Im Shutdown ist die US-Notenbank Fed derzeit von wichtigen Konjunkturdaten staatlicher Stellen abgeschnitten und agiert dennoch nicht im Blindflug. Denn ihr stehen Alternativen zur Verfügung: beispielsweise eigene Umfragen und Modelle sowie private Daten, die die Federal Reserve auch während des Shutdowns weiter nutzen kann. Laut Fed-Vizepräsident Philip Jefferson ist die Datenbasis für die Arbeit der Notenbank ausreichend, auch wenn die offiziellen Daten zweifellos den «Goldstandard» darstellen, wie er bei einer Bundesbank-Veranstaltung in Frankfurt wissen liess.

Wegen des teilweisen Regierungsstillstands im Zuge der längsten Haushaltssperre in der US-Geschichte sind wichtige Konjunkturdaten Mangelware: Veröffentlichungen von staatlichen Stellen sind ausgesetzt. «Wir erhalten dennoch ein recht gutes Bild der Gesamtlage, auch ohne die offiziellen Statistiken», meint Brent Meyer, Leiter des Economic Survey Research Center des Notenbankbezirks Atlanta.

Dieses Institut befragt vierteljährlich rund 5600 Führungskräfte zu den erwarteten Geschäftsergebnissen, den wirtschaftlichen Aussichten und anderen Themen. «Wir stützen uns nicht auf Einzelfälle. Wir erfassen einen Grossteil des Geschehens», erläutert Meyer. Die Federal Reserve Bank von Atlanta steht damit keineswegs allein da. Seit dem Beginn des Shutdowns am 1. Oktober haben Mitarbeiter aus dem gesamten Federal-Reserve-System der USA alternative Daten-Dashboards erstellt, modellbasierte Schätzungen fehlender Statistiken wie der Arbeitslosenquote veröffentlicht und die Entwicklung verschiedener Umfragen mit früheren Regierungsdaten verglichen.

Auch wenn wegen des Shutdowns bis heute kein staatlicher Arbeitsmarktbericht für September vorliegt, war bereits Anfang Oktober der Notenbankbezirk Chicago mit einer Echtzeit-Schätzung zur Stelle: Demnach hat sich die Arbeitslosenquote auf dem Vormonatswert von 4,3 Prozent eingependelt. Die Schätzzahlen basieren teils auf staatlichen Umfragedaten und teils auf Quellen aus der Privatwirtschaft wie das Job-Portal Indeed und Google. Jüngst lieferte die Chicago-Fed auch die Werte für Oktober. Demnach dürfte die Quote auf 4,4 Prozent angestiegen sein. Laut dem Chef der Chicagoer Fed, Austan Goolsbee, deuten diese Schätzung und die meisten anderen verfügbaren Indikatoren auf eine «grosse Stabilität auf dem Arbeitsmarkt» hin. Wenn sich die Lage zu verschlechtern beginne, werde man das ziemlich schnell bemerken.

Anders sehe es bei der Inflation aus: Es gebe deutlich weniger Datenquellen zur Preisentwicklung ausserhalb der offiziellen Daten, sagte Goolsbee. Zum Glück für die Notenbank wurden trotz des Shutdowns im Oktober Daten zu den September-Verbraucherpreisen veröffentlicht. Die Inflation zog auf 3,0 Prozent an, nach 2,9 Prozent im August.

Daten aus Onlinedaten-Analysen und KI-Modellen

Fed-Chef Jerome Powell hat zu bedenken gegeben, dass angesichts des staatlichen Datenblackouts ein vorsichtiges Vorgehen beim Zinskurs naheliege - eine Position, die auch Jefferson teilt. Dennoch steht den Währungshütern eine wahre Flut von Informationen zur Verfügung, die sich beispielsweise aus Onlinedaten-Analysen und KI-Modellen speist.

Dabei stellt sich die Aufgabe, aus der Zahlenflut das für die Notenbank Relevante herauszufiltern. Manche Fälle sind unkompliziert. Die Mitarbeiter der Fed sind beispielsweise der Ansicht, dass die zahlreichen Online-Stellenanzeigen von Unternehmen wie Indeed mit den offiziellen Stellenberichten der Regierung im Einklang stehen. Andere Fälle werden noch untersucht.

Die Inflation im Dienstleistungssektor etwa ist ein besonders komplexes Thema und online nicht so leicht zu erfassen wie Warenpreise. Es wird jedoch daran gearbeitet, mithilfe von Künstlicher Intelligenz Preissignale aus Unternehmensberichten und anderen Dokumenten zu gewinnen.

(Reuters)