Für das persönliche finanzielle Fortkommen ist die Qualität der Pensionskasse, der man angeschlossen ist, mitentscheidend. Im besten Fall hat die Kasse dauerhaft ausreichend Mittel für eine hohe Verzinsung des Altersguthabens - wodurch letztlich auch die Rente aus der zweiten Säule stattlicher ausfallen wird. Im schlechtesten Fall ist die Vorsorgeeinrichtung derart in Schieflage geraten, dass Arbeitnehmer und Rentner Sanierungsbeiträge leisten müssen. Doch woran erkennt man, wie gesund eine Pensionskasse finanziell ist?
An den freien Mittel, lautet die Antwort einer Expertengruppe, zu der die Finanzprofessorin Yvonne Seiler Zimmermann (Hochschule Luzern) und der Finanzprofessor Heinz Zimmermann (Universität Basel) gehören. Die finanzielle Qualität einer Vorsorgeeinrichtung lasse sich an dieser Kennzahl messen.
Sie hat gerade aus Sicht der Versicherten Charme. Denn einerseits informiert sie über die Aussicht auf Leistungsverbesserungen, andererseits beschreibt sie, inwiefern eine Kasse finanziell stabil aufgestellt ist. Dies, indem sie den Grössen wie dem Deckungsgrad und den Wertschwankungsreserven ausgeht. Zudem sind die freien Mittel als Passivposition der Bilanz aus Geschäfts- und Finanzberichten ersichtlich, oder sie können bei den Einrichtungen direkt angefragt werden, wie Seiler Zimmermann gegenüber cash.ch sagt. Es gibt also eine gewisse Transparenz.
Freie Mittel sind Gelder, die über einem hinreichenden Deckungsgrad und über die vollständig geäufneten Wertschwankungsreserven hinausgehen. Im Einzelnen: Der Deckungsgrad entspricht dem Verhältnis von Vermögen zu Verpflichtungen einer Pensionskasse. Grundsätzlich bedeuten Werte über 100 Prozent, dass die Kasse ihre Verpflichtungen gedeckt hat; tiefere Werte zeigen eine Unterdeckung an, die behoben werden soll - schlimmstenfalls, indem auch die Versicherten einspringen müssen. Derart schlecht stehen nur wenige Vorsorgeeinrichtungen da, die meisten weisen Deckungsgrade zwischen 105 und 130 Prozent auf.
Es gibt nun aber eine Präzisierung: «Der Zieldeckungsgrad ist keine fixe Grösse, sondern hängt von der jeweiligen Anlagestrategie der Pensionskasse ab», sagt Mario Bucher, Spezialist des Vorsorgedienstleisters Pensexpert, der in den freien Mitteln «tatsächlich ein Mass für die Güte einer Pensionskasse» sieht. Eine risikoreichere Anlagestrategie verlange nach einem höheren Deckungsgrad; bei einer konservativeren Strategie seien auch tiefere Deckungsgrade möglich, solange diese nicht unter 100 Prozent fallen.
Ein Beispiel: Eine Pensionskasse mit einem hohen Anteil volatiler Anlagen wie Aktien benötigt einen Zieldeckungsgrad von 120 Prozent. Erst ab diesem Wert kann sie freie Mittel haben. Liegt die Kasse erst bei 110 Prozent, muss sie zunächst den Deckungsgrad auf die notwendigen 120 Prozent erhöhen, bevor freie Mittel entstehen.
Im Weiteren: Die Wertschwankungsreserven sollen das Auf und Ab an den Kapitalmärkten und daraus entstehende Verluste ausgleichen. Sind sie aufgefüllt, kann eine Pensionskasse Leistungsverbesserungen bieten. Dazu ist laut der Pensionskassenstudie 2025 von Swisscanto die Mehrheit der Kassen bereit. Sie dürften sich indes mit langfristigen Leistungsversprechen wie höheren Umwandlungssätzen zurückhalten - und dafür eher die kurzfristig anpassbare Verzinsung der Altersguthaben steigern.
