"Ist der Weg frei für 10'000 Punkte?" Das war die Frage, die sich Schweizer Anleger zu Beginn des Jahres noch stellten. Am 9. Januar war der Swiss Market Index (SMI) auf ein neues Allzeithoch bei 9616 Punkten geklettert, läppische 4 Prozent fehlten noch zur 10‘000-Punkte-Hürde.

Die cash-Leser waren zuvor schon guten Mutes: In einer Umfrage am 21. Dezember 2017 mit fast 5‘500 Teilnehmenden sahen 36 Prozent den SMI Ende 2018 bei über 10‘000 Punkten. Weitere 30 Prozent bei zwischen 9500 bis 10‘000 Punkten (zum Artikel).

Auch die Experten waren mehrheitlich positiv für den weiteren Kursverlauf: 5 bis 10 Prozent Rendite traute etwa die Vermögensverwalterin Belvalor dem SMI im Jahr 2018 zu, die Helvetische Bank sah einen ähnlichen Anstieg voraus. Technische Analysten der Zürcher Kantonalbank sprachen von einem bestätigten Aufwärtstrend, 10‘000 Punkte lägen drin. Doch es kam bekanntlich anders für den Leitindex - zumindest im ersten Halbjahr 2018:

SMI-Kursentwicklung seit Jahresbeginn, Quelle: cash.ch

Enttäuschende Minus 9 Prozent Performance sind es seit Jahresstart. Aktuell dümpelt der SMI um die 8500 Punkte vor sich hin - mit Ausschlägen nach unten sowie oben. Und: Der SMI ist ganze 17 Prozent von den cash-Lesern erhofften 10'000 Punkten entfernt.

Verschiedene Faktoren verunsichern die Börsen in diesem Jahr: Etwa die leichte globale Abschwächung des Wirtschaftswachstums, der leicht beschleunigte Zinsanstieg der US-Notenbank oder der Handelskonflikt der USA mit China und Europa.

Flinte noch nicht ins Korn werfen

cash fragte bei den Experten nach, die zu Jahresbeginn eine Prognose gemacht hatten. Ist der Optimismus beim SMI bereits Mitte Jahr verflogen? "Es ist viel zu früh, die Flinte ins Korn zu werfen", sagt Thomas Della Casa, Anlagechef der Helvetischen Bank. Das Umfeld für Aktien sei weiterhin gut, die Attraktivität gegenüber festverzinlichen Anlagen noch immer sehr hoch. "Wir befinden uns in einem nach wie vor für Aktien guten Fahrwasser, in dem die Unternehmen gut gemanagt sind und Spätzykliker erst noch von stärkerem Wachstum profitieren werden."

Das sieht auch Peter Bänziger, Anlagechef von Belvalor, so. Er betont auch die starke Abhängigkeit des SMI von den drei Schwergewichten Novartis, Roche und Nestlé, die zusammen rund 55 Prozent des Leitindex ausmachen und bisher im Jahresverlauf eine enttäuschende Kursentwicklung erleben. In der Tat ist die Performance der Small und Mid Caps deutlich besser: Der SPI Extra - er klammert alle 20 SMI-Firmen aus - liegt seit Jahresstart sogar 2 Prozent im Plus.

Die Frage nach dem weiteren Kursverlauf des Leitindex ist also in erster Linie eine Frage nach dem Zustand der drei Schwergewichte. Und hier könnte eine Erholung einsetzen, zumindest wenn es nach Peter Bänziger geht: "Die Schwergewichte sind inzwischen günstig, allen voran Roche", so der Anlageexperte. Auch die Research-Abteilung der Credit Suisse erwartet vom Schweizer Markt eine Überperformance aufgrund einer starken Unterbewertung, vor allem bei defensiven Sektoren wie Pharma. 

Gerade diesen Juni ist der Genussschein von Roche auf ein neues Fünfjahrestief bei 206 Franken gefallen. Mit einer Dividendenrendite von nahe 4 Prozent und einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis 2019 von 14 scheint der Titel günstig. Doch ist die künftige Performance umstritten: Die Patente von gleich drei Schlüsselmedikamenten laufen ab. Gewinn- und Umsatz müssen durch junge Präparate wie Ocrevus oder Tecentriq aufgefangen werden. Ob dies gelingen wird, ist unklar. Von 31 abdeckenden Analysten raten 15 zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 257 Franken, aktuell sind es 219 Franken.

Die neue Realität

Aber wo liegt die neue Realität beim SMI? "Wir können an der Schweizer Börse im Jahr 2018 noch auf eine schwarze Null kommen", so Bänziger von Belvalor. Allerdings erwartet er diese nur für den dividendenbereinigten SMIC. "Der SMI dürfte leicht im roten Bereich bleiben."

Etwas optimistischer ist Remo Rosenau, Leiter Reseach bei der Helvetischen Bank: "Wenn sich der Handelskonflikt nicht verschärft, wovon wir ausgehen, rechnen wir damit, dass der SMI die 2018 erlittenen Verluste wieder aufholen wird und Ende Jahr sogar noch etwas höher schliessen könnte als im Vorjahr."

Wie schon zu Jahresbeginn trauen die Börsenauguren dem Leitindex bis Jahresende eine Performance von bis zu 10 Prozent zu. Nur hätten plus 10 Prozent zu Jahresbeginn noch 10'450 Punkte bedeutet. Heute sind das gerade noch 9450 Punkte.