In der Pandemie haben immer mehr Chinesen die Liebe zu eigenen Produkten "Made in China" entdeckt. Diese geht mit einer zunehmenden Abneigung gegen ausländische Marken einher, was die Nachfrage nach heimischen Waren kräftig anheizt und Investoren neue Möglichkeiten bietet.

Allein in den ersten fünf Monaten haben chinesische Konsumgüterfirmen umgerechnet rund elf Milliarden Dollar bei Investoren eingesammelt, wie die chinesische Investmentbank Cygnus Equity vorrechnet. Das sei mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr.

"Schönheitsprodukte, Lebensmittel und Getränkemarken sind am beliebtesten", sagt Cygnus-Geschäftsführer Ming Jin. Besonders begehrt seien neuerdings die chinesische Fondue-Variante Hotpot, sowie Ramen-Nudeln, eine besondere Art von Nudeln, die in Japan weit verbreitet ist aber ursprünglich aus China stammt. Bis zu 200 Marken seien in der Volksrepublik derzeit auf der Suche nach frischem Kapital von Investoren, berichten Banker und Investoren.

Konsum immer noch enorm

"China ist der einfachste Markt, um etwas von Null auf ein 100 Millionen Yuan Umsatzziel aufzubauen", sagt ein Geldgeber, der in den Teekettenbetreiber Nayuki investiert hat und nicht namentlich genannt werden wollte. Der Börsengang in Hongkong spülte Nayuki vergangene Woche 656 Millionen Dollar in die Kassen und brachte der Firma eine Bewertung von 4,4 Milliarden Dollar. Das ist bereits mehr als doppelt so viel wie bei einer Finanzierungsrunde im Dezember.

Noch rasanter ging es bei Genki Forest nach oben, einer Erfrischungsgetränkemarke, die Coca Cola herausfordern will. Der Getränkekonzern wurde nach einer Kapitalbeschaffungsrunde im April mit sechs Milliarden Dollar bewertet und damit zehnmal höher als noch vor 18 Monaten. Auch Investoren wie der Private-Equity-Arm des Louis-Vuitton-Eigentümers LVMH sowie der staatliche Investor Temasek aus Singapur mischten mit.

«Genausogut wie ausländische Produkte»

Beim Online-Shopping-Festival der chinesischen Internetfirma JD.com in diesem Monat fiel das Umsatzwachstum chinesischer Marken um vier Prozent höher aus als das internationaler Marken. Bei der Kundenzahl konnten lokale Produkte JD.com zufolge sogar um 16 Prozent stärker zulegen als die internationale Konkurrenz.

"Wenn man einmal probiert hat, stellt man fest, dass die Qualität lokaler Produkte genauso gut ist wie die ausländischer Produkte", sagt He Shuang, die am liebsten zu einheimischen Marken wie Carslan-Lidschatten, Feiyue-Sneakers, Bestore-Snacks und Miniso-Haushaltswaren greift. Die 19-jährige Studentin ist während der Pandemie in ihrer Heimatstadt Chongqing im Südwesten Chinas gestrandet und hat mittlerweile mehr als 300 heimische Marken zu ihrer Favoritenliste auf Alibabas Online-Einkaufsplattform Taobao hinzugefügt.

"Die Menschen reisen im Inland und nutzen die Gelegenheit, ihr eigenes Land neu zu entdecken, zu ihren Bräuchen zurückzukehren und neue chinesische Marken zu entdecken", erläutert Chris Mulliken, ein in Shanghai ansässiger Partner der Unternehmensberatung EY. Auch Nationalismus sei ein Faktor, der die Beliebtheit lokaler Marken vorantreibe.

Menschenrechts-Diskussion spielt eine Rolle

Chinesen seien stolz darauf, wie das Land mittlerweile die Coronavirus-Pandemie hinter sich gelassen habe. Maia Active, ein von Sequoia Capital unterstützter Hersteller von besonders in Lockdownzeiten gefragter Sport- und Freizeitkleidung, wirbt etwa damit, das die heimischen Produkte auf Grundlage der Körpermasse asiatischer Frauen entworfen worden seien. Damit böten sie den Kunden eine bessere Passform und mehr Komfort als westliche Kleidung.

Ein Katalysator war wohl auch die Weigerung mehrerer globaler Marken wie H&M, Nike und Adidas, wegen Vorwürfen zu Menschenrechtsverletzungen Baumwolle aus Chinas Xinjiang-Region zu beziehen. Das löste eine heftige Gegenreaktion aus: Die Aktien der inländischen Sportbekleidungshersteller Xtep, Li Ning und Anta stiegen seit April um rund 200 Prozent beziehungsweise rund 60 und 40 Prozent. "Die Verbraucher vergöttern nicht länger internationale, multinationale Marken", sagt Nina Gong, eine in Peking ansässige Geschäftsführerin des Private-Equity-Unternehmens Carlyle Group. "Sie mögen Produkte und Marken, die für sie sprechen." 

(Reuters)