In den letzten Wochen war es sehr häufig das selbe Spiel: Ging es mit den Ölpreisen abwärts, ging es auch mit den Aktienmärkten abwärts. Der breite amerikanische Aktienmarkt in Form des S&P 500 hat sich seit Anfang Dezember an 44 von 60 Handelstagen in die gleiche Richtung bewegt wie der Ölpreis, schreibt die Business-Website Marketwatch.

Auch Schweizer Börsianern dürfte dieser Zusammenhang bekannt vorkommen. Wie der nächste Chart zeigt, haben sich der Swiss Market Index (SMI) und die Rohölsorte Brent (rote Linie) in jüngster Vergangenheit sehr ähnlich entwickelt. Der SMI ist in den letzten drei Monaten um 13 Prozent gefallen, Öl hat sich um 20 Prozent verbilligt. Hintergrund der fallenden Ölpreise war das weltweite Rohöl-Angebot, das die Nachfrage überstieg.

Rohöl und SMI in den letzten drei Monaten bei 100 indexiert, Quelle: cash.ch

Doch der Anteil der Unternehmen aus dem Energie- und Versorgersektor am Gesamtmarkt ist viel weniger gross als es diese starke Korrelation vermuten lässt. In der Schweiz liegt er je nach Schätzung im tiefen bis mittleren einstelligen Prozentbereich. "Aufgrund der internationalen Ausrichtung des Schweizer Aktienmarktes sind aus meiner Sicht die Währungsveränderungen als wichtiger einzustufen als die Ölpreise", sagt Aktienstratege Christoph Riniker von der Bank Julius Bär zu cash.

Es spielen also noch andere Faktoren mit. "Es besteht die Befürchtung, dass die Schwierigkeiten im Energiesektor auf andere Sektoren übergreifen könnten", sagt Gabriel Bartholdi vom Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners auf Anfrage. Diese Angst wirkt sich dann in einer Art Dominoeffekt auf die Aktienmärkte aus.

Staatsfonds unter Zugzwang

Neben vielen Energiefirmen, die direkt unter den tiefen Ölpreisen leiden, wurden jüngst vor allem Finanztitel in Mitleidenschaft gezogen. Denn Investoren machen sich Sorgen über die Kreditwürdigkeit der Energieunternehmen. Und Zahlungsausfälle in grossem Stil würden die Kreditgeber, also die Banken, betreffen. "Und schwächelnde Banken sind Gift für die Aktienmärkte", so Investment-Stratege Bartholdi.

Zudem verbindet ein weiterer Aspekt die Öl- und Aktienpreise: Staatsfonds ölreicher Länder sind aufgrund der tiefen Rohstoffpreise gezwungen, neue Einnahmenquellen zu eröffnen. Das machen sie zum Beispiel durch den Verkauf von Aktien, wie Ole Hansen von der Saxo Bank ausführt.

Folgt nun die Abkopplung?

Diese Verbindungen könnten sich nun allmählich lösen. In den letzten Tagen zeichnete sich am Ölmarkt eine Erholung ab. Am Montag legte Rohöl den vierten Tag in Folge zu und steht mittlerweile auf dem höchsten Stand seit dem 6. Januar. Gleichzeitig sind die amerikanischen Börsen am Freitag und am Montag gefallen. In diesem Umfeld stellt sich die Frage, ob die Ölpreise einen Boden gefunden haben und ob sich die Börsen bereits vom Öl abgekoppelt haben.

"Wenn sich die Preise am Ölmarkt stabilisiert haben und sogar zu steigen beginnen, verschieben die Aktienmärkte ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge und die Korrelation nimmt ab", sagt der dänische Rohstoff-Experte Ole Hansen zu cash. Ähnlicher Meinung ist James Butterfill, Chef-Analyst beim Vermögensverwalter ETF Securities. Er erwartet künftig weniger Gleichlauf, weil sich die Märkte bewusst würden, dass billigeres Öl und Benzin für Firmen und die Wirtschaft nicht schädlich sondern anregend sind.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass hohe Korrelationen zwischen Rohstoffen und Aktien nichts Aussergewöhnliches sind und sich jeweils auch wieder abbauen. Im folgenden Chart wird dies übersichtlich veranschaulicht. Dennoch dürften die Anleger weiterhin auch auf die Rohstoffpreise schielen. Analyst Butterfill sieht den fairen Wert von Rohöl zwischen 45 und 70 Dollar pro Fass. Doch das bedinge, dass sich die Märkte wieder auf Fundamentaldaten fokussierten.