Schöne Zeiten für Goldbullen: Der Preis für das gelbglänzende und historisch bedeutende Metall ist dieses Jahr um gut 5 Prozent gestiegen und hat letzte Woche bei 2211 Dollar erneut ein Allzeithoch erreicht. Anleger wurden klar zuversichtlicher, was die Zinssenkungen der US-Notenbank Fed anbelangt.

Gleichzeitig hat der Dollar gemessen am US-Dollar-Index seit Jahresbeginn um 3 Prozent an Wert gewonnen. Der Index vergleicht den Wert des Dollars mittels eines Währungskorbs aus sechs Währungen. Und auch die zehnjährigen US-Staatsanleihen sind seit Jahresbeginn um 35 Basispunkte in die Höhe geschossen.

«Wenn wir auf die üblichen Einflussfaktoren des Goldpreises schauen, den US-Dollar, die US-Zinserwartungen, die US-Anleiherenditen und die Anlegernachfrage in der westlichen Welt, dann kann keiner dieser Faktoren die jüngste Rally des Goldpreises vollständig erklären», so Carsten Menke, Edelmetallexperte bei der Bank Julius Bär, gegenüber cash.ch. Das Gold ist deutlich stärker in die Höhe geschossen, als diese Indikatoren es hätten erwarten lassen.

Denn der Dollar und der Goldpreis stehen in einer umkehrenden Beziehung zueinander: Steigt der Dollar, so fällt der Goldpreis, da man mit jedem Dollar nun eine grössere Menge an Gold kaufen kann als zuvor. Und Gold fällt auch, wenn Erträge aus Staatsanleihen anfangen zu steigen. Dies gilt speziell für die der US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit, die diesbezüglich weitgehend als Massstab gelten.

Die Erwartung von Zinssenkungen in den USA sind sicher ein wichtiger Faktor, der immer wieder als Begründung für steigende Goldpreise in Betracht gezogen wird. Der Markt erwartet gemessen am FedWatch Tool der CME Group, dass die US-Notenbank die Leitzinsen 2024 um 75 Basispunkte senken wird.

Rohstoffstratege Menke von der Julius Bär ist aufgrund historischer Daten von Zinssenkungszyklen seit 1975 jedoch der Meinung, dass tiefere Zinsen allein nicht Grund genug sind, um das Gold in die Höhe zu treiben. Stattdessen müssen diese Zinssenkungen in einem rezessiven Umfeld stattfinden.

«Unsere Analyse zeigt, dass die Goldpreise nach zwölf Monaten um durchschnittlich 15,5 Prozent steigen, wenn auf die erste Zinssenkung eines Zyklus eine Rezession folgt. Kommt es nicht zu einer Rezession, sinken die Preise im Durchschnitt um 7 Prozent», so Menke.

Da die fundamentale Unterstützung der Rally fehle, sieht Menke den Goldpreis in drei Monaten bei 2000 und in zwölf Monaten bei 1900 Dollar. Das eher geringe Abwärtsrisiko liegt in der Analyse von Julius Bär im Wesentlichen an der erstarkten Nachfrage in China und anhaltenden Käufen der Zentralbanken.

Gold-Rally bleibt schwer zu rechtfertigen

Zuletzt wird häufig auf einen Goldrausch in China verwiesen, dies als Spiegel der wirtschaftlichen Probleme und des Mangels attraktiver Anlagealternativen. Zwar hat die Nachfrage im letzten Jahr angezogen, doch erklärt dies nicht die jüngste Rally. Ausserdem sind die Auslieferungen und die Handelsvolumina an der Shanghai Gold Exchange nach einem Anstieg im Februar wieder gesunken, was den lokalen Preisaufschlag wieder hat sinken lassen.

Die Meinungen bezüglich Gold gehen auch deutlich auseinander: Giovanni Staunovo von der UBS sieht den Goldpreis Ende Jahr bei 2250 Dollar pro Feinunze. Aktuell werde Gold durch Zentralbankenkäufe und einer soliden Nachfrage aus Asien gestützt.

«Wir erwarten, dass Finanz-Anleger via Gold ETF ihre Bestände erhöhen, sobald die US-Notenbank eine Zinssenkung ankündigt. Wir erwarten dies im Juni. Tiefere US-Zinsen sollten Gold zusätzlichen Auftrieb verleihen», so Staunovo.

Was dem Gold zumindest kurzfristig immer zugute kommt, sind geopolitische Spannungen. Zurecht? Gold hat zwar den Ruf, als geopolitische Absicherung wirken zu können, doch ist seine Erfolgsbilanz diesbezüglich bestenfalls durchwachsen. Denn in der Regel gibt es bei Ereignissen oft nur einen kurzfristigen Preisanstieg, aber keine dauerhafte Unterstützung. Es sei denn, ein geopolitischer Schock hat tiefgreifende and länger anhaltende Auswirkungen auf die Wirtschaft oder die Finanzmärkte. 

So stieg der Goldpreis beim Ausbruch des Kriegs in der Ukraine im Februar 2022 nur kurzfristig an, um danach die erzielten Gewinne abzugeben und sogar unter das Vorkriegsniveau zu fallen. «Angesichts der vorherrschenden Risikofreude erscheint es mir allerdings unwahrscheinlich, dass der Goldmarkt über die Geopolitik besorgt ist, andere Märkte aber nicht», kommentiert Menke die aktuelle Marktsituation.

Gold profitiert von spekulativen Käufen

Es fällt also schwer, die jüngste Rally zu rechtfertigen. Es ist wohl in erster Linie die Marktstimmung, die den Goldpreis in die Höhe getrieben hat. Typischerweise ist dies nicht von Dauer, wobei man in einem kleinen Markt wie Gold die Stimmungskomponente sicherlich nicht unterschätzen darf. 

Zuletzt wurde denn auch die Nachfrage und damit wohl auch der Preisanstieg stark von spekulativen Käufern getrieben, wie die Positionierungsdaten der Futures-Märkte zeigen. «Die Goldkäufe der Zentralbanken werden dadurch vorübergehend gedämpft, womit vorerst das Nachfragepotenzial für deutlich höhere Preise fehlt», sagt Elias Hafner, Investment-Stratege bei der ZKB, gegenüber cash.ch.

Auch könnte der jüngste Preisanstieg die Anreize für zusätzliches Angebot beziehungsweise Recyclingtätigkeit erhöhen, auch wenn die Nachfrageseite wohl aktuell ausschlaggebend bleibt. Aus dieser Perspektive erscheint es vermessen, jetzt noch auf den Goldzug mit Käufen aufzuspringen. Auch, da die Gold ETFs aktuell unvermindert Abflüsse verzeichnen. Vielmehr sollte man vor einem neuen, frischen Investment zumindest auf eine Korrektur warten. 

ManuelBoeck
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