Seit 20 Jahren veröffentlicht das Journal des Massachusetts Institute of Technology eine Auswahl jener zehn Technologien, die im laufenden Jahr die Welt oder zumindest einen Teil davon verändern könnten. Die Liste der "Breakthrough Technologies 2020" prognostizierte vor einem Jahr zum Beispiel wichtige Durchbrüche beim Quantencomputer (korrekt), mehr Artificial Intelligence im Handy (korrekt) oder den Bau grosser Satelliten-Netze im All (zweifelhaft).

Im Jahr 2019 übernahm Bill Gates die Aufgabe, die "Breakthrough Technologies" zu benennen – und er setzte unter anderem fleischlose Burger, personalisiertere Krebsmedikamente und Mini-AKWs auf die Liste. Dieses Jahr ist das Thema Spracherkennung gross.

Nun ist die neue Auswahl der MIT-Jury erschienen. Dabei erstaunt es wenig, dass die Corona-Pandemie sie eingefärbt hat. Hier die zehn Felder, wo mit wichtigen Durchbrüchen gerechnet wird.

Boten-RNA-Impfstoffe

Die Impfstoffe gegen das Coronavirus basieren auf Boten-RNA, einer Technologie, an der schon seit rund 20 Jahren gearbeitet wird. Bei diesem Verfahren werden auf eine neue Art Proteine im Genmaterial des Menschen aufgebaut und können dann als Impfstoff eingesetzt werden. 

Als die Covid-Pandemie im Januar 2020 begann, wandten sich mehrere Biotech-Firmen rasch diesem Verfahren zu, um potenzielle Impfstoffe zu finden. Ein weiterer Bereich könnte die Bekämpfung von Krebserkrankungen sein. 

Deep Learning für ausführliche Texte

Generative Pre-trained Transformer 3, kurz GPT-3, ist ein Sprachmodell, das Deep Learning verwendet, um Texte zu erzeugen. GPT-3 ist bei weitem das sprachgewandteste Tool von allen. Es lernt dabei aus tausendsten von Büchern und dem grössten Teil des Internet. Die "MIT Technology Review" hat schon einmal über die Fähigkeit von GPT-3 berichtet, Texte so zu verfassen, als wären sie von einem Menschen geschrieben worden. 

Trotzdem gibt es kritische Stimmen – vor allem zum CO2-Ausstoss durch die nötige hohe Rechenleistung. Zudem speist sich das Modell mit Informationen aus dem Internet, die oft fehlerhaft und mit Vorurteilen gespickt sind. 

Algorithmen für TikTok

Tiktok unterscheidet sich vor allem mit einer Funktion von den anderen Sozialen Netzwerken: dem "For you"-Feed. Er entscheidet über Erfolg oder Misserfolg, über Ruhm und Status. Dabei gelingt es TikTok auch sehr genau, relevante Inhalte an Nischengemeinschaften weiterzuleiten, die ein gemeinsames Interesse teilen.

Dieser Algorithmus, den die Nutzer auf so unterschiedliche Art neue Inhalte entdecken lassen, ist einer der Erfolgsfaktoren von TikTok. Andere Soziale Netzwerke versuchen nun fieberhaft, ähnliche Funktionen zu erschaffen. 

Festkörper-Lithium-Batterie

Elektroautos sind auf dem Vormarsch, aber kämpfen noch immer mit der Reichweite. Und diese ist von den Lithium-Ionen-Batterien abhängig. Das Startup QuantumScape aus dem Silicon Valley hat nun eine Batterie entwickelt, welche die Reichweite eines Elektroautos um 80 Prozent erhöhen könnte – und sich schnell wieder aufladen lässt.

Das Unternehmen soll inzwischen bereits 23 Milliarden Dollar wert sein. Das Startup hat einen Vertrag mit VW, der besagt, dass bis 2025 Elektroautos mit diesem neuen Batterietyp verkauft werden sollen. 

Neuer Umgang mit Daten

Tech-Riesen wie Facebook stehen wegen Datenklau in der Kritik. Auch in der Schweiz ist das Thema zunehmend akut: Wem gehören unsere Daten? Uns – oder bestimmten Unternehmen?

