Nach dem tödlichen Luftschlag der USA gegen einen der wichtigsten Generäle der iranischen Armee sind die internationalen Finanzmärkte vorsichtig geworden. Die Sorge vor einer Eskalation der Spannungen dominiert die Stimmung an den Börsen. Während Aktienfutures einen schwachen Handelsstart an der Wall Street signalisieren, verteuern sich Öl und Gold und auch der japanische Yen ist gesucht.

General Kassem Soleimani war Kommandant der Al-Kuds-Brigaden, der für Auslandeinsätze zuständigen Organisation der iranischen Revolutionsgarden. Er wurde auf Befehl von US-Präsident Donald Trump getötet. Irans Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei erklärte, die Mörder Soleimanis müssten mit “schwerer Vergeltung” rechnen.

Hier die Kommentare von sieben Analysten und Vermögensverwaltern zum Marktausblick:

Societe Generale

Kit Juckes, Chef-Devisenstratege in London

“Mit den zunehmenden Spannnungen ist Gold ein Gewinner. Und auch Öl legt zu. Die Bondrenditen sind gesunken. Die Aktienrally in den USA ist ins Stocken gekommen, hat sich aber nicht dramatisch ins Gegenteil verkehrt. Und am Devisenmarkt sind sichere Häfen und ölsensible Währungen die Nutzniesser. Klarer Gewinner ist der Yen.”

“Im Fokus dürfte das Niveau von 120 Yen je Euro stehen. Falls es nicht zu einer weiteren Eskalation kommt, sollte es halten.”

“Die Spannungen in der Strasse von Hormuz könnten bestehen bleiben, deshalb droht eine längere Phase höherer Ölpreise.”

Credit Agricole

Valentin Marinov, Chef der G-10-Währungsanalyse in London, nennt das Timing der Eskalation “unglücklich.”

Damit könnte “ein Dämpfer kommen für die Hoffnungen des Marktes auf eine Erholung der Weltwirtschaft, die noch immer vom chinesisch-amerikanischen Handelskrieg überschattet wird. Die Risikoneigung sollte fragil bleiben, auch weil die Zentralbanken womöglich nur langsam reagieren oder nicht mehr über das nötige Arsenal für eine adäquate Antwort verfügen.”

Marinov nennt Yen und Schweizer Franken “attraktiv”. Belastet werden könnten indessen Risiko-korrelierte Währungen Öl-importierender Länder wie Südkorea.

ING Groep

Antoine Bouvet, leitender Bondstratege in London

“Die jüngsten Episoden in den Spannungen zwischen den USA und dem Iran haben nicht zu einer erheblichen Eskalation geführt, sondern im Grunde zu einem recht gutartigen Ausgang der Krise. Das Kaufinteresse in Bezug auf US-Treasuries und Bunds sollte mindestens bis in die nächste Woche hinein bestehen bleiben.”

Colombo Wealth

Alberto Tocchio, Chief Investment Officer im schweizerischen Lugano

“Es könnte der Aspekt der ‘schweren Vergeltung’ sein, der den Markt schreckt. Womöglich kommt es zu einem Gegenschlag auf amerikanische Diplomaten. Die Märkte könnten dies als Ausrede nutzen, um einige Gewinne mitzunehmen. Denn die Stimmung ist womöglich zu gut und die Positionierungen zu hoch.”

“Wir würden mögliche Schwäche nutzen, um unser Engagement in Aktien zu erhöhen.”

Saxo Capital Markets

Kay Van-Petersen, Makro-Stratege in Singapur

“Wir bewegen uns womöglich von einem Stellvertreter-Konflikt (Iran gegen Saudi-Arabien und USA) hin zu einem direkten Konflikt der vom Iran unterstützten Kräfte mit den USA.” Per Saldo “sehe ich allerdings nicht, was der Iran wirklich tun kann”, so Van-Petersen.

“Bis nächste Woche oder Mitte Januar sind noch nicht alle zurück an den Schreibtischen. Deshalb könnte mangelnde Liquidität zu einer Überreaktion nach unten führen. Erst einmal muss sich zeigen, was in den nächsten 24 bis 48 Stunden passiert. Es sollte nicht vergessen werden, dass im Nahen Osten schon Wochenende ist.”

Der Ölpreis-Anstieg scheine “ganz ehrlich, etwas überzogen“, so Van-Petersen. Für die US-Militärausgaben seien die Nachrichten aber positiv, und auch französische Verteidigungswerte könnten Schub bekommen.

“So viel dazu, dass Trump die Truppen zurück nach Hause holt.”

Covenant Capital

Edward Lim, Vermögensverwalter in Singapur

“Der Angriff unterstreicht einfach die geopolitischen Risiken an den Ölmärkten. Im ersten oder den ersten beiden Quartalen 2020 könnte das Öl am Markt knapp werden.”

“Wir haben nicht auf die Nachricht reagiert, da wir bereits einige Ölaktien wie CNOOC und Total erworben haben, als Öl Ende 2019 nahe $60 gehandelt wurde.”

UOB Kay Hian (Hong Kong)

Steven Leung, Executive Director in Hong Kong

“Die Anleger sind besorgt, dass sich die Lage im Iran verschlechtert, da es nach dem US-Angriff eine gewisse Vergeltung geben könnte. Die Leute werden bestrebt sein, vor dem Wochenende das Risiko zu verringern. In etwa dem vergangenen Monat haben die Aktien kräftig zugelegt. Schlechte Nachrichten sind da ein Grund, Gewinne einzustreichen.”

(Bloomberg)