In vielen Luxusvierteln der USA verdienen erfahrene Haushälterinnen inzwischen mehr als 100'000 Dollar im Jahr – plus Zusatzleistungen. Grund: Die hohe Nachfrage im Luxusmöbel- und Designsegment hat die Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften befeuert, die empfindliche und kostspielige Einrichtungsgegenstände fachgerecht pflegen können.

Wer in Villen mit Kunstwerken und massgefertigten Möbeln arbeitet, muss nicht nur putzen, sondern die Materialien und Oberflächen genau kennen, um Schäden zu vermeiden. Gina etwa begann ihre Karriere als Haushälterin in den Häusern der gehobenen Mittelschicht. Heute, nach 26 Jahren im Dienst privater Haushalte, arbeitet sie in der San Francisco Bay Area als leitende Haushälterin für Familien mit extrem hohem Vermögen.

«Ich habe viele Stufen des Putzens durchlaufen, um dahin zu kommen, wo ich heute bin», sagt Gina, die darum bat, nur mit ihrem Vornamen genannt zu werden, weil ihre Tätigkeit Vertraulichkeit erfordert. «Man muss sich mit Kunst und Antiquitäten auskennen. Viele Stücke sind Einzelanfertigungen — und natürlich nicht ersetzbar.»

Zu Beginn ihrer Laufbahn reinigte sie Häuser mit klassisch- teurem Interieur - Porzellanvasen, knarrende Holztische, Sofas mit Seidenbezug. Heute arbeitet sie in Residenzen, in denen Möbelstücke als Kunst gelten - mit entsprechenden Preisen. «Der Wert der Stücke ist enorm gestiegen, auch wenn sie nicht von den bekanntesten Künstlern stammen», sagt sie. «In High-End-Häusern hat fast alles verrückte Preise.»

Die Vielfalt an Materialien wie Metall, Holz, Rattan, Glas und zahlreiche Kunststoffe macht die Arbeit komplexer. «Ich recherchiere alles, bevor ich überhaupt etwas berühre», erklärt sie. Wie viele ihrer Kolleginnen steht Gina an vorderster Front eines Booms im Luxusdesign. Wenn ein Couchtisch von Diego Giacometti mehr kostet als ein Ferrari, kann Putzen zur Hochrisiko-Aufgabe werden.

«Wenn jemand ein Sofa im Stil von Jean Royère für eine Million Dollar kauft oder was auch immer sie kosten, dann kauft er ein Stück Geschichte», sagt Zesty Meyers, Mitgründer der New Yorker Designgalerie R & Co. «Die Menschen wissen, dass das einen völlig anderen Wartungsaufwand bedeutet.» Doch die Umsetzung dieser Pflege erfordert Expertise.

«Nicht jeder kann putzen - und Putzen ist nichts für dumme Menschen»

«Nicht jeder kann putzen - und Putzen ist nichts für dumme Menschen, die keinen anderen Job finden", sagt Charles MacPherson, der eine gleichnamige Personal- und Schulungsagentur in Toronto betreibt. «Richtig zu reinigen ist eine Fähigkeit, die gelehrt und gelernt werden muss. Es ist tatsächlich ein ernsthafter Beruf.»

MacPherson bildet weltweit Hauspersonal aus. Sein fünfwöchiger Kurs umfasst Themen wie Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Angestellten, Haushaltsorganisation und Sicherheit. Die Nachfrage nach Fachkräften, die mit zeitgenössischem Design umgehen können, sei explodiert.

«Die Nachfrage ist stark gestiegen - nach Leuten, die wirklich wissen, was sie tun», sagt er. Vor der Corona-Pandemie verdienten erfahrene Haushälterinnen rund 60'000 Dollar jährlich, berichtet MacPherson. Heute können sie problemlos mehr als 100'000 Dollar plus Zusatzleistungen verlangen.

«Reiche Menschen sind reicher geworden und kaufen empfindlichere Dinge», erklärt er. «Sie möchten, dass ihre Häuser eher Museumsqualität haben als nur normale Ausstattung. Und es gibt zu wenige geschulte Leute. Wenn man diese beiden Faktoren kombiniert - Angebot und Nachfrage - schiessen die Gehälter durch die Decke.»

