Tesla schreibt Rekordgewinne, hat jetzt aber die Preise für viele Modelle gesenkt. In der Schweiz um bis zu 10'000 Franken für ein Modell. Wie passt das zusammen?

Ferdinand Dudenhöffer: Elon Musk und Tesla sind derzeit dabei, mit Guerillamethoden beim Pricing von Elektroautos die anderen Wettbewerber auszutricksen.

Das müssen Sie erklären.

Dazu muss man wissen, dass diese enormen Gewinne nur möglich sind, weil die Produktionskosten bei Tesla relativ niedrig sind. Musk ist eigentlich ein 'Manufacturing Guy'. Zu seinen grössten Innovationen zählt die Neudefinition der Produktionsprozesse, auch als 'New Manufacturing' bezeichnet.

Was steckt dahinter?

Statt vieler einzelner Karosserieteile werden mit gigantischen Druckgussmaschinen Hinter- und Vorderteile von Fahrzeugen gegossen und gepresst. Das macht die Autoproduktion schneller und langfristig profitabler. Die vielen eingesparten Produktionsprozesse verleihen Tesla nicht gekannte Kostenvorteile beim Elektroauto. Deshalb hat Tesla letztes Jahr mit 1,3 Millionen verkauften Elektroautos Bilderbuchgewinne erwirtschaftet, die bisher kein Autobauer der Welt mit über einer Million Verkäufe pro Jahr erreichte.

Und eine Gewinnmarge von 16,8 Prozent im Jahr 2022 erzielt.

Genau. Auf ein Fahrzeug heruntergebrochen heisst das: Bei einem Umsatz oder Preis von 54 391 Dollar pro Fahrzeug, wird ein Gewinn von mindestens 9118 Dollar pro Fahrzeug erzielt.

Und wie hängt das mit den Preissenkungen zusammen?

Da die Produktionskosten so niedrig sind, hat Tesla die beste Waffe, die man sich in so einem Spiel vorstellen kann, nämlich die Preiswaffe. Mit seiner heutigen Gewinnmarge kann Tesla den Preiskrieg ausrufen. Die meisten Autobauer schreiben bei elektrischen Autos eher Verluste oder «hauchdünne» Gewinne. Und über den Preiskrieg will Tesla seine Wachstumsziele erfüllen. Da Tesla deutlich schneller als der Elektroautomarkt wachsen will, müssen die Amerikaner den Etablierten Marktanteile abjagen.

Tesla will 2030 20 Millionen Autos pro Jahr verkaufen. Ist das realistisch?

Das weiss nur der liebe Gott, aber Musk wird alles versuchen, um dieses Ziel zu erreichen. Für das Jahr 2030 erwarten wir weltweit jährlich 90 Millionen Autoverkäufe. Wenn dann 50 Prozent davon Elektroautos wären, also 45 Millionen vollelektrische Pkw verkauft würden, hätte Tesla mit seinen 20 Millionen einen Marktanteil am Elektroautomarkt von 44 Prozent. Tesla wäre damit klarer Monopolist im Elektroautogeschäft. Und das wäre nur der Beginn, denn Tesla würde dann mit seinen Kostenvorteilen Stück für Stück alle anderen fortgesetzt aus dem Markt drängen. Übrig blieben Chinesen und der eine oder andere westliche Autobauer als Nischenanbieter.

 Ferdinand Dudenhöffer

Ferdinand Dudenhöffer

Quelle: ZVG

Der Auto-Papst

Name: Ferdinand Dudenhöffer
Funktion: Direktor des CAR
Wohnort: Bochum
Familie: verheiratet
Ausbildung: Volkswirt

 

Das Unternehmen

Das «CAR – Center Automotive Research» im deutschen Duisburg ist ein privatwirtschaftliches Forschungsinstitut mit Fokus auf Fragen der Mobilität. Mit Standorten in Duisburg und Peking publiziert es Mobilitätsstudien mit Schwerpunkt auf der Automobilund Zulieferindustrie und organisiert Kongressveranstaltungen.

Andere Autobauer, Volkswagen beispielsweise, könnten ebenfalls die Preise senken.

Tesla hat den VW-Konzern mit seiner Preissenkung überrascht. Es ist eine unkonventionelle Preisaktion, so wie sie der VW-Konzern nicht umsetzen kann. Bei VW und allen anderen Autobauern gehen Preise normalerweise immer nur nach oben. Preissenkungen gibt es quasi nicht, weil dabei in Europa erhebliche Zahlungen an die Händler zum Wertausgleich der Lagerfahrzeuge fällig werden.

Wie lange kann VW diese Preisstrategie durchhalten?

Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera: Bleiben die Preise hoch und gehen die Verkäufe in den Keller, werden die Produktionskapazitäten nicht genutzt, und man rutscht kräftig in Verluste. Senkt man die Preise, läuft zwar die Produktion, aber die Autos machen miese. Meist fängt es an mit Vermieterzulassungen oder Leasingrabatten, die man öffentlich kaum wahrnimmt und dann die Fahrzeuge nach einigen Monaten als Gebrauchtwagenschnäppchen losschlägt.

In China hat Tesla die Preise auch wieder angehoben.

Es ist ein Jo-Jo-Spiel mit Preisen. Mit seinen Pricing-Methoden verunsichert Tesla seine Mitwettbewerber. Es gleicht einer Art Hase-und-Igel-Spiel, bei dem der Igel immer schon am Ziel ist, während der schnelle Hase Stück für Stück ausser Atem gerät und zusammenbricht. Wie gesagt: Tesla nutzt die Guerillataktik.

Wer könnte Tesla am ehesten Paroli bieten?

Ich halte sehr viel von den chinesischen Autoherstellern, insbesondere von BYD. Aus meiner Sicht ist Tesla nicht mehr der absolute Innovationsführer beim Elektroauto. In Bezug auf Software, autonomes Fahren und Batterieleistung erscheinen mir die Chinesen zurzeit besser.

Werden sich die Chinesen gegen Tesla durchsetzen können?

Es wird ein harter Wettbewerb zwischen den Chinesen und Tesla. Wer letztendlich gewinnt, ist offen, aber wenn ich Aktien kaufen müsste, dann wahrscheinlich von BYD. Wer verliert, ist auch klar: die traditionellen Autobauer.

Dieses Interview erschien in der Handelszeitung unter dem Titel: «Ein harter Wettbewerb zwischen den Chinesen und Tesla».