Tesla steht dieser Tage im Fokus: Letzte Woche verkündete Chef Elon Musk die Pläne für eine Fabrik in Deutschland,  heute Freitag präsentiert der Konzern ein neues Automodell. Wie bewerten Sie die Aussichten für den US-Elektroautohersteller?

Analog zur gesamten Autobranche ist der Ausblick von Tesla unseres Erachtens mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Der Markt für Elektroautos wird von Tag zu Tag kompetitiver. Es ist nach wie vor unklar, ob Tesla in der Lage sein wird, nachhaltig profitabel zu arbeiten. Zwischenzeitlich ausgewiesene Gewinne wie im vergangenen Quartal sind Momentaufnahmen, die man nicht überschätzen sollte. Das Unternehmen hat nach wie vor einen massiven Kapitalbedarf, und mögliche Probleme bei der Kapitalbeschaffung sind für Tesla ein echtes Risiko. Insbesondere wenn sich das Kapitalmarktumfeld – beispielsweise aufgrund einer Rezession – deutlich verschlechtern würde, könnte die Aktie massiv unter Druck geraten.  

Die ganze Autoindustrie steckt in der Krise. Was heisst das für Schweizer Zulieferer, beispielsweise Georg Fischer?

Die Automobilindustrie steht vor einer ganzen Reihe von strukturellen Herausforderungen. Insbesondere der Übergang zur E-Mobilität schafft erheblichen Investitionsbedarf. Hinzu kommt die Entwicklung von Fahrerassistenzsysteme und der gesamte Themenkomplex autonomes Fahren, was ebenfalls mit erheblichem Investitionsbedarf verbunden ist. Auch die Folgen der zunehmenden Digitalisierung der Mobilität ist für die Autoindustrie nicht vollständig absehbar. Selbstverständlich sind diese Trends nicht nur mit Risiken, sondern auch mit Chancen verbunden, aber zurzeit sorgen steigende Investitionen für Margendruck und Unsicherheit. Das dürfte sich in den kommenden Jahren auch nicht ändern. Gleichzeitig schwächt sich die globale Nachfrage nach Autos seit einiger Zeit ab. Die Autokonjunktur schwächelt, und die Zuliefererindustrie wird sich hiervon kaum abkoppeln können. Georg Fischer sollte sich aber im Vergleich zu anderen gut schlagen. Zum einen hat das Unternehmen die Abhängigkeit vom Automobilgeschäft reduziert, und zum anderen hat sich Georg Fischer schon früh im Bereich Elektromobilität und Leichtbauteile positioniert. Insgesamt ist es aus unserer Sicht aber trotz günstiger Bewertungen zu früh, um Autoaktien zu kaufen.

Bald beginnt das Börsenjahr 2020. Welchen drei Schweizer Unternehmen trauen Sie eine besonders gute Entwicklung zu – und von welchen drei Titeln raten Sie ab?

Am Schweizer Aktienmarkt gefallen uns LafargeHolcimHelvetia und Vontobel. Bei LarfargeHolcim sehen wir attraktive Wachstumsperspektiven, die noch nicht im Aktienkurs berücksichtigt sind. Bei Helvetia überzeugt uns das defensive Geschäftsmodell und die verhältnismässig stabile Geschäftsentwicklung.  Vontobel ist eine gut diversifizierte Privatbank mit überzeugender Positionierung in den jeweiligen Kerngeschäftsfeldern und attraktiver Dividendenrendite. Vorsichtig sind wir dagegen bei Dufry. Das Unternehmen leidet unter anderem unter negativen strukturellen Trends, wie die bessere Preistransparenz für Kunden mit Gratisinternet am Flughafen oder der anhaltende Mietpreiswettbewerb für attraktive Convenience-Lagen. Die Aktie dürfte weiterhin unter Druck bleiben. Auch die Credit Suisse-Aktie sehen wir kritisch. Banken leiden allgemein unter den Negativzinsen und die CS hat zudem einen schwierigen Stand im Investmentbanking. Swisscom sehen wir ebenfalls skeptisch. Das Unternehmen dürfte weiterhin unter dem hohen Wettbewerbsdruck im Heimatmarkt leiden. Die Bewertungsprämie gegenüber vergleichbaren ausländischen Unternehmen ist vor diesem Hintergrund aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt.

Mit Staatspapieren wie US-Treasuries, Bundesanleihen oder "Eidgenossen" lässt sich kein Geld verdienen. Welche Bonds von Schwellenländern bieten noch eine attraktive Rendite? Und was müssen Anleger bei solchen Investitionen beachten?

Anleihen von Schwellenländer-Unternehmen bieten gegenüber Unternehmensanleihen der Industriestaaten einen leichten Renditevorteil bei einer durchschnittlich tieferen Verschuldung. Den Fokus sollte man auf Unternehmen legen mit Dollar-Einnahmen, also eher auf Rohstoff-Exporteure aus Lateinamerika als auf Energieversorger in Südafrika. Allerdings muss man bei den Schwellenländern den Vorbehalt anbringen, dass der Markt gegen Jahresende immer dünner wird, und Kurssprünge wie im letzten Dezember nie ganz auszuschliessen.

Patrik Lang ist Leiter Aktien & globale Aktienstrategie bei der Bank Julius Bär.

Das Interview erschien zuerst bei handelszeitung.ch mit dem Titel: «Tesla hat nach wie vor einen massiven Kapitalbedarf»