Möbel waren schon immer teuer, solange es Wohlstand gibt. Doch lange Zeit waren sie einfach Möbel - ein Sofa aus Seide oder Wildleder, ein Esstisch aus Ahorn oder Mahagoni. Diese Stücke wurden selten als Kunst betrachtet.

Vor etwa einem Jahrzehnt begann die Zahl der Galerien für zeitgenössisches Design stark zu wachsen. Carpenters Workshop, Friedman Benda, R & Co. und andere etablierten und verbreiteten die Idee, dass ein stilvoll eingerichtetes Zuhause auch ein «limitiertes» Stück wie einen Wendell-Castle-Stuhl im Wert von 456'000 Dollar umfassen kann - teurer als der durchschnittliche Verkaufspreis eines amerikanischen Einfamilienhauses.

Gleichzeitig wuchs das Interesse am historischen Design: 2023 erzielte ein Schrank in Form eines Nashorns des französischen Künstlers François-Xavier Lalanne aus dem Jahr 1964 einen Rekordpreis von 18,3 Millionen Euro. Doch viele Besitzer solcher Stücke haben inzwischen festgestellt, dass der hohe Preis nicht mit der Lieferung endet. «Ich hatte kürzlich einen Kunden, der ein bei uns gekauftes Stück nicht gepflegt hat», sagt Meyers über ein Designobjekt aus Holz, das im Freien aufgestellt wurde. «Das Stück ist zerfallen. Mit einer schonenden Pflege wäre es in perfektem Zustand.»

Wachsende Komplexität treibt die Ansprüche der Arbeitgeber

Fast jeder in der Branche kennt entsprechende Geschichten. «Eine Kundin war im Urlaub, und die Haushälterin war so stolz, als sie zurückkam», erinnert sich MacPherson. «Sie sagte: ‘Ich habe all Ihre Türgriffe und Beschläge poliert und wieder schön glänzend gemacht, weil sie stumpf waren.’ Die Kundin war entsetzt - sie hatte die gewollte Patina entfernt.» Der Fehler kostete 75'000 Dollar: So viel war nötig, um die Beschläge abzubauen, neu zu veredeln und wieder anzubringen. Die Haushälterin behielt ihren Job. Die Eigentümerin wusste, «es war ihre eigene Schuld», weil sie das Personal nicht ausreichend geschult hatte.

Auch die Grundlagen des Staubwischens sind klar - aber kaum jemand beachtet sie. Swiffer-Staubtücher zum Beispiel seien «eigentlich nicht gut», sagt MacPherson und verweist auf die Chemikalien in den Fasern. Stattdessen «befeuchtet man seine Hände, schüttelt sie einmal ab und wischt sie dann mit einem Baumwolltuch ab, um die perfekte Feuchtigkeit zum Staubwischen zu erhalten.»

Das Problem sei, dass viele Staubwischen und Desinfektion verwechselten. «Das sind zwei völlig verschiedene Dinge», erklärt er. «Man kann nicht in einem Schritt reinigen und desinfizieren. Man muss zuerst putzen, bevor man desinfiziert.»

Die wachsende Komplexität treibt auch die Ansprüche der Arbeitgeber. «Man zahlt lieber zu viel und ist überversorgt, als zu wenig und unterversorgt», sagt Ben Schwartz, Präsident der in Bloomfield Hills, Michigan, ansässigen Personalagentur Harper Associates. Selbst die erfahrenste Haushälterin weiss nicht automatisch, wie man einen Metallschreibtisch aus den 1960er-Jahren mit originaler Patina richtig reinigt.

«Ich sage meinen Kunden: Es ist besser, jemanden mit der richtigen Einstellung einzustellen, den man schulen kann, als die vermeintlich perfekte Haushälterin mit Erfahrung zu suchen», sagt MacPherson. Gina berichtet, dass sie bereits mehrfach abgeworben werden sollte. «Es war auf einer Party mit 80 Gästen», erinnert sie sich, als einer der Gäste ihres Arbeitgebers sie darum bat.

In ihren Augen ist der Wettbewerb unvermeidlich. «Es gibt nicht viele Menschen, die in diesem Bereich professionell sind», sagt sie. «Viele Menschen betrachten Haushälterdienste als einen niedrigen Stand in der Gesellschaft, deshalb wollen viele Menschen diesen Beruf nicht ausüben.»

(Bloomberg)