Was die Spatzen auf dem Finanzplatz Zürich schon seit Wochen von den Dächern pfeifen, ist nun gewiss: Die britische Liontrust gibt ein Übernahmeangebot für den schlingernden Vermögensverwalter GAM ab. Es werden 0,0589 Liontrust-Aktien je GAM-Aktie geboten.

Bei der Arbeit mit dem Taschenrechner dürfte sich der eine oder andere Anleger da wohl verwundert die Augen reiben. Denn mit etwas mehr als 67 Rappen je Titel liegt das Angebot weit unter den zuletzt bezahlten Kursen. Noch am Mittwochabend ging die GAM-Aktie bei etwas mehr als 80 Rappen aus dem Handel. Wenige Tage zuvor wurden in der Spitze gar Kurse von bis zu 95 Rappen bezahlt.

Allerdings haben sich die Spekulanten rückblickend gehörig verrannt. Nicht nur wer sich im Rahmen der Übernahme einen grosszügigen Aufpreis gegenüber den letztbezahlten Kursen erhofft hatte, wird enttäuscht. Auch dass die GAM-Aktionäre mit Aktien der Käuferin abgespeist werden sollen, sorgt für lange Gesichter. Das schnelle Geld liess sich seit dem Bekanntwerden der Übernahmeverhandlungen von vor zwei Wochen jedenfalls nicht machen.

Aktie verliert zweistellig

Dass der Verwaltungsrat von GAM das Angebot zur Annahme empfiehlt und die Verwaltungsräte und das Management (knapp 20 Prozent der Stimmen) diesem bereits zugestimmt haben, spricht eher gegen eine Gegenofferte einer Drittpartei. Wie aus hiesigen Börsenkreisen verlautet, heisse es nun abwarten, wie die Aktionärsgruppe um den französischen Telekom-Milliardär Xavier Niel auf die Neuigkeiten reagieren wird. Die besagte Gruppe kontrolliert 7,5 Prozent der Stimmen und erachtet den Vermögensverwalter als unterbewertet.

Nachdem sich die Eröffnung der GAM-Aktie aufgrund von Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage verzögert hatte, eröffnete sie bei 65 Rappen und fiel dann bis auf 57,2 Rappen zurück. Zur Stunde verliert die Aktie noch 25 Prozent auf 60 Rappen. Zusätzlicher Druck geht von der Liontrust-Aktie aus. Diese büsst in London gut 5 Prozent ein und reagiert damit ebenfalls mit Verlusten auf die Neuigkeiten.

Angesichts dieses Kursdebakels dürfte die Medienmitteilung von Liontrust wie Hohn in den Ohren der GAM-Aktionäre klingen. Die Übernahme werde nach 2025 zu einer signifikanten Gewinnverdichtung führen, so steht etwa geschrieben. Dabei werden einerseits die Synergien, andererseits aber auch das Sparpotenzial gelobt.

In einem Kommentar zeigt sich die Bank Vontobel nicht sonderlich überrascht, dass die im April bestätigten Gespräche mit Liontrust nun in einem Übernahmeangebot gipfeln. Die Höhe dieses Angebots kommentiert die Zürcher Bank vorerst nicht. Sie hält jedoch fest, dass es im Aktionariat von GAM einer Zweidrittels-Mehrheit von 66,67 Prozent bedarf, um das Angebot durchzupauken. Die Bank Vontobel selber stuft die Aktie wie bis anhin mit "Hold" und einem Kursziel von 75 Rappen ein.

Die Zürcher Kantonalbank begrüsst den Verkauf an Liontrust, da es dem Vermögensverwalter in den letzten Quartalen nicht möglich gewesen sei, den Abfluss von Kundenvermögen stoppen zu können. Es hätte in den nächsten Jahren mit weiteren Abflüssen gerechnet werden müssen. Ausserdem seien die Abflüsse zu stark gewesen, um diese durch Kostenreduktionsprogramme aufzufangen. Das Anlageurteil für die Aktie lautet weiterhin "Marktgewichten".

Wie die Finanzwertespezialisten von Keefe, Bruyette & Woods (KBW ergänzen, wurde der Kurs der GAM-Aktie in den letzten Wochen von Übernahmespekulationen künstlich nach oben getrieben. Deshalb nun die zumindest "optisch" tiefe Offerte. Ausserdem geht man auch bei KBW nicht davon aus, dass der Vermögensverwalter angesichts der ausgedünnten Kundenvermögen und der nicht enden wollenden Mittelabflüsse in die schwarzen Zahlen zurück hätte finden können. Die Aktie wird vorerst mit "Market Perform" und einem Kursziel von 1,10 Franken eingestuft.