Spitzenbanker von Deutscher Bank bis ABN Amro sagen für nächstes Jahr eine Rezession voraus, die sie mit faulen Krediten belasten könnte. Die europäische Aufsicht warnt davor, dass systemrelevante Restrisiken eintreten könnten. Im Hintergrund erinnern einige Aufseher die Banken schon nachdrücklich an die Notwendigkeit der Kapitalerhaltung.
"Wir haben die Bedingungen für einen perfekten Sturm" im nächsten Jahr, sagte diese Woche Raimund Röseler, der Chef der Bankenaufsicht bei der deutschen Finanzaufsicht Bafin.
Der neue Tonfall entsteht vor dem Hintergrund der steigenden Energiepreise, die Unternehmen in den Ruin zu treiben drohen, und der galoppierenden Inflation, die die Verbraucher in Bedrängnis bringt. Bisher profitieren die europäischen Banken noch von steigenden Zinsen und volatilen Märkten, die die Handelsumsätze in die Höhe getrieben haben. Doch in den Vorstandsetagen von Frankfurt bis Amsterdam wächst die Erkenntnis, dass beides auch eine Kehrseite hat.
Das Konjunkturrisiko ist in Europa besonders ausgeprägt, weil sich die Kosten für die Unterbrechung der russischen Gaslieferungen schnell summieren. Bloomberg Economics prognostiziert jetzt einen Rückgang der Wirtschaft in der Eurozone um etwa 1 Prozent, beginnend im vierten Quartal. Der Einbruch könnte sich auf bis zu 5 Prozent ausweiten, wenn es zu einem strengen Winter kommt und Brennstoffe in der Union wirklich knapp werden. Das wäre in etwa so tief wie die Rezession von 2009.
Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB), ein Gremium zur Überwachung von Finanzrisiken unter dem Vorsitz von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, hat am Donnerstag den beispiellosen Schritt unternommen, eine "allgemeine Warnung" auszusprechen. Eine Vielzahl negativer Ereignisse habe erhebliche Gefahren für die Finanzstabilität ausgelöst, etwa ein drastischer Preisverfall bei Vermögenswerten und geringere Gewinne der Banken.
Zunahme der Rückstellungen für faule Kredite
Der ESRB habe "eine Reihe schwerwiegender Risiken für die Finanzstabilität festgestellt", die "gleichzeitig eintreten könnten, wodurch sie sich gegenseitig beeinflussen und ihre Auswirkungen verstärken", heisst es dort. Die "jüngsten geopolitischen Entwicklungen" hätten die Wahrscheinlichkeit von "Tail-Risk-Szenarien" noch erhöht. Banken sollten sicherstellen, dass "die Rückstellungspraktiken und die Kapitalplanung den erwarteten und unerwarteten Verlusten angemessen Rechnung tragen".
Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hatte am Mittwoch geunkt, es werde "in den nächsten 12 Monaten zu einer tieferen Rezession in Deutschland und Europa" kommen. Er erwarte eine Zunahme der Rückstellungen für faule Kredite. Sewings Amtskollege der ABN Amro, Robert Swaak, schlug einen ähnlichen Ton an und sagte am Dienstag eine Rezession in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres voraus. "Der Inflationsdruck ist das, worüber sich alle Sorgen machen", sagte er.
Beide Banken profitieren derzeit noch von den höheren Zinsen, die die Einnahmen aus dem Kreditgeschäft steigern. Sewing pries die Dynamik in diesem Quartal und bestätigte sein Rentabilitätsziel. Die italienische UniCredit konnte ihre Prognosen sogar "deutlich anheben", wie CEO Andrea Orcel letzte Woche sagte. Und Swaak signalisierte, dass ABN Amro seine Aktionäre mit höheren Rückkäufen an den Ertragszuwächsen teilhaben lassen könnte.
Gerade solche Schritte dürften jedoch angesichts der trüben Aussichten von den Aufsichtsbehörden mit Argwohn beäugt werden. Während die EZB bisher keine Bedenken geäussert hat, schritt sie während der Pandemie ein und beschränkte Ausschüttungen, um sicherzustellen, dass die Banken ihre Kreditvergabe aufrechterhalten.
Röseler nannte Inflation und Engpässe in der Lieferkette als einige der grössten Risiken für die Wirtschaft und merkte an, dass auch die Pandemie noch nicht vorbei ist. Obwohl die deutschen Banken ohnehin zur Vorsicht neigen, werde die Bafin nicht zögern damit, ihnen einen "Stubs" zu geben, wenn sie eine noch grössere Zurückhaltung sehen will, sagte er.
(Bloomberg)