Die Verzinsung schwankt denn auch über die Zeit hinweg und unterscheidet sich von Einrichtung zu Einrichtung, wie das im September erschienene Pensionskassenjahrbuch des Beratungsunternehmens PPCmetrics darstellt. So habe der Satz im Jahr 2024 durchschnittlich 4,19 Prozent betragen, nach 2,16 Prozent im Jahr 2023; und die Spanne zwischen den Kassen habe 2024 von 1,25 Prozent bis in den zweistelligen Prozentbereich gereicht - wobei eine Mehrheit die Verzinsung zwischen 2,50 Prozent und 5,05 Prozent angesetzt habe. Insgesamt sei wiederum «ein wesentlicher Teil der positiven absoluten Rendite von durchschnittlich plus 7,61 Prozent mit einer Verzinsung deutlich über dem BVG-Mindestzins an die aktiven Versicherten weitergegeben» worden, schreiben die Experten von PPCMetrics.
Unterschiede in der Verzinsung können derweil ins Geld gehen. Kassen, die über die vergangenen zehn Jahre stets nur den BVG-Mindestzins gewährt haben, kommen bis dato auf eine kumulierte Verzinsung von 11,83 Prozent. Eine typische Vorsorgeeinrichtung hat aber eine kumulierte Verzinsung von 27,49 Prozent geboten, wie aus dem PPCMetrics-Bericht hervorgeht. Die Differenz - rund 15 Prozentpunkte - bedeutet in absoluten Zahlen ausgedrückt einen Unterschied von 78’300 Franken Alterskapital, bei 500'000 Franken Altersguthaben zu Beginn des Jahres 2015.
Abwägung zwischen Zurückbehalten und Ausbezahlen
«Nur die freien Mittel geben dem Stiftungsrat die Möglichkeit, zusätzliche Leistungen an die versicherten Mitglieder weiterzugeben», schreiben Seiler Zimmermann und ihre Kollegen in der 2025 erschienen Studie. Allerdings stehen die Entscheidungsträger der Pensionskassen vor einer Abwägung. Denn grosszügigere - oder gar übermässige - Leistungen in der Gegenwart können den finanziellen Spielraum in der Zukunft einschränken. Indies stellt sich die Frage, ob die Kassen freie Mittel aufbauen, indem sie auf Leistungsverbesserungen verzichten, obwohl sie solche gewähren könnten.
Dieser Frage sind die Experten nachgegangen. Sie fanden: Die Vorsorgestiftungen würden freie Mittel nicht willkürlich aufbauen und gleichsam horten, sondern sie geben sie zumindest teilweise an die Versicherten weiter.
Im Weiteren zeigt die Studie, dass Kassen mit einer konservativen Anlagestrategie, also etwa einem vergleichsweise tiefen Anteil an Aktien, eher über freie Mittel verfügen. Das überrascht deswegen, weil man konservative Anlagen für gewöhnlich mit tieferen Renditen und daher geringeren finanziellen Mitteln verbindet. Doch es gibt Erklärungen. Zum Beispiel verspricht ein vorsichtiger Anlagestil Kontinuität, was den finanziellen Erfolg wiederum begünstigt.
Man kann einige Schlüsse ziehen. Da die Güte der Pensionskasse eine immer stärkere Rolle in der Wahl des Arbeitgebers spielt, werden Vergleiche unter den Einrichtungen relevanter. Freie Mittel können hierbei eine Orientierung zu der Qualität einer Pensionskasse geben, «sollten jedoch an die Leistungen für die Versicherten geknüpft sein», so die Studie. Der Blick sollte also die freien Mittel, die Verzinsung und den Umwandlungssatz erfassen.
Wie Mario Bucher von Pensexpert zu bedenken gibt, sind die Versicherten darauf angewiesen, dass die Pensionskasse die freien Mittel auch tatsächlich in Form einer höheren Verzinsung an die Aktivversicherten oder einmaliger Zuschüsse an die Rentnerinnen und Rentner weitergibt. «Dies ist ein Entscheid des Stiftungsrates - als Versicherter hat man keinen Einfluss darauf.»
Eine allzu enge Betrachtung anhand der einen Kennzahl täuscht ausserdem leicht über andere Gesichtspunkte hinweg, welche für die Vorsorge in der zweiten Säule relevant sind - etwa die Vorsorge- beziehungsweise Wahlpläne. Solche können laut Gesetz angeboten werden, müssen es aber nicht. Sofern es gibt gibt, ermöglichen sie den Versicherten höhere Sparbeiträge, die das Altersguthaben über die Zeit hinweg ebenfalls stärker aufbauen.

