"Sie wollen die Umsetzung der strategischen Vorgaben stärker im Blick haben", sagt eine Person mit Kenntnis der Vorgänge der Nachrichtenagentur Reuters. Der künftige Konzernchef Oliver Blume - Wunschkandidat des Porsche-Piech-Clans - solle mehr Augenmerk auf das operative Geschäft legen als sein Vorgänger.

Blume wird den Wolfsburger Mehrmarken-Konzern vom 1. September an neben seinen Aufgaben als Porsche-Chef führen. Investoren-Kritik an der Doppelrolle perlt an den Grossaktionären ab. Sie sehen dadurch auch nicht den Erfolg des geplanten Börsengangs von Porsche gefährdet.

Blume soll Börsengang vorantreiben

Blume soll vielmehr dafür sorgen, dass der Gang aufs Börsenparkett trotz der Bedenken umgesetzt wird. Denn das ist ein wichtiges Projekt für den Porsche/Piech-Clan. "Die Struktur des Börsengangs erfüllt vor allem das Interesse der Familien, ihre Kontrolle über Porsche weiter zu zementieren. Von diesem Plan werden sie sich nicht abbringen lassen." sagt Hendrik Schmidt, Experte für Unternehmensführung bei der Fondsgesellschaft DWS, die sowohl bei Volkswagen als auch bei der Porsche Holding investiert ist. Geplant ist, dass die Familien eine Sperrminorität bei dem Sportwagenbauer erhalten, den Ferdinand Porsche 1931 gründete.

"Die Familien mischen tatkräftig mit - etwas, das ihnen lange abgesprochen wurde", konstatiert eine weitere Person aus dem Unternehmensumfeld. Das sei bei der Neubesetzung der Konzernspitze deutlich geworden, die Familien hätten hier ihren Einfluss geltend gemacht.

Sie hätten schliesslich erkannt, dass man Diess zu lange habe gewähren lassen. Der impulsive, oft unberechenbare Volkswagen-Chef hatte in den vergangenen zwei Jahren mehrfach vor der Entlassung gestanden, weil er mit dem Betriebsrat über Kreuz lag und das Management nicht in Entscheidungen einband. Auch das an Volkswagen beteiligte Land Niedersachsen war von Diess abgerückt.

Der 63-Jährige konnte sich lange nur halten, weil die Familien ihre Hand schützend über ihn hielten. Zuletzt mehrten sich Insidern zufolge jedoch auch bei ihnen die Zweifel, ob er noch der Richtige sei, um die von ihm angestossenen zahlreichen Veränderungen auch umzusetzen. Daraufhin senkte der Aufsichtsrat den Daumen.

«Bankrotterklärung des Aufsichtsrats»

Blume soll den von Diess angestossenen Wandel zu einem führenden Mobilitätsdienstleister nun in ruhigeres Fahrwasser führen, so der Wunsch der Familien. "Es gibt Unternehmen, in denen die Transformation ruhiger verläuft", sagt einer der Insider.

Bei Volkswagen mit seinen widerstreitenden Interessengruppen wurden Konflikte unter Diess öffentlich ausgetragen. Auch das soll sich mit Blume ändern. Investoren und Branchenexperten stossen sich jedoch daran, dass der Porsche-Chef künftig zwei Hüte tragen soll. Auch intern gibt es in dem mit seinem Haupteigner eng verflochtenen Unternehmen Zweifler: "Reicht ein Chef für zwei börsennotierte Unternehmen?" fragt ein Manager.

Experten für Corporate Governance formulieren zum Teil deutliche Kritik: Die Regeln guter Unternehmensführung würden bei dem familiendominierten Volkswagen-Konzern seit Jahrzehnten ignoriert, sagt Manuel Theisen, emeritierter BWL-Professor an der Universität in München, der auf solche Fragen spezialisiert ist. "Die Ernennung von Blume ist eine Bankrotterklärung an die Personalpolitik des Aufsichtsrats. Es erfolgt keine Abstimmung. Es folgt einfach der nächste Schüler der Familien Porsche und Piech, der in eine unmögliche Situation reingepflanzt wird." Einen globalen Autokonzern zu führen wie in einem Nebenjob, und parallel einen Börsengang vorzubereiten, sei kaum möglich.

«Das zentrale Motiv ist Macht»

Porsche hält Vorwürfe mangelnder Transparenz für unbegründet. Sowohl Volkswagen als auch die börsennotierte Holding, über die die Familien 53,3 Prozent der Stimmen an dem Konzern halten, hätten schon vor Jahren Regeln eingeführt, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden, sagt ein Sprecher. An wichtigen Entscheidungen seien dutzende Juristen beteiligt, die dafür sorgten, dass betroffene Manager mit Doppelfunktionen bei Sitzungen den Raum verliessen. Von Volkswagens Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, der auch den Vorstand der Porsche SE leitet, ist bekannt, dass er bei Abstimmungen den Raum verlässt, bei denen er befangen sein könnte.

Doch das hat die Kritik nicht verstummen lassen. "Wir haben den grössten europäischen Autokonzern und eine Reihe von Grossaktionären, die ihrer Verantwortung nicht nachkommen", fasst Theisen zusammen. Die Familien ordneten dem Börsengang von Porsche alles andere unter. Ihnen sei auch egal, ob das Unternehmen 60 oder 80 Milliarden Euro wert sei. "Das zentrale Motiv ist Macht." 

(Reuters)