Können Arbeitnehmer in der beruflichen Vorsorge die Anlagestrategie selber wählen? Fast die Hälfte der Befragten in einer im September veröffentlichten Untersuchung der Hochschule Luzern beantworten diese Frage falsch. Zutreffend ist, dass die Versicherten in der Regel die Investitionsentscheide der Pensionskasse nicht bestimmen können.

Zugleich aber wünscht sich mehr als die Hälfte eine solche Wahlmöglichkeit - vorausgesetzt, man werde gut beraten oder könne aus einer vorgegebenen Strategieauswahl aussuchen.

Damit ist ein Teil der Befragten offen für eine Lösung, die es schon gibt, aber an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist: 1e-Vorsorgepläne. cash.ch geht auf wichtige Fragen und Antworten um dieses Modell der beruflichen Vorsorge ein.

Was sind 1e-Vorsorgepläne eigentlich?

Der Begriff «1e»-Plan lässt an eine Lösung innerhalb der ersten Säule der Altersvorsorge denken. Es handelt sich aber um einen Baustein des Pensionskassensystems. Die Bezeichnung «1e» geht auf die Nummer des Artikels in der entsprechenden Bundesverordnung zurück - den Artikel 1e.

Die Kernidee ist: Lohnanteile über 136'080 Franken können nach einer selbst bestimmten Strategie angelegt werden. Der Schwellenbetrag, 136'080 Franken, entspricht dem anderthalbfachen der Obergrenze im BVG-Obligatorium, die aktuell bei 90'720 Franken liegt. Experten raten, dass man als Versicherter wenigstens 150'000 Franken verdienen sollte, damit das Kosten-Nutzen-Verhältnis günstig bleibe, auch bei einem gewissen zusätzlich anfallenden Aufwand.

Die Vorsorgeeinrichtungen können bis zu zehn Anlagestrategien anbieten. Eine davon soll risikoarm sein. So steht den Versicherten ein Spektrum an Optionen zur Verfügung.

Was genau macht 1e-Pläne so speziell?

Es geht um eine Form der beruflichen Vorsorge, die insbesondere Kaderleute anspricht. Ein zentrales Merkmal ist die Flexibilität, die einem durch die Wahl einer Anlagestrategie geboten wird. Das Geld kann je nach Anlagehorizont, Risikoprofil und Zielen verwendet werden. Der Erfolg und der Misserfolg wird dem persönlichen Guthaben zugewiesen.

Etwa haben jüngere Versicherte einen langen Zeithorizont: Wer mit 35 in höhere Hierarchiestufen aufgestiegen ist, hat drei Jahrzehnte bis zur Pensionierung. Deshalb ist eine relativ hohe Aktienquote lukrativ, da man auf Dauer mit entsprechend hohen Renditen rechnen und Schwankungen der Finanzmärkte über einen langen Zeitraum erfahrungsgemäss ausgleichen kann.

Personen, die kurz vor dem Renteneintritt stehen, werden konservativer vorgehen, um unerwartete Einbrüche, die nicht mehr aufgeholt werden können, zu vermeiden.

Welche weiteren Vorteile haben 1e-Pläne für die Versicherten?

Neben der grösseren Flexibilität sind die Beiträge steuerabzugsfähig. Zudem entgehen die 1e-Versicherten der Umverteilung zwischen aktiv Versicherten und Rentnern. Eine solche Umverteilung hat aufgrund sich verändernder Umstände, besonders der gestiegenen Lebenserwartung, eingesetzt: Dem Grundsatz nach spart in der zweiten Säule zwar jeder und jede für sich selbst. Ein Teil der Pensionskassen muss nun aber Geld von den aktiv Versicherten für die schon eingegangenen Rentenversprechen einsetzen.

«Dass sich die Versicherten dank 1e-Plänen vermehrt mit der eigenen beruflichen Vorsorge auseinandersetzen, ist ebenfalls positiv zu werten», schreibt Fabian Meyer, Spezialist und Berater für berufliche Vorsorge der Luzerner Kantonalbank. Der Grund ist mehrschichtig: Will man einen 1e-Vorsorgeplan? Wenn ja, welchen - mit welchem Ziel, mit wie viel Risiko und welcher Aufteilung nach Anlageklassen? Solche Fragen beschäftigen und verursachen wohl auch Aufwand. Sie leiten aber zu einer vertiefteren Auseinandersetzung mit Vorsorge- und Finanzthemen. 

Was sollte man beachten?

Normalerweise kann man Anlageentscheide seiner Pensionskasse nicht mitbestimmen und muss es auch nicht. Anders bei 1e-Plänen: Gerade hier ist Anlagewissen gefragt. Idealerweise bringt man schon Erfahrung mit, beispielsweise da man einen Teil seines Vermögens schon in Aktien investiert oder sich in der dritten Säule für eine Wertschriftenlösung entschieden hat.

