Beispiele für defensive Titel sind Unternehmen aus den Sektoren Energieversorgung, Nahrungsmittel, Medizintechnik, Pharmazie und Telekommunikation. Dies, weil die Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Elektrizität und Medizinprodukten sich weniger stark nach konjunkturellen Schwankungen richtet.

Charakteristisch für solche Aktien ist eine im Vergleich zum Gesamtmarkt geringere Volatilität und eine weniger starke Abhängigkeit vom Konjunkturzyklus. Im Aktienuniversum ist dabei ein möglicher Fokus auf Blue Chips zu setzen. Blue Chips sind die Schweizer Unternehmen mit der grössten Marktkapitalisierung, welche im Swiss Market Index (SMI) vertreten sind.

Das Risiko, dass diese Grossunternehmen wegen ihrer Marktmacht Pleite gehen, ist entsprechend gering. Auf der anderen Seite sind die Chancen gut, dass sich diese Unternehmen nach einem Konjunkturabschwung rasch erholen können. Von den Schweizer Unternehmen im SMI fallen Alcon, Novartis, Roche und Sonova (Gesundheitsbranche) sowie Nestlé (Nahrungsmittel) und Swisscom (Telekommunikation) in den defensiven Bereich.

Dividendentitel als Alternative

Ebenso kann es sinnvoll sein, weiter auf Dividendenaktien zu setzen. Aktien mit einer attraktiven Dividendenrendite und stabiler Dividendenpolitik gelten als krisensichere Aktien und haben das Potenzial, mit geringeren Kursverlusten aus einem wirtschaftlichen Abschwung hervorzugehen. Fliessen regelmäßig attraktive Dividenden, sinkt das Risiko für die Gesamtinvestition, und die Anlegerinnen und Anleger sind eher bereit, die Valoren wegen der attraktiven Dividende im Portfolio zu belassen.

Von den defensiven Titeln im SMI überzeugen Swisscom mit einer Dividendenrendite von 4,1 Prozent. Ebenfalls attraktiv sind Roche mit einer Rendite von 3,8 Prozent und Novartis mit 3,5 Prozent, gefolgt von Nestlé mit 2,9 Prozent und Sonova mit 2,2 Prozent. Alcon weist mit 0,30 Prozent eine bescheidene Dividendenrendite aus. 

Frangulidis rät zudem dazu, in einem rezessiven Umfeld auf Qualitätsaktien von Firmen zu setzen, die über eine sehr solide Bilanz und eine gute Produktpalette verfügen. «Davon gibt es einige in der Schweiz und ich bin überzeugt, dass sich diese Titel in diesem Marktumfeld behaupten werden».

Mittelfristig bei Technologiewerten sowie Small- und Mid-Caps dranbleiben

Für Thomas Heller, Chief Investment Officer bei Belvédère Asset Management in Zürich, scheint es ebenfalls sinnvoll, sich mit Blick auf die Konjunkturabkühlung defensiver auszustellen. Allerdings mache es keinen Sinn, nun von einem Extrem ins Andere zu fallen und alle Wachstumstitel aus dem Portfolio zu werfen. Diese Titel bleiben mittel- bis langfristig interessant, auch wenn es taktisch im Moment sinnvoll ist, eher auf Substanzwerte zu setzen. Es sei in der aktuellen Konstellation normal, dass die Wachstumswerte kurzfristig eher unter Druck kommen, da mit den steigenden Zinsen diese entsprechend stärker abdiskontiert werden, erklärt Heller gegenüber cash.ch. 

Der Qualität der Unternehmen misst Heller genauso wie Frangulidis eine grosse Bedeutung zu. Neben den Blue Chips mache es aber durchaus auch Sinn, an Small und Mid Caps festzuhalten, deren Potenzial intakt sei. Zwei solcher Beispiele seien Belimo und Schindler, welche in den letzten zwei Jahren trotz guter Aussichten und soliden Fundamentaldaten keine grossen Stricke an der Börse zerrissen haben. 

«Trotz der schwachen Konjunktur sind die Schweizer Unternehmen relativ gut unterwegs, obwohl es rein zyklisch aufgrund des starken Frankens und der deutlich höheren Refinanzierungskosten sicherlich nicht ganz einfach sein wird», meint Heller mit Blick auf die anstehenden Quartalsergebnisse. 

Attraktiver Wachstumsbereich Halbleiter-Zulieferer

Ein Problem für Schweizer Investoren ist gemäss Frangulidis, dass es am hiesigen Markt keine Möglichkeit gibt, in schwergewichtete Titel der Informationstechnologie wie Microsoft, Google oder Nvidia zu investieren. Einen interessanten Sektor spricht Helen Jewell, Chief Investment Officer von Blackrock, mit den Halbleiterzulieferern an. Die für die fundamentale Aktienanalyse zuständige Jewell schreibt in einer Analyse, dass diese Firmen gut aufgestellt sind, um sowohl von der Dekarbonisierung - vor allem durch die Elektrifizierung - als auch von der Deglobalisierung zu profitieren, da die Regierungen versuchen, die inländische Produktion anzukurbeln.

Um fortschrittlichere Chips herzustellen, benötigen die Halbleiterhersteller die neuesten Werkzeuge, und diese werden nur von wenigen hochspezialisierten Unternehmen bereitgestellt. Selbst wenn das Volumen der Semi-Nachfrage abflacht, werden viele dieser Unternehmen davon profitieren, dass der Wunsch nach kleineren, schnelleren Chips weiter wachsen werde.

Von diesem Trend dürften die Schweizer Firmen VAT oder Comet profitieren. Die ebenfalls diesem Sektor angehörenden AMS-Osram kommen für konservativere Anleger mit einem Wachstumsfokus im Moment nicht in Frage. Letzte Woche hat das hoch verschuldete Unternehmen angekündigt, sich für 800 Millionen Euro neues Eigenkapital zu beschaffen. Bis 2025 soll die Verschuldung auf ein normales Niveau zurückgebildet werden. 

Thomas Daniel Marti
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