Von einer Value-Aktie sprechen Investoren, wenn der Kurs und die Bewertung eines Titels tief sind, dies aber angesichts der Umstände nicht gerechtfertigt ist. Fast zwangsweise muss der Kurs dann irgendwann steigen, weil die fundamentalen Daten dies begünstigen. 

Wenn eine Aktie aber nicht nur mit einem schlechten Kurs geschlagen ist, sondern das dahinterstehende Unternehmen grosse Schwierigkeiten hat, ist eine vermeintliche Value-Aktie in Tat und Wahrheit ein Value-Trap. Aber ob man mit dem Kauf einer Aktie in die Falle ("trap") treten wird, ist eine Frage der Interpretation. 

Bei Swatch sind in den vergangenen Monaten einige Analysten dazu übergegangen, die Aktie zum Verkauf zu empfehlen. Diese hat seit vergangenem Sommer um 40 Prozent nachgegeben, nicht zuletzt wegen des Handelsstreits USA-China. Denn in China und der zu China gehörenden Sonderverwaltungszone Hongkong verkauft der Konzern mit Marken wie Omega, Blancpain, Longines, Tissot oder Swatch die meisten Uhren. Die Verkäufe umfassen etwa 40 Prozent des Gesamtumsatzes von Swatch.

Die Zürcher Kantonalbank ist heute vom Rating "Marktgewichten" zu "Untergewichten" übergegangen, nachdem die Jahreszahlen von 2018 trotz ohnehin nicht allzuhoher Erwartungen für einiges an Enttäuschung gesorgt haben. Die Bank Vontobel behält ihr "Hold" vorerst, will aber das Kursziel überprüfen. Die gesteckten 370 Franken sind auf absehbare Zeit unrealistisch weit weg von den aktuell 287 Franken, zu denen Swatch heute gehandelt werden.

Die Swatch-Group-Inhaberaktie in den vergangenen drei Jahren: Den Tiefpunkt erreichte der Kurs Anfang August 2016. Bis Mitte Juni 2018 verdoppelte sich der Kurs. Seitdem stürzt die Aktie wieder ab: Der Wertverlust beträgt fast 40 Prozent, wobei sich wie bei zahlreichen Aktien eine kleine Erholung nach dem Jahresanfang 2019 gezeigt hat (Grafik: cash.ch).

2016 befand sich der Swatch-Kurs schon einmal auf einem Tief (siehe Grafik). Sorgen um den Hauptmarkt China hatten das Papier auf 246 Franken gedrückt. Damals hiess es: Wenn China sich erholt, geht es auch Swatch und der Swatch-Aktie wieder besser. Bewundert wurde CEO Nick Hayek, der von abrupten Sparmassnahmen absah, weder in der Produktion noch in der Werbung. Dann zogen die Verkäufe in China wieder und der Kurs der Aktie stieg. Der Value-Ansatz ging auf und beflügelte Swatch-Aktionäre lange. Aber gilt dies auch heute?

Eine Value-Aktie sollte eine gute Marktposition aufweisen, deutlich profitabel sein und über gute Gewinnaussichten verfügen. Wie zuverlässig dies von Swatch noch behauptet werden kann, ist mit Jahresergebnis 2018 zumindest in Frage gestellt. Die Prognose des Swatch-Managements, 2019 "gesundes Wachstum" zu erreichen. Dies stösst auf Skepsis: "Swatch Group ist bekannt für (zu) optimistische Prognosen", schreibt dazu die Zürcher Kantonalbank. 

Uhrenexporte klettern 2018 über Marke von 20 Milliarden Franken

Morgan Stanley rechnet vor: Im zweiten Halbjahr seien die Verkäufe um 1,1 Prozent zurückgegangen (mehr als erwartet). Die Schweizer Uhrenexporte hätten aber noch um 2,3 Prozent zugenommen. "Das deutet an, dass die Swatch Group sehr wahrscheinlich Marktanteile verloren hat", schreibt die US-Bank. Solche Urteile haben dazu beigetragen, dass die Swatch-Aktie am heutigen Donnerstag bis zu fast 8 Prozent im Kurs verloren hat. 

Befürworter der Swatch-Aktie wenden ein, dass das Unternehmen 1700 Stellen geschaffen habe und es im zweiten Halbjahr zu Lieferverzögerungen bei der Luxusmarke Omega und bei der Mittelpreismarke Longines gekommen sei: Dies zeige, wie solide der Konzern und wie beliebt die Uhren verschiedener Segmente seien. Finanzell stabil und fähig zu Investitionen ist Swatch in der Tat.

Allerdings macht zu den Absatzaussichten am Markt noch eine andere Geschichte die Runde. Nämlich, dass Swatch auf Halde produziere und sich die Frage stelle, ob sich solche Bestände später noch verkaufen liessen – vor allem dann, wenn Chinas Konjunktur wirklich abkühlt. Die Lagerbestände, ein oft diskutiertes Thema um Swatch, sind stark angestiegen. Konkurrent Richemont hat in den letzten Jahren in den Läden zurückgebliebene Waren zurückgekauft und vertreibt sie nun über beliebte Onlineportale. Man kann dies als cleveren Ansatz verstehen.

Der Konzern steht im Moment also vor einigen Schwierigkeiten, und eine Erholung der Aktie ist nicht absehbar. Eher noch könnte der Kurs eine zeitlang weiter sinken. Swatch nun aber als Value-Trap zu verschreien ist dennoch zu stark. Die Firma hat es auch immer wieder geschafft, mit einem unkonventionellen Stil, prestigeträchtigen Marken und einem guten Mix von Preisklassen von Neuem Fahrt aufzunehmen. Wer schon Swatch-Aktien besitzt, sollte diese daher nun auch nicht panikartig verkaufen. Ein Einstieg bei Swatch zum heutigen Zeitpunkt wäre aber eine sehr heikle Sache.