Weiter zu beachten ist, dass das Vorsorgeguthaben nicht aufgeteilt oder nach unterschiedlichen Strategien angelegt werden darf. Es braucht also eine klare Entscheidung für ein Vorgehen.

Wie wirken sich 1e-Pläne auf die Wahl zwischen Renten- und Kapitalbezug aus?

Für Personen, die auf die Pensionierung zugehen, stellt sich die Frage: Will ich die Rente beziehen oder das Kapital nehmen oder mich für einen Mix aus beiden Optionen entscheiden? Der Entscheid hängt stark von der persönlichen Lebens- und Finanzlage ab.

Anders verhält es sich bei der Kadervorsorge: «1e-Vorsorgepläne sehen zum Zeitpunkt der Pensionierung in der Regel den reinen Kapitalbezug vor», erklärt Fabian Meyer von der Luzerner Kantonalbank. Somit folgen 1e-Pläne einer Linie: Jeder spart und investiert für sich selbst, es wird keine Rente ausbezahlt, sondern das Kapital, das der Versicherte aufgebaut hat.

Was kann bei einem Stellenwechsel und dem Übertritt in eine neue Pensionskasse passieren?

Das ist eine Klippe, die erkannt und noch nicht umschifft ist. Parlament und Bundesrat arbeiten seit September 2021 daran. Der damals eingereichten Motion zufolge soll «ein zwangsweiser Verlust auf der Freizügigkeitsleistung verhindert werden». Dies für den Fall, dass ein Versicherter von einem Arbeitgeber mit einem 1e-Vorsorgeplan zu einem Arbeitgeber ohne 1e-Vorsorgeplan wechselt.

Ein solcher Stellenwechsel - geschehe er freiwillig oder unfreiwillig - kann dann besonders schmerzhaft sein, wenn er in einem Börsentief erfolgt. Wie der Urheber des Vorstosses, Ständerat Josef Dittli, argumentiert, droht dann «die zwangsweise Realisierung eines Verlusts». Dieser Verlust könne bei später steigenden Börsenkursen nicht mehr wettgemacht werden, da der neue Arbeitgeber keinen 1e-Vorsorgeplan mit ähnlichen Anlagestrategien anbiete.

Stände- und Nationalrat haben der Motion zugestimmt, und der Bundesrat hat eine Lösung vorgestellt: Die Versicherten sollen das Vorsorgeguthaben aus dem 1e-Plan vorübergehend für zwei Jahre auf eine Freizügigkeitseinrichtung übertragen und so «allfällige Verluste nach Möglichkeit wieder gutmachen» können. Die Vernehmlassung zu diesem Konzept ist abgeschlossen. Es ist aber noch nicht in geltendes Recht gegossen worden.

Gibt es auch Vergleiche einzelner 1e-Vorsorgelösungen?

Das Beratungsunternehmen Weibel Hess & Partner (WHP) hat eine verdeckte Ausschreibung («Mystery Shopping») zu 1e-Vorsorgelösungen vorgenommen. Die Anbieter sollten eine Offerte für ein KMU mit sieben Kadermitarbeitenden abgeben. Die folgende Tabelle fasst wichtige Erkenntnisse zusammen.

Sammelstiftung Variablen Kosten (CHF) Stiftungsgebühren (%) Anlagestrategie mit höchster Aktienquote (%) Anzahl aktiv Versicherte (Ende 2024)
Agilis 1e Sammelstiftung 11’806 0,0 85 99
finpension 1e Sammelstiftung 8959 0,49* 100 5463
Liberty 1e Flex Investstiftung 5965 0,0 bis 0,50** 100 1996
Sammelstiftung Vita Select 16'629 0,0 100 674
Swisscanto 1e Sammelstiftung 15'696 0,42 75 290
UBS 1e Sammelstiftung 12'150 0,0 100 1268

Tabelle: Vergleich von 1e-Modellen / Quelle: Weibel Hess & Partner AG / *Die Stiftungsgebühr ist in der All-in-Fee eingeschlossen. Diese beinhaltet die Stiftungsgebühr, die Depotgebühr, die Transaktionskosten und die Rebalancing-Gebühr. / **Abhängig von der Anlagestrategie

Alle 1e-Anbieter haben Versicherte hinzugewonnen. Der Zuwachs beträgt laut WHP mehr als 30 Prozent innert eines Jahres und spiegele ein zunehmendes Interesse an den Vorsorgemodellen.

Indes fallen auch die Unterschiede bei den Kosten auf - speziell bei den variablen Kosten, zu denen Risiko- und Verwaltungskosten zählen. Der günstigste Anbieter offerierte kumuliert 5965 Franken pro Jahr für sieben Kadermitarbeitende; der teuerste Anbieter lag bei 16'629 Franken pro Jahr. Das Mystery Shopping zeige, «dass sich ein Vergleich lohnt», so WHP.

Reto Zanettin
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