"Ein Going Private ist eine Option": Diese Aussage von Silvio Napoli, Präsident des Lift- und Rolltreppenkonzerns Schindler, in einem Interview mit der "Finanz und Wirtschaft" hat den Börsenkurs der Firma am Freitag nach oben getrieben. Schon in den Tagen zuvor war der Kurs deutlich angestiegen. Der Partizipationsschein des Unternehmens hat damit wieder den Stand vom vergangenen Februar erreicht. Die Aktie steigt, auch wenn Schindler laut Napoli keine spezifischen Pläne für einen Börsenrückzug hat.

Dass Schindler nicht schon längst von der Börse gegangen ist, liegt hauptsächlich am Preis: Der Rückkauf der Aktien von anderen Anteilseignern und vom Markt (Free Float) wäre sehr teuer. Auch Swatch-Chef Nick Hayek hat schon häufiger über die Kotierung seines Uhrenkonzerns gelästert und diese als nachteilig bezeichnet. Um Swatch zurückkaufen zu können, müsste sich Hayek bei den Banken aber dramatisch verschulden.

Als der Maschinen- und Werkzeugbauhersteller Hilti 2003 von der Börse ging, musste er dafür eine halbe Milliarde Franken an die Aktionäre zahlen. Aber genau dieser Preis ist der Grund, wieso Delisting-Gerüchte für Anleger so interessant sind. Geht ein Unternehmen von der Börse, müssen die Käufer den Aktionären eine Prämie zahlen. Anleger machen ähnlich wie bei einer Übernahme in aller Regel Kasse.

Kosten vs. finanzielle Flexibiliät

Kosten bringt aber auch die Kotierung selber mit sich. Die "Gebühr" für ein Unternehmen, seine Anteilsscheine an der Börse handeln zu lassen, beträgt im Jahr zwar nur einige Tausend Franken. Aber regulatorische Vorschriften bei der Rechnungslegung oder der Berichterstattung gegenüber Analysten und Investoren bedeuten Aufwand und kosten viel. Die Durchführung von Roadshows und Generalversammlungen geht richtig ins Geld. Eine Kotierung kostet ein Unternehmen schnell einmal zwischen 500'000 und einer Million Franken.

Für kleine Unternehmen kann dies ein Problem sein. Die damals finanziell klamme Hotelgruppe Victoria-Jungfrau (heute Teil von Aevis Victoria) begründete die Dekotierung 2013 damit, dass die Kosten des Listings den ohnehin sehr geringen Gewinn zusätzlich schmälerten oder gar einen Verlust bescherten.

Am Schweizer Aktienmarkt gibt es einige Unternehmen, die immer wieder genannt werden, wenn von einem "Going Private" die Rede ist. Investoren haben diese Firmen im Visier, denn mit Geduld könnte sich ein Engagement lohnen, falls es tatsächlich zum Börsenrückzug kommt.

Mögliche Kandidaten für ein "Going Private"

TitelPerformance, 5 JahreGrösste Aktionäre
Leclanché-56%Golden Partner via Finexis (40%), Bruellan (12%) 
Mikron+73%Ammann Group (42%), Rudolf Maag (14%), Veraison (10%)
Orell Füssli+22%SNB (33%), Dieter Meier (15%), Fam. Siegert (9%), Veraison (9%)
Schindler (PS)+66%Aktionärsgruppe um Fam. Schindler (71% der Stimmen, 44% am Kapital)
Von Roll-10%Aktionärsgruppe Familien von Finck sowie Firma Von Roll (zusammen 67%)
Züblin-82%Viktor Vekselberg (42%)

Quelle: cash.ch

Für ein kleines, finanziell nicht übermässig stabiles Unternehmen wie den Energiespeicherhersteller Leclanché könnte das Delisting eine Überlegung sein. Die Initiative müssten von den Grossaktonären Golden Partner und Bruellan ausgehen, die zusammen knapp die Mehrheit der Aktien halten. Ein Aktienkurs, der mit 1,82 Franken fast auf einem Allzeittief ist, würde einen solchen Schritt erleichtern. 

