Am 12. April nahm Stadler Rail den ersten Handelstag an der Schweizer Börse mit einem Kurs von 42 Franken in Angriff. Das war bereits ein grosser Erfolg, weil der Zuteilungspreis bei deutlich tieferen 38 Franken lag. Banken berichteten, dass es viel zu wenige Aktien gebe und nicht alle, die Interesse angemeldet hatten, auch die erwünschte Zuteilung bekamen (cash berichtete).
Doch die erste Anfangseuphorie - die häufig bei Börsengängen zu beobachten ist - ist knapp ein Monat später etwas verflogen. Inzwischen notiert die Aktie wieder bei 42 Franken, wie schon am ersten Handelstag. Mehr seitwärts geht nicht. Und nimmt man den Schlusskurs des ersten Handelstages als Massstab, als die Aktie 13 Prozent zulegte, dann hat Stadler bis heute gar 2,5 Prozent an Wert eingebüsst:
Kursentwicklung Stadler-Aktie seit dem Börsengang am 12. April 2019, Quelle: cash.ch
Ein Käufer der ersten Stunde ist Tim Schläpfer, Fondsmanager bei 3V Asset Management: "Wir haben am Stadler-IPO teilgenommen und sind weiterhin investiert", sagt er auf cash-Anfrage. Die Position mache derzeit rund drei Prozent des "3V Invest Swiss Small & Cap Fonds" aus. Dieser Fonds spezialisiert sich auf eher kleinere SPI-Aktien, die grössten Positionen sind derzeit Logitech und VAT. "Stadler ist eine Langfriststory für uns, es handelt sich um eine qualitativ gute Anlage", fügt Schläpfer an.
In der Tat liefert Stadler einige Kaufargumente: Die Wachstumsaussichten sind hervorragend, Trends wie zunehmende Urbanisierung, Bevölkerungswachstum und Umweltschutz kommen dem Zughersteller zu Gute. Das Unternehmen will den derzeitigen Umsatz von 2 Milliarden Franken (Gesamtjahr 2018) bis 2020 verdoppeln. Bis dann soll auch die Gewinnmarge (Stufe EBIT) innerhalb der mittelfristig angestrebten Zielspanne von 8 bis 9 Prozent liegen, vergangenes Jahr waren es noch 7,5 Prozent. Hinzu kommt eine grosszügige Dividendenpolitik: Anleger dürfen zum aktuellen Kurs eine Rendite von über 3 Prozent erwarten.
Aktie ist teuer - oder doch nicht?
Doch das alles ist bereits im Kurs eingepreist, findet die Bank Julius Bär, die vergangene Woche mit einem "Hold" und einem Kursziel bei 44 Franken als erste Bank überhaupt ein Analystenurteil zum Zughersteller lieferte. Die Analystin ortet auch Schwächen: Im wichtigen Bereich der Signaltechnologie sei Stadler erst spät eingestiegen - mit entsprechender Gefahr eines Scheiterns. Ausserdem stelle die grosse Abhängigkeit von Peter Spuhler ein Klumpenrisiko dar. Spuhler ist Firmenpatron, VR-Präsident und besitzt rund 40 Prozent der Aktien.
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Anders schätzt Schläpfer von 3V Asset Management die Situation bei Stadler ein, der das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis von geschätzten 20 als "angemessen" bezeichnet. "Aufgrund der steigenden Profitabilität, der gesunden Bilanz und der hohen Visibilität des Umsatzwachstums ist eine gewisse Prämie zu anderen Firmen gerechtfertigt", so der Fondsmanager.
Dennoch sieht auch Schläpfer Handlungsbedarf bei Stadler. So sei das Aftermarket-Geschäft, dabei handelt es sich um Leistungen wie Reparatur, Wartung oder Nachrüstungen, noch anteilsmässig tief. Zudem seien bei der Aktie starke Kursschwankungen möglich, da Stadler stark von einzelnen Grossaufträgen abhänge. Ende März hat der Zughersteller etwa einen Auftrag in den USA von 600 Millionen Dollar an Land gezogen. Fallen umgekehrt solche Aufträge weg, kann der Kurs auch einmal tauchen.
Kurstreiber gesucht
Anleger müssen auf positive Impulse hoffen. Solche könnte es durchaus geben: Etwa wenn weitere Analysten die Abdeckung der Aktie aufnehmen (und diese positiv bewerten), wenn Stadler einen neuen Grossauftrag vermeldet oder wenn eine wertsteigernde Akquisition getätigt wird. Bleiben diese Impulse aus, so verbleiben die Zahlen zum ersten Halbjahr als nächster potenzieller Kurszünder.
Alles in allem übersteigen bei Stadler die Chancen die Risiken, die Firma ist ausgezeichnet positioniert. Nichtsdestotrotz eilt ein Einstieg nicht, zumal der noch ungelöste Handelskrieg und die generelle Konjunktureintrübung die Aktienmärkte weiter verunsichern könnte. Spätestens aber, wenn die Stadler-Aktie in eine Schwächephase geraten sollte, ist ein Zukauf durchaus empfehlenswert.