Vielleicht gibt es auch andere Antworten – die der Datentrusts. Die Idee kam vor allem auch in den USA auf, und zwar konkret mit der Frage, wem die Daten aus einem Auto gehören. Dem Besitzer oder dem Hersteller?

Ein Datentrust ist eine unabhängige, juristische Person, welche die persönlichen Daten von Menschen sammelt und verwaltet. Die Idee ist noch neu, die Strukturen unklar, aber immerhin zeigt es einen neuen Ansatz im Bereich Datenschutz und Sicherheit. Sie könnte 2020 neuen Schub bekommen, so die Jury der "Breakthrough Technologies".

Wasserstoff wird günstiger

Wasserstoff war schon immer ein möglicher Ersatz für fossile Brennstoffe. Er verbrennt sauber und stösst kein Kohlendioxid aus – und in flüssiger Form kann er als Benzin- oder Dieselersatz dienen. Ein Nachteil ist aber unübersehbar: Wasserstoff wird aus Erdgas hergestellt. Das benötigt ebenfalls viel Energie und ist schmutzig. 

Jetzt könnte sich das aber rasch ändern, weil die Kosten zur Herstellung von Solar- und Windenergie drastisch gesunken sind. Damit lässt sich Wasserstoff günstiger herstellen. Dabei gibt es auch in der Schweiz Forschungsprojekte, etwa an der Hochschule Luzern.

Digitales Contact-Tracing

Contact-Tracing ist eines der Mittel, die beim Kampf gegen die Pandemie eingesetzt werden. Ist jemand positiv, können alle Personen, die Kontakt mit der infizierten Person hatte, informiert werden. Doch auch das gab es Diskussionen rund um die Privatsphäre. 

Wie die jüngste Entwicklung gezeigt hat, konnte das Contact-Tracing die Verbreitung von Covid-19 nur schwer stoppen. Die "Technology Review" zieht nun ein Fazit für 2021: Investitionen und Entwicklungen ins digitale Contact Tracing muss ein wichtiges Feld der Forschung und des politischen Engagements sein.

Metergenaue GPS-Positionierung

Wir alle nutzen GPS jeden Tag. Doch während das heutige GPS auf 5 bis 10 Meter genau ist, gibt es mittlerweile Messungen, die auf den Zentimeter genau sind. Sie sollen künftig bei der Warnung vor Erdrutschen über Lieferroboter bis hin zu selbstfahrenden Autoseingesetzt werden, so die MIT-Publikation.

Und liefert dazu auch ein Beispiel: Chinas globales Navigationssystem BeiDou wurde im Juni 2020 fertiggestellt. Es bietet eine Positionsgenauigkeit von 1,5 bis zwei Metern für jeden auf der Welt an. Mit Hilfe von bodengestützten Erweiterungen kann es sogar bis auf Millimeter genau bestimmen.

Remote Work im Medizinbereich

Die Covid-Pandemie hat die Menschen sehr schnell gezwungen, auf Homeoffice oder Remote Work umzusteigen. Eine Bedeutung werde das Thema Remote Work nun im Gesundheitswesen, prophezeien die Experten des MIT. Ein Beispiel: Die medizinische Fernversorgung habe in afrikanischen Ländern wie Uganda während der Pandemie viele Menschenleben gerettet. 

Multi-Tasking-KI

Obwohl seit Jahren darüber berichtet wird, wie Künstliche Intelligenz unseren Alltag umkrempeln wird, hat die Technologie den Durchbruch noch nicht wirklich geschafft. Das ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass KI und Roboter in neuen Umgebungen nach wie vor schwerfällig sind. 

Nun versuchen Forscher einen anderen Weg zu gehen: Sie möchten die Sinne von KI erweitern – und sie nicht nur hören, sondern auch sehen und sogar riechen lassen. Die Idee: Ein Roboter, der sehen, fühlen und hören kann, entwickelt auch eher eine menschenähnliche Intelligenz. 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Handelszeitung unter dem Titel: "«Breakthrough Technologies»: 10 bahnbrechende Technologien für das Jahr 2021"