Aus den jüngst veröffentlichten Protokollen der letzten Zinssitzung lesen manche Analysten heraus, dass die US-Notenbank Fed mit der Straffung der geldpolitik schneller beginnen und mehr als drei oder gar vier Zinserhöhungen ins Auge fassen könnte. Bereits im März könnte es so weit sein mit dem ersten Schub. Bekräftigt wird die restriktivere Haltung durch Inflationsdaten. Waren und Dienstleistungen kosteten im Dezember in den USA 7 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Das ist der höchste Stand seit 1982.
Und selbst in Europa befürchten Anleger angesichts der steigenden Inflation eine Straffung der Geldpolitik. Im Zuge der geldpolitischen Trendwende und der weitergehenden Konjunkturerholung sind die Renditen auf Staatsanleihen in die Höhe geklettert. Die Rendite der US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit stieg am Montag auf 1,8 Prozent - der höchste Wert seit Januar 2020. Und auch das Schweizer Pendant stiess auf über 0 Prozent vor.
Das Zusammenkommen von Konjunkturerholung, steigender Renditen und Zinsen hat die Schweizer Börse nicht kalt gelassen. Es befeuert die Branchenrotation weg von Tech- und Wachstumswerten hin zu Substanzaktien (auch Value genannt) und Zyklikern. So hat der Swiss Market Index (SMI) auf Wochensicht 1,7 Prozent verloren. Seit Jahresbeginn hat sich das Minus auf 2,3 Prozent ausgeweitet.
Zu einer neuen Stärke erwacht ist hingegen Holcim, die mit plus 7,9 Prozent im SMI am meisten zulegen konnte. Damit setzen die Aktien, die vom Megatrend Infrastruktur profitieren, den seit Ende Dezember begonnen Aufwärtstrend fort. Am Dienstag hat das Unternehmen zudem die Übernahme der PRB Group in Frankreich bekanntgegeben, einem Hersteller von Speziallösungen für das Bauwesen. Diese Akquisition sei ein weiterer signifikanter Schritt hin zu einem spezialisierteren und weniger CO2-intensiven Bauzulieferer, heisst es etwa in einem Kommentar der Bank Vontobel.
Auch in der zweiten Börsenwoche des Jahres setzte sich der gute Lauf der Finanzwerte, die generell von steigenden Zinsen profitieren, weiter fort. Die Credit Suisse (+3,3 Prozent), Zurich Insurance (+3,2 Prozent) und Swiss Life (+2,1 Prozent) nehmen die Plätze zwei bis vier in der Wochenrangliste ein. Eine Ausnahme von der Regel sind die Aktien der UBS (+0,8 Prozent), die nach ihrem starken Anstieg in den ersten Handelstagen des Jahres eine Verschnaufspause einlegen.
Zu den Gewinnern gehört nach Zahlen auch Partners Group (+1,6 Prozent). Das Unternehmen gab am Donnerstagabend bekannt, dass es 2021 die verwalteten Vermögen gesteigert, eine Rekordsumme investiert und zahlreiche Anlagen gewinnbringend veräussert hat.
Tops und Flops der Woche im SMI in der ablaufenden Handelswoche
Quelle: Bloomberg
Ordentlich unter Druck sind hingegen Aktien gekommen, bei denen hohes zukünftiges Wachstum bereits eingepreist ist. Werden für die Zukunft steigende Zinsen erwartet, verlieren die erwarteten Gewinne von Morgen, die im Aktienkurs eingepreist sind, automatisch an Wert. Die Aktien der gut gelaufenen und entsprechend hoch bewerteten Lonza (-6,6 Prozent) verlieren die zweite Woche in Folge deutlich. Das gleiche gilt für Geberit (-6,2 Prozent), Givaudan (-5,6 Prozent) oder Sika (-5,1 Prozent). Geberit und Sika sind nach Präsentation der Umsatzzahlen 2021 trotz Rekorden unter die Räder geraten.
Mit Roche (-3,7 Prozent) zeigt auch eines der Pharma-Schwergewichte Schwäche. Ein Dämpfer für die Absatzperspektiven des Alzheimer-Medikaments von Konkurrent Biogen setzte den Roche-Titeln zu. Die US-Krankenversicherung Medicare will die Kosten nur für Patienten übernehmen, die das Mittel im Rahmen klinischer Versuche nehmen. Damit zerstörte sie Experten zufolge Hoffnungen auf einen Verkaufserfolg des Medikaments. Roche forscht ebenfalls an einem ähnlichen Arzneimittel.
Der breite Markt gemessen am Swiss Performance Index (SPI) verliert 2,0 Prozent. Zuoberst thront unangefochten das Biotechnologieunternehmen Molecular Partners (+85,5 Prozent). Das experimentelle Covid-Medikament Ensovibep von Molecular Partners und seinem Partner Novartis könnte binnen Wochen auf den Markt kommen, wie am Montag bekannt wurde.
Auf dem dritten Platz befindet sich mit plus 11,9 Prozent Basilea. Das Biotechunternehmen übertrifft den am Montag vorgelegten Ergebnis die eigene Prognose. Ebenfalls stark ist Burckhardt Compression (+8,5 Prozent). Das Unternehmen ist der führende Anbieter von Kolbenkompressoren zum Verdichten, Kühlen oder Verflüssigen von Gas. Der Preis für Erdöl und Erdgas ist im neuen Jahr wieder angestiegen, was der Aktie zugutekommt.
Tops und Flops der Woche im SPI in der ablaufenden Handelswoche
Quelle: Bloomberg
Die Aktien des Biotechnologieunternehmens Relief Therapeutics (-20,8 Prozent) sind am unteren Ende der Fahnenstange. Die Auseinandersetzung vor Gericht mit dem ehemaligen Partner NRx schafft bei den Aktionären des "Penny Stocks" kein Vertrauen und lässt den Kurs absacken.
Dass ein Rekordergebnis nicht direkt in steigenden Kursen mündet, beweist auch der Fall Swissquote (-9,0 Prozent). Die Bank hat im vergangenen Jahr vom Boom bei den Kryptowährungen profitiert und einen starken Neugeldzufluss verzeichnet. Bei Swissquote reicht nach dem starken Kursanstieg im vergangenen Jahr (+123 Prozent) ein Ergebnis, das nur etwas besser als erwartet sei, nicht mehr aus, um die Aktie weiter nach oben zu treiben.