Eine 162 Seiten starke Studie der Berenberg Bank zu Investitionsgüteraktien lässt am Donnerstagmorgen ein Raunen durch die Handelsräume hiesiger Banken gehen. Denn darin sprechen die Autoren eine Verkaufsempfehlung für die Aktie des Industrieurgesteins ABB aus. Mit 20 Franken liegt das Kursziel um gut 15 Prozent unter dem Schlussstand vom Vortag. ABB ist der einzige von acht Branchenvertretern, der schlechte Noten erhält.
Interessant ist, dass der Hauptautor der Studie vor seinem Wechsel zur Berenberg Bank als Chef der Investors-Relations-Abteilung beim ABB-Rivalen Schneider Electric tätig war. Dass er die Aktie seines früheren Arbeitgebers zum Kauf anpreist, ist vermutlich bloss ein Zufall. Dasselbe gilt aber auch für jene von Emerson, Legrand, Rexel, Rockwell oder Siemens.
Andere Rivalen dürften besser abschneiden
Gut kommt in der Studie der neue ABB-Chef Björn Rosengren weg. Rosengren verfüge über einen geradezu beeindruckenden Leistungsausweis. Genau einen solch erfahrenen Wirtschaftskapitän brauche es jetzt an der Unternehmensspitze, so ist etwa nachzulesen.
Allerdings erachten die Autoren den Zeitpunkt für die unter Rosengren zu erwartende Restrukturierung und Neuausrichtung als ungünstig. Sie halten ABB für die Welt nach Covid-19 zwar nicht für schlecht aufgestellt, glauben jedoch, dass das Unternehmen über die nächsten Jahre schlechter als andere Rivalen abschneidet. Das wiederum könnte sich auch bremsend für das Dividendenwachstum erweisen.
Berenberg Bank mit der Verkaufsempfehlung in guter Gesellschaft
Lange Rede, kurzer Sinn: Aus Sicht der Berenberg-Bank-Analysten sind die kursseitigen Vorschusslorbeeren seit der Verpflichtung von Björn Rosengren als Firmenchef nur teilweise gerechtfertigt. Sie warnen vor einer möglicherweise schmerzhaften Kurskorrektur im Vorfeld des diesjährigen Investorentages vom November.
Mit ihrer Verkaufsempfehlung für die ABB-Aktie sind die Studienautoren übrigens in guter Gesellschaft. Erhebungen der Nachrichtenagentur AWP zufolge haben fünf weitere Banken Verkaufsempfehlungen ausstehend, die beiden US-Investmentbanken Jefferies sogar mit Kurszielen zwischen 16 und 16,50 Franken.
Nachdem die Aktie seit Mitte März (Tiefstkurs rund 14 Franken) kräftig Boden gut machen konnte, liegt sie nun um gut 3 Prozent über dem Stand von Ende Dezember. Damit bewegt sie sich bei den 20 Titeln aus dem Swiss Market Index (SMI) irgendwo im Mittelfeld.