Nun packt er sie also aus, die Bazooka. Mario Draghi und sein Team von der Europäischen Zentralbank (EZB) wollen ab heute Montag die Finanzmärkte mit 60 Milliarden Euro pro Monat fluten und Staatsanleihen aufkaufen. Laufen soll das "Quantitative Easing" (QE) genannte Programm bis mindestens Ende September 2016. Das ergibt eine Schlagkraft von 1140 Milliarden Euro.

Das Ziel dieser Geldschleuder: Das Deflationsgespenst aus der Euro-Zone vertreiben und das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Doch wird das Geld auch effektiv in der Realwirtschaft ankommen? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Der Grossteil der Beobachter geht davon aus, dass Anleihenkaufprogramme einen positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben.

Weil die Renditen auf Staatsanleihen mittlerweile sehr tief sind, dürften institutionelle Investoren diese Papiere an die EZB abgeben. "Dann strömen sie in den Markt für Unternehmensanleihen jeglicher Qualität", sagt Michael Odermatt vom Bonds-Spezialisten Helvinvest zu cash. So bekommen Emittenten einfacheren Zugang zu Kapital, womit die EZB-Milliarden indirekt in der Realwirtschaft ankommen.

Die Börsen freuts

Skeptischer ist Thomas Della Casa. Der Anlagechef der Neuen Helvetischen Bank bezweifelt, dass die EZB monatlich Staatsanleihen für 60 Milliarden Euro auftreiben kann. "Wenn die Banken Staatsanleihen an die EZB verkaufen, kommen sie in einen Anlagenotstand", sagt Della Casa. Abgesehen vom QE hat sich die Stimmung in der Euro-Zone bereits etwas aufgehellt. Della Casa rechnet mit einem Wachstum von wenig über 1 Prozent.

Während die Auswirkungen auf die Realwirtschaft also noch unsicher sind, ist eines klar: Die Aktienmärkte freuen sich auf das frische Zentralbankengeld. Schon seit der Ankündigung des QE sind die europäischen Börsen im Aufwind. So klettert der deutsche Leitindex Dax von Rekord zu Rekord, der französische CAC 40 steht so hoch wie zuletzt 2008 und der spanische IBEX 35 hat im laufenden Jahr schon mehr als 7 Prozent dazugewonnen.

Das wird auch in Zukunft so sein. Zahlreiche Aktienprofis haben sich jüngst für europäische Aktien ausgesprochen. Investoren-Legende George Soros ist nur einer von ihnen. Er baut in seinen Fonds US-Aktien zugunsten europäischer und asiatischer Titel ab (eine ausführliche Auswahl europäischer Aktien für die EZB-Geldschwemme finden Sie hier).

Anleger können aber auch über sogenannte Tracker-Zertifikate an der quantitativen Lockerung teilnehmen. Ein CS-Produkt setzt beispielsweise auf auf Axa, BNP Paribas, Commerzbank oder Siemens.

Was kommt auf den Franken zu?

Für Schweizer Aktien ist die Ausgangslage indes weniger klar. Von einer anziehenden Konjunktur in Europa dürften grundsätzlich die grossen internationalen Firmen wie Nestlé, Givaudan, Roche oder Novartis profitieren. "Kleinere Exportunternehmen werden hingegen weiterhin Mühe bekunden, wenn der Franken rund 12 Prozent stärker bleibt als noch vor der Mindestkursaufgabe", sagt Anlageprofi Della Casa.

Damit kommt ein weiterer Faktor ins Spiel: Die Wechselkursverhältnisse. Gemeinhin wird angenommen, dass die Euro-Schwemme die Gemeinschaftswährung schwächen wird, was Schweizer Firmen mit grossem Euro-Exposure vor Probleme stellt. Andere Stimmen gehen davon aus, dass eine stärkere Euro-Wirtschaft positiv für den Euro ist.

"Das dürfte auf lange Frist Stabilität in den Euro-Franken-Kurs bringen oder sogar eine Abschwächung des Frankens zur Folge haben", sagt Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank zu cash.

Einige Schweizer Exportunternehmen haben bereits auf die Frankenstärke reagiert. Georg Fischer hat in den vergangenen Wochen Schlagzeilen geliefert, weil wegen der Frankenstärke die Arbeitszeit auf 44 Stunden erhöht wird. Mit seinem hohen Umsatzanteil in Europa ist der Schaffhauser Hersteller von Rohrsystemen, Autoteilen und Werkzeugmaschinen aber auch in einer guten Position, wenn sich die Wirtschaftsdaten in der Eurozone verbessern sollten.

In ähnlicher Lage befinden sich Industriefirmen wie SGS, Huber + Suhner, AFG Arbonia Forster oder in der Medizinaltechnik Ypsomed. Mehr als die Hälfte des Umsatzes in europäischen Ländern erreicht auch Straumann, wo nach dem SNB-Untergrenze-Entscheid zwischenzeitlich um eine Euro-Bezahlung von Grenzgängern diskutiert wurde.

Die grossen Verlierer

Das Beste aus beiden Welten scheint der Stellenvermittler Adecco zu vereinen. Er reagiert in der Regel positiv auf Wirtschaftswachstum, weil viele Unternehmen in einer ersten Phase des Aufschwungs temporäre und nicht permanente Stellen schaffen. Zudem bilanzieren die Westschweizer in Euro.

Wer definitiv zu den Verlierern zählt, sind die Sparer. Da die Minizinsen nun auf Jahre hinaus zementiert sind, verlieren sie bares Geld. Und noch etwas monieren Kritiker. Euro-Krisenländer wie Spanien, Italien oder Frankreich werden noch lange an billiges Geld kommen – praktisch zum Nulltarif. "Somit können sie wichtige Reformen verdrängen", sagt Bonds-Spezialist Michael Odermatt.