Von Deutschland über die Schweiz bis in die USA befinden sich die Aktienmärkte seit 2009 – mit wenigen Unterbrüchen - in einer Haussephase. Ein Beispiel: Seit März 2009 hat der amerikanische S&P 500 mehr als 190 Prozent zugelegt.

Doch der Höhenflug könnte in seinem siebten Jahr ins Stocken geraten. Denn einige der stark angestiegenen Märkte steuern im laufenden Jahr auf einen Verlust zu. So hat der S&P 500 seit Anfang Januar rund 2 Prozent verloren, der Swiss Market Index (SMI) steht 3 Prozent im Minus und der Dow Jones gar 4 Prozent. Auch der MSCI World Index, der globale Fiebermesser der Aktienmärkte, notiert im Minus.

Nun stellt sich die Frage, ist dies nur ein Zwischentief auf dem Weg zu neuen Höhen oder erleben wir den Anfang vom Ende des globalen Aktienbooms? Denn husten die USA, geht im Rest der Welt die Grippe um. Mit anderen Worten: Die US-Börse ist und bleibt die Leitbörse. Somit sind auch die übrigen Märkte vom Verlauf in den USA abhängig. Negatives Wachstum ist an vielen Märkten ein weit zurückliegendes Ereignis. Der S&P 500 wuchs in den letzten sechs Jahren bloss einmal (2011) nicht im zweistelligen Bereich.

S&P 500 im Verlauf der letzten zehn Jahre, Quelle: cash.ch

Die letzten Wochen und Monate waren von Unsicherheit geprägt. Das zukünftige Zinsumfeld, die stockende Konjunktur in China und fallende Rohstoffpreise sorgten vielerorts für Sorgenfalten. Mittlerweile ist die Marktvolatilität wieder etwas gesunken. Damit richtet sich der Anleger-Fokus auf die anlaufende Saison der Unternehmenszahlen zum dritten Quartal. Doch Analysten erwarten diesbezüglich wenig Gutes. Schätzungen zufolge dürften die Gewinne amerikanischer Firmen im Vergleich zum Vorjahr im Schnitt um 5 Prozent schrumpfen.

Euphorische Prognosen sind denn auch schwer zu finden. "Es fehlen derzeit ein wenig die Impulse, um die Aktienmärkte anzutreiben", sagt Thomas Heller, Anlagechef der Schwyzer Kantonalbank (SZKB). Für die SZKB spielen in den kommenden 12 Monaten die US-Wachstumssituation und der Erfolg der Zinswende eine wichtige Rolle. "Wir sind bei beidem zuversichtlich, aber nicht euphorisch", so Heller auf Anfrage von cash.

Nobelpreisträger ist skeptisch

Viele Marktbeobachter sind zudem der Meinung, amerikanische Aktien seien überbewertet und stünden vor einem Bärenmarkt. Dazu gehört auch Nobelpreisträger Robert Shiller. Gegenüber der "Financial Times" sagte er kürzlich, für ihn deute vieles auf eine Blase hin. Der von Shiller konstruierte Bewertungsindex für den S&P 500 steht derzeit bei 25,6 – der Durchschnitt seit 1881 liegt bei 16.

Geht es um konkrete Prognosen, gehen die Meinungen auseinander. Die Analysten von Julius Bär trauen dem S&P 500 in den nächsten 12 Monaten 4 Prozent Wachstum zu. "Für den US-Markt sehen wir nur ein begrenztes Potenzial", schreiben sie in einem aktuellen Marktkommentar. Für die Schwyzer KB liegt höchstens eine positive Performance im einstelligen Bereich drin.

Zuversichtlicher sind die Strategen von Morgan Stanley. In den kommenden 12 Monaten rechnen sie in ihrem Basis-Szenario mit einem Anstieg auf 2200 Punkte (+9 Prozent). 50 Punkte mehr liegen laut Urs Eilinger drin. Der Anlagechef von WMPartners prognostiziert für Ende Jahr einen Stand von rund 2150 im S&P500, was in etwa dem alten Höchststand vom Frühling entspricht. Auf 12 Monate ist seine Schätzung ein Stand von 2250 Punkten (+12 Prozent).

Aktien bleiben konkurrenzlos

Langfristig sei die Aktienhausse allerdings noch nicht vorbei, sind sich die meisten Strategen einig. Die jüngste Korrektur sei keine Trendwende an den Märkten, sagt Urs Eilinger. "Wir erwarten eine Fortsetzung des im 2009 begonnenen Aufwärtstrends." Noch immer seien die Dividendenrenditen der Aktien konkurrenzlos im Vergleich zu den Zinsen auf Obligationen.

Laut Thomas Heller dürfte das allgemeine Umfeld für Aktien zumindest anspruchsvoller werden. "Die Marktpreise sind heute massgeblich durch die Geldpolitik bestimmt. Noch expansiver geht kaum respektive könnte als Verzweiflung ausgelegt werden - mit den entsprechenden Marktreaktionen", so der Anlagechef. Die Turbulenzen nach dem "Nicht-Entscheid" der Fed im September seien diesbezüglich ein Beispiel.

Das heisst aber nicht, dass der Übergang zu einer "normalen" Geldpolitik reibungslos über die Bühne geht. Denn die Märkte müssen sich wieder an eine fundamentale Preisfindung gewöhnen, die auf Wachstum, Innovation oder Geschäftszahlen basiert. "Der 'Entzug' der Droge Geldpolitik könnte holprig werden", sagt Heller.

Dem billigen Geld folgen

Unter Marktbeobachtern setzt sich immer stärker die Meinung durch, dass die amerikanische Zentralbank bis im nächsten Jahr mit der ersten Zinswende seit rund zehn Jahren warten wird. Gleichzeitig dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre expansive Geldpolitik (inklusive tiefer Zinsen) noch für einige Zeit beibehalten, wenn nicht gar ausweiten.

Das billige Geld der EZB wiederum dürfte den Börsen im Euro-Raum weiteren Auftrieb geben. Darunter der französische Index CAC 40, der seit Anfang Januar schon 8 Prozent Gewinn erzielt hat. Oder auch die Märkte in Portugal, Spanien und Italien. Auch japanische Aktien sollten von den anhaltenden quantitativen Lockerungen der heimischen Notenbank profitieren. Einen weiteren Markt bringt Urs Eilinger ins Spiel. Er räumt dem chinesischen Hang-Seng-Index nach dem Absturz von rund 40 Prozent mittelfristig wieder gute Chancen ein.