Während die grossen Börsenbetreiber Tempo machen und die technischen Weichen stellen, zeigen sich führende Banken zurückhaltend. Sie äussern Bedenken wegen hoher Kosten, neuer Risiken und eines ungewissen Nutzens. Die Technologiebörse Nasdaq hat am Montag einen Antrag auf Ausweitung der Handelszeiten auf 23 Stunden an Werktagen gestellt. Die New Yorker Börse NYSE hat bereits die Genehmigung für einen 22-Stunden-Handel erhalten. Damit steuern die USA im Laufe des kommenden Jahres erstmals auf einen nahezu ununterbrochenen Börsenbetrieb an Werktagen zu.

Getrieben wird der Vorstoss vor allem von der Nachfrage internationaler Anleger. Investoren aus Europa oder Asien wollen schneller auf Unternehmensnachrichten, geopolitische Ereignisse oder Konjunkturdaten reagieren können, auch ausserhalb der üblichen US-Handelszeiten von 9.30 bis 16.00 Uhr. Befürworter wie der Onlinebroker Robinhood sehen darin einen logischen Schritt zur Öffnung der US-Kapitalmärkte. Auch das grosse Handelshaus Citadel Securities signalisiert Bereitschaft, die Nachfrage zu bedienen, sollte sie entstehen. Rückenwind kommt zudem von der US-Börsenaufsicht SEC, die als hinderlich empfundene Vorschriften gelockert hat.

Doch bei vielen Grossbanken überwiegt die Skepsis. Institute wie JPMorgan, Bank of America oder Morgan Stanley warnen vor Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe für Technik, Personal und Risikosteuerung, denen keine garantierten Mehreinnahmen gegenüberstünden. «Es wird eher als Ärgernis denn als etwas gesehen, das spürbar neue Umsätze bringt», sagt Patrick Moley, Analyst bei Piper Sandler. Banken müssten ihre Systeme anpassen und Teams für die Nacht aufstellen, ohne zu wissen, wie schnell sich dies rechne.

Hinzu kommen Sorgen um die Handelsqualität. In den Nachtstunden droht eine geringe Liquidität, was zu grösseren Spannen zwischen An- und Verkaufskursen und erhöhter Volatilität führen könnte. Der weltgrösste Vermögensverwalter BlackRock warnte in einer Studie vor höheren Handelskosten für Anleger. Auch Bankmanager mahnen zur Vorsicht. «Wir müssen sicherstellen, dass die richtigen Schutzmechanismen für das Risikomanagement vorhanden sind, bevor wir das wirklich auf den Markt loslassen», sagt Sonali Theisen von der Bank of America bei einer Veranstaltung der SEC.

Ob der Schritt gelingt, hängt massgeblich auch von der Technik ab. Eine Schlüsselrolle spielt die zentrale Abwicklungsstelle DTCC, die den Handel und die Abrechnung an den US-Börsen organisiert. Sie plant, bis Ende 2026 eine Abwicklung rund um die Uhr zu ermöglichen. In einer gemeinsamen Studie mit Ernst & Young geht die DTCC davon aus, dass bis 2028 zwischen einem und zehn Prozent des gesamten US-Aktienvolumens während der verlängerten Handelszeiten umgesetzt werden könnten.

Trotz aller Vorbehalte bereiten sich viele Marktteilnehmer vorsorglich vor. «Ich glaube nicht, dass viele Firmen vom ersten Tag an unbedingt dabei sein wollen», sagt Michael Masone von der Citigroup. «Aber wenn sich signifikante Liquidität bildet, könnte man irgendwann gezwungen sein, mitzuziehen.» Ein Durchbruch 2026 sei eher unwahrscheinlich, mittelfristig könne der nächtliche Handel jedoch zu einem Milliardengeschäft werden.

(Reuters)