Nvidia, dessen Prozessoren das Rückgrat der KI-Revolution bilden, überschritt als erstes Unternehmen einen Marktwert von fünf Billionen Dollar. Für OpenAI ebnete sich der Weg für einen Börsengang, der den ChatGPT-Entwickler mit einer Billion Dollar bewerten könnte. In den vorgelegten Zahlen der Tech-Riesen und in zahlreichen Äusserungen der Führungskräfte wird klar: KI ist derzeit der wichtigste Treiber für weltweite Investitionen und die Rally an den internationalen Börsen. Die Frage ist, wie lange der Hype anhält.
«Wir stehen noch am Anfang», sagt Nick Evans, Portfoliomanager beim Polar Capital Technology Trust. «Das Tempo der KI-Innovation ist das schnellste, das wir seit Jahrzehnten gesehen haben.» Auch viele Ökonomen sind der Ansicht, dass der KI-Zyklus noch lange nicht ausgeschöpft ist. Goldman Sachs schätzt, dass die KI-Investitionen derzeit weniger als ein Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Dies liegt weit unter den Spitzenwerten von zwei bis fünf Prozent, die während des Elektrizitäts- und des Dotcom-Booms erreicht wurden.
Boom erfasst gesamte KI-Lieferkette
Der Investitionsboom beschränkt sich längst nicht mehr auf Technologiekonzerne wie Microsoft, Amazon oder Alphabet. Mehr als 100 Unternehmen aus anderen Branchen thematisierten in dieser Woche in den Calls zu den Quartalsbilanzen ihre Pläne rund um den Bau von Rechenzentren - etwa der Anlagenbauer Honeywell, der Turbinenhersteller GE Vernova oder der Baumaschinenproduzent Caterpillar. «Die KI-Lieferkette umfasst jetzt Strom, Industrieprodukte und Kühltechnologie, und die Investoren betrachten das gesamte Ökosystem und nicht nur die Kerntechnologie», erklärt Ayako Yoshioka, Portfoliomanagerin bei der Wealth Enhancement Group.
Goldman Sachs schätzt, dass die weltweiten Ausgaben für KI-Infrastruktur bis 2030 drei bis vier Billionen Dollar erreichen könnten. Allein Microsoft, Amazon, Meta und Alphabet werden dieses Jahr voraussichtlich zusammen rund 350 Milliarden Dollar investieren. Die enormen Ausgaben treiben selbst die finanzstärksten Konzerne an ihre Grenzen. Microsoft gab für das letzte Quartal Rekordinvestitionen von 35 Milliarden Dollar bekannt und prognostizierte weiter steigende Ausgaben. Dies veranlasste einen Analysten von Bernstein zu der Frage, ob das Unternehmen in eine Blase investiere. Microsoft-Finanzchefin Amy Hood entgegnete, die Nachfrage übersteige weiterhin die Ausgaben. «Ich dachte, wir würden aufholen. Das tun wir nicht», sagte sie.
Einige Unternehmen finanzieren ihre KI-Projekte zunehmend mit Schulden. Die Anleiheemission von Oracle über 18 Milliarden Dollar im vergangenen Monat war eine der grössten, die je von einem Technologieunternehmen gemacht wurde. Der Instagram-Konzern Meta plant offenbar eine noch grössere Emission von bis zu 30 Milliarden Dollar. Die Nachricht dazu liess die Meta-Aktie am Donnerstag um elf Prozent fallen.
Investitionen steigen schneller al der Umsatz
Analysten warnen zudem vor einem immer schneller werdenden Zyklus für Server und Chips, da jede neue Generation die Leistung exponentiell steigert. Die Nutzungsdauer von KI-Chips sinke auf fünf Jahre oder weniger, was die Unternehmen zwinge, «Vermögenswerte schneller abzuschreiben und sie früher zu ersetzen», sagt UBS-Analyst Tim Arcuri. Die Kluft zwischen den Investitionen und den Erträgen weitet sich aus. Einer Analyse der Nachrichtenagentur Reuters zufolge ist das Verhältnis von Umsatz zu Investitionen bei grossen Tech-Konzernen stark gesunken, da die Ausgaben für Chips und Rechenzentren schneller wachsen als der Umsatz.
Manche halten diese Entwicklung für besorgniserregend und befürchten eine Überbewertung an den Börsen. Seit dem Debüt von ChatGPT im Jahr 2022 sind die weltweiten Aktienwerte um 46 Prozent oder 46 Billionen Dollar gestiegen. Ein Drittel dieses Zuwachses entfällt der Bespoke Investment Group zufolge auf Unternehmen mit KI-Bezug. Sumali Sanyal, Portfoliomanagerin bei der Investmentfirma Xponance, warnt die Unternehmen: «Wenn nicht innerhalb von drei Jahren Fortschritte bei der Monetarisierung erzielt werden, wird der Markt anfangen, harte Fragen zu stellen.»
(Reuters)
