Während zinssensitive Sektoren wie Technologie und Immobilienwerte im Stoxx600 nach der Publikation der Inflationszahlen in den USA deutlich anzogen, hatten Bank-Aktien oder Titel aus den Wirtschaftszweigen Energie und Bergbau einen schlechten Tag. 

Aufs ganze bisherige Jahr betrachtet liegen Wachstums-Aktien aber immer noch massiv im Minus. Der Index MSCI Europe Value liegt nach wie vor 13 Prozent über seinem Äquivalent, das sich aus Wachstums-Titeln zusammensetzt. Aktien von Firmen aus dem Technologiesektor, dem Onlinehandel, von Social-Media-Plattformen wie auch Kryptowährungen haben dieses Jahr massive Kursrückgänge erlebt. Es wird wenig daran gezweifelt, dass solche Themen in Zukunft an der Börse wieder attraktiv sein werden. 

Dennoch haben Wachstums-Aktien gerade wieder Auftrieb, wie Barclays-Analyst Emmanuel Cau zu Bloomberg sagte. Ein gebremster Inflationsanstieg in den USA könnte an den Märkten das Gefühl verstärken, etwas zu verpassen ("fear of missing out") und so dem Bärenmarkt etwas entgegensetzen. Dies bedeute eine "kurzfristige Erholung für die meisten zinssensitiven Teile des Marktes wie Wachstums-Aktien" und solche, deren Erfolg sich erst längerfristig abzeichnen würde.

Es braucht eine Reihe sinkender Inflationszahlen

Wachstums-Aktien (respektive "Growth" auf Englisch) und Value-Aktien sind ein ewiger Gegensatz im Anlagegeschäft. Wachstums-Aktien legen den Fokus auf die Zukunft und künftige Erträge. Steigende Zinsen sorgen allerdings dafür, dass der Wert künftiger Gewinne niedriger kalkuliert wird. Value-Aktien hingegen leben davon, dass sie in den Augen ihrer Investoren mehr wert sind und höheres Potential aufweisen, als ihnen der Markt unmittelbar zutraut.

Allerdings empfinden manche am Markt diesen Gegensatz als unnatürlich und empfehlen Anlage-Strategien, die mehrere Typen von Aktien einschliessen. 2022 hat Value-Strategien aber besser dastehen lassen. Value-Aktien handeln immer noch mit einem Discount von 57 Prozent zu Wachstums-Aktien. Die Bewertung liegt auch um 28 Prozent tiefer als beim Gesamtmarkt. Erst die Markteuphorie nach der Bekanntgabe der überraschend deutlich gesunkenen US-Inflationszahlen hat Wachstums-Aktien wieder in den Vordergrund geschoben.

Es gibt aber keine klaren Anzeichen, dass Investoren massenhaft aus Value-Aktien aussteigen werden. Die Zinsen werden weiter ansteigen. "Obwohl sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflationsrate sinken, ist das Äusserste, was wir von der Fed erwarten können, eine gewisse Verlangsamung der Straffungspolitik", sagte Seema Shah, Chefstrategin von Principal Asset Management, zu Bloomberg. "Bevor wir eine Reihe dieser Art Inflationszahlen haben, ist eine Pause noch kein Thema." Die Bewertung bleibt daher ein Thema.

Hinter den meisten Value-Aktien stecken "Short-Duration"-Geschäftsmodelle. Dies will heissen, die Unternehmen liefern auch kurzfristig Cashflow, was bei steigenden Zinsen ein erheblicher Vorteil ist. In der laufenden Berichtssaison haben Versorger und Banken diese Fähigkeit häufig unter Beweis gestellt, während Unternehmen hinter Wachstums-Aktien teils weitherum beachtete Verluste eingefahren haben. 

«Value grundlegend ein Kauf»

Dass bei Value aber auch nicht alles in Butter ist, zeigt, dass der MSCI Europe Value immer noch um rund 5 Prozent im Minus liegt, wenn mit dem Stand von Anfang Januar verglichen wird. Oft sind die Geschäftsmodelle der Value-Unternehmen zyklisch, so dass viele Investoren nicht stark auf Value gesetzt haben. Die Gefahr eines wirtschaftlichen Abschwungs ist real. 

Die Fondsgesellschaft Amundi setzt auf defensive Konsumgüter-Aktien und geht zyklische Risiken eher bei qualitativ hochwertigen Banken als bei Autoherstellern ein. Banken mit Retailgeschäft handelten mit einem starken Abschlag, weil die Märkte "das sich verschlechternde Wirtschaftsumfeld exzessiv eingepreist" hätten, sagt Amundi-Aktienchef Kasper Elmgreen. 

Für JP-Morgan-Strategen um Mislav Matejka bleiben Value Aktien "grundlegend ein Kauf". Vor allem Banken seien interessant. Er konzediert allerdings, dass der Wachstums-Anlagen einen Boden finden und langsam wieder ansteigen würden, sollten die Bond-Renditen ihren Peak erreichen. 

(Bloomberg/cash)