In Deutschland sind schon heute gewisse Medikamente der Novartis-Tochter Sandoz über Amazon erhältlich. Doch der mächtige Onlinehändler hat grosse Pläne: Ursprünglich hiess es, Amazon wolle in den Vertrieb von Medikamenten einsteigen und den Apothekenketten das Fürchten lernen.

Wie der Nachrichtensender CNBC vergangene Nacht berichtete, gibt es allerdings sogar Gespräche zwischen den Amerikanern und Pharmaherstellern - darunter neben dem Generikaproduzenten Mylan auch mit der Novartis-Tochter Sandoz. Das lässt die Vermutung zu, dass Amazon nicht nur in den Vertrieb, sondern gar in die Herstellung und Entwicklung pharmazeutischer Produkte vorstossen könnte.

Was für viele Pharmahersteller ein Albtraum wäre, käme Novartis sehr gelegen. Seit Jahren versucht das Basler Mutterhaus die auf günstige Nachahmermedikamente spezialisierte Sandoz auf Erfolgskurs zu bringen. Bisweilen mit eher mässigem Erfolg.

Nachahmermedikamente sind ein Massengeschäft

Das Tochterunternehmen steuert bei Novartis rund 20 Prozent zum Jahresumsatz bei, gilt im Konzern-Verbund jedoch als margenschwach. Im zurückliegenden dritten Quartal 2018 erzielte Sandoz bei einem um 4 Prozent tieferen Umsatz von 2,5 Milliarden Dollar einen um 3 Prozent rückläufigen operativen Gewinn (EBIT) von 530 Millionen Dollar. Das entspricht einer operativen Marge von 21,1 Prozent. Zum Vergleich: Im Bereich Innovative Medicines erzielt Novartis Margen von knapp 33 Prozent.

Die Amazon-Aktie lässt jene von der Sandoz-Mutter Novartis im Jahresvergleich weit hinter sich zurück (Quelle: www.cash.ch)

Diese Diskrepanz überrascht nicht, gilt das Geschäft mit Nachahmerpräparaten doch als ein Massengeschäft, bei welchem gerade im amerikanischen Markt mit harten Bandagen gekämpft wird. Umso mehr käme es zumindest bei den Absatzmöglichkeiten einem Quantensprung gleich, würde Sandoz mit Amazon einig. Denn das gerade Massengeschäft gilt als Paradedisziplin des Onlinehändlers.

Die milliardenschwere Übernahme des Lebensmittelhändlers Whole Foods durch Amazon zeigt, dass sich grosse Technologiekonzerne immer neue Märkte erschliessen. Alleine aufgrund ihrer schier unerschöpflichen finanziellen Mittel können sie es sich leisten, selbst auf für sie völliges Neuland vorzustossen.

Grossbank warnt vor mächtiger Konkurrenz

Amazon ist nicht der einzige Technologiegigant, welchem Ambitionen in der Herstellung und der Entwicklung pharmazeutischer Produkte nachgesagt wird. Auch Alphabet, das Mutterhaus von Google, forscht über Tochterunternehmen an neuartigen Wirkstoffen.

Gut sechs Wochen ist es her, dass die britische Grossbank HSBC in einer Studie zur europäischen Pharmaindustrie vor den Gefahren eines Markteintritts durch Google & Co warnte (der cash Insider berichtete).

Für die Studienautoren steht fest, dass es in den kommenden Jahren nicht nur Zulieferunternehmen wie die Lonza oder Bachem mit mächtigen Technologiekonzernen zu tun bekommen könnten. Auch grosse Branchenvertreter wie Roche und Novartis müssen sich womöglich warm anziehen.

Da ist gut beraten, wer wie die Novartis-Tochter Sandoz die Flucht nach vorn ergreift und sich den Gegner zum Freund macht. Der Novartis-Aktie würde ein Hauch von "Amazon" jedenfalls gut tun, notiert sie seit Jahresbeginn doch nur mit rund 20 Prozent im Plus. Zum Vergleich: Der Börsenwert von Amazon liegt beachtliche 60 Prozent höher als noch Anfang Januar.