Nach Jahren als Vorzeigeprojekt der europäischen Solarindustrie steht Meyer Burger vor der Börsendekotierung. Am 14. Januar 2026 wird die Aktie der Thuner Firma vom regulierten Handel an der SIX genommen - der letzte Handelstag ist ein Tag zuvor. Seit Mitte Oktober werden die Aktien wieder gehandelt, zuvor waren sie monatelang suspendiert. Meyer Burger hatte es zuvor versäumt, den Geschäftsbericht 2024 fristgerecht zu veröffentlichen.

Konkurrenzprodukte aus China zu Dumping-Preisen, ausbleibende Subventionen, falsche strategische Schritte und operative Rückschläge haben das Unternehmen in eine Schieflage gebracht, aus der es keinen Ausweg fand.

Wie geht es mit Meyer Burger bis zur Dekotierung nun weiter und was bedeutet dies für die Aktionärinnen und Aktionäre? Drei Szenarien sind denkbar, wobei ihre Wahrscheinlichkeit stark variiert:

1. Geordnete Abwicklung

Das wahrscheinlichste Szenario: Meyer Burger verkauft Maschinen, Patente, Software und Serviceverträge Stück für Stück. Die Erlöse fliessen primär an Gläubiger, für Aktionäre bleibt nichts.

2. Strategischer Teilverkauf

Etwas optimistischer, aber ebenfalls ohne Happy End für Aktionäre: Ein Industriekonzern könnte an der Technologie oder einzelnen Teams interessiert sein. Das würde zumindest Know-how und Arbeitsplätze sichern, hätte aber kaum positive Effekte für das Eigenkapital, solange die Überschuldung nicht beseitigt ist. Zudem benötigen solche Transaktionen Zeit für «Due Diligence» (eingehende Buchprüfung) und Genehmigungen. Zeit, die knapp wird.

3. Mantel-Fotführung

Das theoretisch denkbare, praktisch aber unrealistische Szenario: Eine leere Börsenhülle könnte erhalten bleiben. Sie könnte später durch einen Reverse Merger wiederbelebt werden. Dazu braucht es aber eine saubere Bilanz, ein tragfähiges Geschäftsmodell und eine regulatorische Perspektive, sonst bleibt dieser Weg versperrt.

Dass die Lage sehr ernst ist, zeigt die Einschätzung des Finanzanlysten Eugen Perger, der über Jahre bei Research Partners die Unternehmensberichterstattung für Meyer Burger abgedeckt hat. «Ich rechne mit der Abwicklung der gesamten Gesellschaft bis zum Stichtag. Das Eigenkapital und damit die Aktie sehe ich als wertlos, weil die Gesellschaft überschuldet ist.»

Auch im «Aufrechterhalten eines Mantels» sieht er aktuell keinen Mehrwert. Perger rät Aktionären deshalb, sich mit dem Totalverlust abzufinden: «Es dürfte sich kaum lohnen, Zeit mit juristischen Details zu verbringen.»

Gemäss einer auf der Website der Firma veröffentlichten Medienmitteilung rechnet Meyer Burger selbst mit dem Szenario.

Was eine Dekotierung konkret bedeutet

Um die Tragweite für betroffene Anleger zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Mechanik einer Dekotierung. Sie ist das Gegenteil eines Börsengangs: Das Unternehmen zieht sich vom regulierten Handel zurück.

Das kann freiwillig geschehen, etwa um Kosten zu sparen oder eine Privatisierung vorzubereiten. Oder erzwungen, wenn Börsenregeln verletzt werden oder Mindestkriterien wie Marktkapitalisierung oder Berichtspflichten nicht mehr erfüllt sind.

Im Fall von Meyer Burger handelt es sich um eine erzwungene Dekotierung, für Investoren typischerweise ein klares Warnsignal. Meist folgen Restrukturierungen mit erheblichen Verlusten für Aktionäre, in vielen Fällen endet es in der Insolvenz.

Nach der Dekotierung verschwinden die Aktien nicht einfach. Zivilrechtlich bleiben sie im Besitz der Aktionäre. Doch der Handel verlagert sich, sofern überhaupt möglich, in den ausserbörslichen Bereich (OTC). Dort sind Spreads breiter, Preise intransparent und Käufer rar. Für Privatanleger bedeutet das: kaum Liquidität, hohe Kosten, geringer Verkaufswert. In der Praxis ist ein sinnvoller Verkauf dadurch oft sehr erschwert.

Übrigens: Nicht nur Meyer Burger wird von der SIX «delistet». Insgesamt wurden oder werden dieses Jahr sieben Gesellschaften von der Börse genommen: Dazu gehören Airesis, Ci Com, Aluflexpack, Swiss Steel, Orascom, Spexis und ENR Russia Invest.

Können Anleger jetzt (noch) etwas tun?

Wer noch Meyer-Burger-Aktien hält, sollte sich auf folgende Punkte vorbereiten:

Erwartungen realistisch setzen: Ein Totalverlust ist nach aktueller Einschätzung das wahrscheinlichste Szenario. Wer emotional noch an Hoffnungen festhält, sollte diese nüchtern hinterfragen.

Steuerliche Verlustverrechnung prüfen: Ein realisierter Verlust kann unter Umständen steuerlich geltend gemacht werden. Fachberatung durch einen Steuerberater ist hier empfehlenswert, um wenigstens diesen Aspekt zu optimieren.

Fristen im Blick behalten: Falls Insolvenzverfahren oder Gläubigerversammlungen anstehen, können Anmeldefristen relevant werden. Versäumte Fristen können Rechte kosten.

Monique Misteli Ringier
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