Was die Spatzen am Hauptsitz von AMS im österreichischen Unterpremstätten schon seit Wochen von den Dächern pfeifen (cash berichtete), ist nun offiziell: Der etwas kleinere Sensorenhersteller bietet den Aktionären der früheren Siemens-Tochter Osram Licht 4,2 Milliarden Euro in bar. 1,5 Milliarden Euro will die Käuferin über eine Kapitalerhöhung aufnehmen.

An der Börse kommen diese Pläne gar nicht gut an. Nach einem frühen Rückschlag auf 43,23 Franken verliert die AMS-Aktie zur Stunde noch 10,9 Prozent auf 43,70 Franken. Beobachtern zufolge verhindern ausländische Leerverkäufer mit Deckungskäufen schlimmeres.

Unklare Synergien, deutlich höhere Schulden

Analysten begegnen den Übernahmeplänen denn auch mehrheitlich mit Skepsis. Und das, obschon der Sensorenhersteller selbst schon ab dem ersten Jahr mit einer Gewinnverdichtung und ab dem zweiten Jahr mit einem Übertreffen der Kapitalkosten rechnet.

Wie die britische Liberum schreibt, hilft die Übernahme von Osram Licht aus Sicht von AMS weder in Bezug auf mögliche Synergien noch auf die Verschuldung. Hinzu komme, dass Osram Licht seit Monaten unter einem Nachfragerückgang aus China zu kämpfen habe und damit zu einem Opfer des Handelsstreits zwischen Washington und Peking geworden sei, so der verantwortliche Analyst.

Ob er seine Kaufempfehlung und das 65 Franken lautende Kursziel für die AMS-Aktie einer Überprüfung unterzieht, lässt er offen.

Der für die Bank Vontobel tätige Technologieanalyst begrüsst auf der einen Seite zwar die stärkere Diversifikation des kombinierten Unternehmens, gewinnt der Übernahme aber mehrheitlich negative Aspekte ab. Dazu zählen der deutliche Anstieg des Bilanzrisikos, die starke Abhängigkeit der Wertschöpfung von Synergieeffekten, die damit verbundenen Integrations- und Ausführungsrisiken, das zukünftig hohe Gewicht des Automobilsektors sowie der geänderte Fokus des Managements. Noch stuft er die AMS-Aktie mit "Buy" und einem Kursziel von 64 Franken ein.

Auch sein Berufskollege bei Barclays äussert sich eher unterkühlt, was die milliardenschwere Übernahme anbetrifft. Seines Erachtens passt Osram Licht eigentlich gar nicht ins Beuteschema von AMS. Gleichzeitig warnt er davor, dass die Pläne bei der Käuferin zu einer deutlich höheren Nettoverschuldung führen.

Der Barclays-Analyst hatte ursprünglich mit einer umfassenderen Kapitalerhöhung von bis zu 2,3 Milliarden Euro zwecks Teilfinanzierung der Übernahme gerechnet. Da AMS nur eine Kapitalerhöhung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro vorsieht, dürfte das Verhältnis von Nettoschulden zum operativen Gewinn (EBITDA) auf über 4 steigen.

Berechnungen der Zürcher Kantonalbank zufolge könnte das Verhältnis von Nettoschulden zum operativen Gewinn (EBITDA) selbst nach Abschluss der Kapitalerhöhung bei hohen 4,2 liegen.

AMS-Aktie der diesjährige Börsenüberflieger

Händler schliessen nicht aus, dass sich AMS nach dem Vollzug der Osram-Übernahme von nicht zum Kerngeschäft zählenden Geschäftsaktivitäten trennen wird. So könne die Nettoverschuldung dann verringert werden. Dennoch werden die Übernahmepläne auch im Berufshandel teils als "grössenwahnsinnig" und "gewagt" bezeichnet.

Zuversicht versprüht einzig der für Hauck & Aufhäuser tätige Analyst. Er sieht AMS mit der Übernahme von Osram Licht zu einem weltweit führenden Sensorenanbieter aufsteigen und macht signifikante Kosten- und Umsatzsynergien zwischen den beiden Unternehmen aus. Gleichzeitig warnt er jedoch vor der Gefahr, dass AMS das Barangebot in Höhe von 38,50 Euro je Aktie nachträglich nachbessern muss. Der Grund: Bei grossen Osram-Aktionären wie AGI oder DWS - gemeinsam halten sie rund 15 Prozent der Stimmen - liegen die Einstandspreise der Aktienpakete über den gebotenen 38,50 Euro.

Mit einer Kursverdoppelung seit Jahresbeginn führt die AMS-Aktie an der Schweizer Börse SIX die diesjährige Gewinnerliste bei den mittelgrossen und grossen Unternehmen an. Noch bis vor wenigen Tagen wurden in der Spitze gar Kurse von fast 58 Franken bezahlt.