Finanziell herausgeforderte Unternehmen verlieren mit einem Rückzug allerdings auch einen der wichtigsten Vorteile einer Börsenkotierung: Die Möglichkeit, über die Börse Kapitalerhöhungen durchzuführen. Eine solche hat Leclanché just vergangenen Monat angekündigt.

Grossaktionär hat viel Macht

Ganz klar erleichtert ein grosser Aktionär Dekotierungen. Bei Schindler etwa kontrolliert eine Familienholding 71 Prozent der Stimmen und 44 Prozent des Kapitals. Dies macht Dekotierungsspekulationen glaubhafter. Kandidaten für ein Delisting am Schweizer Aktienmarkt sind daher vor allem solche, die über dominierende Anteilseigner verfügen.

Das von Viktor Vekselberg kontrollierte Immobilienunternehmen Züblin sieht sich selber als zu klein, um als kotierte Firma effizient zu sein. Dies sagte Firmenchef Iosif Bakaleynik im vergangenen Mai. Züblin wolle daher wachsen, um die sinnvolle Grösse für ein kotiertes Unternehmen zu erreichen. Sollte dies nicht gelingen, wäre die Dekotierung wohl ein Ausweg.

Bei der Werkzeugmaschinen-Gruppe Mikron forderte der aktivistische Aktionär Veraison vor zwei Jahren, dass die Generalverammlung über eine Dekotierung befinden solle. Kontrolliert wird das margenschwache Unternehmen von der nicht-kotierten Ammann Group, deren Chef früher der heutige Bundesrat Johann Schneider-Ammann war. Der Kurs der Mikron-Aktie hat allerdings seit einem Tiefststand im Herbst 2015 um 82 Prozent zugelegt.

Veraison ist auch Aktionär beim Druckereiunternehmen Orell Füssli, einem anderen Sorgenkind an der Börse. Veraison hat dort bisher keinen (öffentlichen) Druck im Zusammenhang mit einer Dekotierung gemacht. Der Kurs des gewinnschwachen Unternehmens ist derzeit so tief wie Anfang 2016 zum letzten Mal. Von der Börse ginge Orell Füssli wohl aber nur, wenn die Nationalbank, die ein Drittel des Kapitals hält, einverstanden wäre.

Beim Elektrobranchen-Zulieferer Von Roll beträgt der Aktienanteil der Familie von Finck plus der Eigenbesitz 65 Prozent. Die Langfrist-Entwicklung des Aktienkurses ist negativ, innerhalb der vergangenen fünfzehn Monaten hat sich die Performance allerdings verdoppelt. Dennoch lässt die Lage bei Von Roll Raum für Spekulationen offen.

Warum manche nicht gehen

Zum Teil aber halten Unternehmen aus spezifischen Gründen an Kotierungen fest: Der Fleischproduzent Bell gehört schon zu knapp zwei Dritteln dem Handelskonzern Coop und könnte im Prinzip ganz in die Gruppe einverleibt werden. Auch das wäre eine Form der Dekotierung. Doch einerseits ist der Aktienkurs von Bell in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Andererseits hat Bell mit der Kotierung "Zugang zu einem breiteren Kapitalmarkt", was in Sachen Übernahmen nicht von Nachteil ist.

Für den schweizerisch-ägyptischen Ferienanlagen-Entwickler Orascom wäre eine Dekotierung je nach Einschätzung ebenfalls eine Möglichkeit. Die finanzielle Geschichte des Unternehmens ist einigermassen turbulent. Firmenchef Samih Sawiris aber sagte 2016, die Börsenkotierung schütze sein Unternehmen: Die zahlreichen Immobilien in Ägypten könnten sonst leichter von der dortigen Regierung konfisziert werden.

Redaktionelle Mitarbeit von Pascal Züger und Daniel Hügli.