Mitte November ist ASML das grösste europäische Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 336,7 Milliarden Euro. Darauf folgen weitere bekannte Player im Kampf um den ersten Platz, bekanntlich LVMH oder SAP. Weiter hinten erst platziert sich Novo Nordisk mit 182,55 Milliarden Euro.

Zur Erinnerung: Ende 2023 erklomm der dänische Pharmakonzern das Siegertreppchen mit einem Börsenwert von 460 Milliarden Dollar. Dementsprechend ist die Aktie von ihrem Höhepunkt bei über 1000 Kronen auf knapp über 300 Kronen zurückgefallen. Allein in diesem Jahr hat sich der Preis um weitere 50 Prozent halbiert, nachdem im Juni des Vorjahres die entscheidende Wende gekommen war, welche Novo bisher nicht aufhalten konnte.

Die zuständige Analystin der Deutschen Bank betitelt ihr Investment als «eine der schmerzhaftesten Erfahrungen ihrer beruflichen Laufbahn». Novo Nordisk habe sich von einer Wachstumsstory mit hohem Multiple zu einer Value-Aktie mit niedrigem Multiple entwickelt.

Harter Preiskampf

Die Gründe sind vielfältig, einer davon ist der Preisdruck. Billige Kopien der Medikamente sorgen für starke Konkurrenz. Dem will Novo nun entgegenhalten und senkt die Preise für Adipositaspräparate Wegovy und Ozempic deutlich. Anfang November hatten sich die Abnehmgiganten unter den Pharmakonzernen mit US-Präsident Donald Trump auf tiefere Listenpreise verständigt. 

So werden ab Montag Einführungsdosen von Novos Blockbustern Wegovy und Ozempic für 199 US-Dollar pro Monat erhältlich sein. Der Preis gilt für die ersten zwei Monate der Behandlung; danach wird Novo die Medikamente über sein Direktvertriebsportal NovoCare für 349 US-Dollar pro Monat anbieten – 30 Prozent weniger als der derzeitige Selbstzahlerpreis.

Hier kommt die Konkurrenz ins Spiel. Eli Lilly wird im Rahmen der Vereinbarung mit Donald Trump den Preis für die Adipositasspritze Zepbound auf seiner Direktvertriebsplattform LillyDirect um 50 Dollar pro Monat senken. Dennoch entspricht der neue Preis von Novos Produkten dem Preis für eine niedrige Dosis Zepbound und liegt unter dem Preis für höhere Dosierungen. 

«Die Menschen können beginnen, von den gefälschten, hergestellten Kopien zu den Markenmedikamenten zurückzukehren», sagte Dave Moore, der US-Chef von Novo Nordisk. Er beschrieb die Preissenkung als eine Übergangslösung für die Zeit bis zum Inkrafttreten der neuen niedrigeren Preise. Ob dieser Schritt von Novo Nordisk jedoch vorerst ausreicht, wird sich herausstellen. Einerseits, da mit dieser Massnahme zwar die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt - aber eben auch der Margendruck erhöht wird.

Andererseits überzeugen die Amerikaner langfristig durch eine diverse Produktpalette, innovative Geschäftszweige - und: Laut Stefan Schneider, Pharmaanalyst bei Vontobel, verfügen sie über bessere klinische Daten. Insbesondere der Hoffnungsträger Orforglipron, eine Abnehmpille, lässt Anleger hoffen. Denn diese könnte noch mehr Menschen erreichen. Experten an der Wall Street glauben zudem, dass die Pillen dazu führen könnten, dass mehr Patienten die Medikamente länger einnehmen, ein potenzieller Umsatztreiber mit langfristiger Wirkung.

Ausserdem wird Pfizer durch die Übernahme von Metsera präsenter auf dem Bildschirm. «Wir werden nach Abschluss der Übernahme von Metsera weltweit nach Möglichkeiten suchen, das Portfolio im Bereich Adipositas weiter auszubauen, primär bei oralen Medikamenten», so Finanzvorstand Dave Denton in einer Präsentation auf der Jefferies Healthcare Conference im November. Pfizer verfüge über rund 5 Milliarden Dollar, die in den nächsten Jahren für Transaktionen eingesetzt werden können, so Denton. 

Schmerzhafte Erfahrung 

Auch wenn die Analysten der Deutschen Bank voll anerkennen, dass das Momentum äusserst herausfordernd ist und der Abwärtstrend noch nicht beendet sein könnte: Sie sehen drei konkrete Chancen, die alle in den kommenden Monaten anstehen und die mittelfristigen Perspektiven deutlich verbessern könnten - und halten an ihrer Kaufempfehlung fest.

Eines davon ist die Evoke-Studie, in welcher das Medikament Semaglutid bei Menschen mit einer frühen Alzheimererkrankung untersucht wird. Entscheidend ist auch der Marktstart des oralen Semaglutids. Während injizierbare GLP-1-Therapien bereits etabliert sind, könnte eine wirksame orale Alternative den Zugang für viele Patienten erheblich erleichtern und dadurch neue Nachfrage erschliessen. Zuletzt zählen die Ergebnisse aus Redefine4 und Reimagine4 - die Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von CagriSema gegen Zepbound zur Gewichtsreduktion bei Menschen mit Adipositas.

Gleichzeitig betonen die Experten, dass es auch ein weiteres Abwärtsszenario gibt, falls diese Ereignisse enttäuschen und Novo unter 250 Kronen fallen könnte - und somit weiter Richtung «ex-growth»-Status. Für eine Rückkehr zu Umsatzwachstum im Geschäftsjahr 2027 sei entscheidend, dass sowohl das orale Semaglutid als auch Cagrisema dazu beitragen, die Marktanteilsverluste gegenüber Lilly zu stoppen und das derzeit schwache Wachstum im US-Markt wieder in Schwung zu bringen.

Die Deutsche Bank hält das Chancen-Risiko-Verhältnis dennoch weiterhin für attraktiv. Auch andere Analysten bleiben ihren positiven Empfehlungen treu. So liegen 18 Kauf- und 12 Halte-Empfehlungen vor, keine Verkaufsempfehlung. Das durchschnittliche Kursziel lässt Raum für rund 100 Kronen. 

Es scheint, als wäre noch nicht alle Hoffnung für den einstigen Diätspritzen-Vorreiter verloren - zumindest wenn man den Experten Glauben schenkt. Mit der neuen Preisstrategie und den anstehenden Produkten und Innovationen sowie personellen Wechseln in der Geschäftsleitung könnte es dennoch Raum nach oben geben. 

Vor einigen Tagen wurde zudem der Vorsitzende der Novo Nordisk Stiftung und langjährige Ex-Novo-CEO Lars Rebien Sørensen als Chefaufseher von Novo Nordisk gewählt. Er soll den Pharmakonzern bis zur nächsten Hauptversammlung am 26. März 2026 beaufsichtigen. Er hatte ja schon mal einiges richtig gemacht - hilft er zurück auf die Spur? 

Aisha Gutknecht arbeitet seit Juli 2024 als Redaktorin für cash.ch.
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