Schweizer Aktien sind stark gestartet dieses Jahr. Hält der Höhenflug das ganze Jahr an?

Martin Lehmann: Die freundliche Börse sollte anhalten dieses Jahr, auch wenn es im Sommer typischerweise oft eher volatil zugeht an den Märkten. Die Notenbanken, allen voran die in den USA, haben signalisiert, dass der Pfad der Zinserhöhungen nicht in Stein gemeisselt ist. Das hilft natürlich den Aktienkursen, zumal weiterhin viel Geld an die Börse drängt, das investiert werden muss. Und was Schweizer Aktien betrifft: Gerade hierzulande sind die Dividendenrenditen sehr attraktiv.

Was sorgt Sie in Sachen Börse?

Von einer Rezession spricht kaum noch jemand, aber konjunkturelle Schwächen, angefeuert auch durch ständige Handelsstreitigkeiten, bergen ein erhebliches Risiko für die Börse. Dies belastet dann umgehend primär Aktien aus zyklischen Industrien. Aber auch die Luxusbranche ist dann schnell betroffen – das spürt zum Beispiel die Swatch-Aktie sofort. Allerdings ist die Schweizer Wirtschaft sonst sehr gut aufgestellt, das kommt besonders den hiesigen Firmen im Small- und Mid-Cap-Segment zugute.

Sie meinen damit Firmen, die eine Marktkapitalisierung zwischen 50 Millionen und 1,5 Milliarden Franken haben. Werden diese Nebenwerte die Schweizer Blue Chips in Sachen Wertentwicklung dieses Jahr schlagen?

Ich bin davon überzeugt, dass die Nebenwerte besser abschneiden werden dieses Jahr, nachdem es im Jahr 2018 nicht so gut für die Small und Mid Caps lief. In Zeiten, in denen Anleger eher defensive Titel bevorzugen, wie primär im SMI vertreten, sind die Grossen einfach mehr gefragt und schneiden besser ab. Doch die kleineren Werte sollten in einem positiven wirtschaftlichen Umfeld stärker zulegen können.

Warum?

Die Kleinen sind oftmals innovativer und haben ein stärkeres Gewinnwachstum zu bieten. Hierzulande gibt es eben sehr viele agile Firmen, die in ihren Nischen weltweit die Nummer eins sind. Derweil sind sie schon lange mit einem starken Franken konfrontiert, was dazu führt, dass sie innovativ stark sein müssen, um gute Produkte an den Markt bringen zu können. Allerdings haben Small Caps auch den Nachteil, dass sie primär in der Schweiz produzieren. So haben sie einen hohen Kostenblock in Franken. Manche der kleineren Firmen haben bisweilen auch keine guten Bilanzen, sodass die Verschuldung eher hoch ist.

Der prominenteste Börsengang dieses Jahr in der Schweiz war Stadler Rail – warum haben Sie bei dem Titel zugeschlagen?

Wir haben das Unternehmen genau angeschaut und finden, dass es sehr gut geführt wird. Die langfristige Wachstumsperspektive hat uns überzeugt. Das Bevölkerungswachstum nimmt zu, es gibt den Trend der Urbanisierung und ein wachsendes Umweltbewusstsein. Das alles kommt einem Zughersteller wie Stadler Rail zugute.

Ist die Euphorie der Anleger bei diesem Wert nicht schon längst verflogen?

Der Börsenstart ist sehr gut gelaufen, sodass es nun nach einigen Wochen in einer Konsolidierungsphase etwas ruhiger wird. Allerdings ist auch normal, dass es nach einem gewissen Hype zu Beginn des Börsengangs mittlerweile wieder entspannter bei der Stadler-Rail-Aktie zugeht.

Stadler Rail steht mehr für Old Economy. Sonst setzen Sie eher gerne auf Tech-Titel wie Logitech.

Wir versuchen bei unserem Fonds auf einen Mix von Value und Growth zu setzen, indem wir maximal in 35 Aktientitel investieren. Die grösste Position in unserem Fonds ist Logitech. Das Unternehmen verfügt über ein solides Geschäft.

Was mögen Sie an Logitech?

Die Firma ist im Bereich Gaming und Videokonferenz sehr gut aufgestellt. Dort hat es in den vergangenen Jahren ein sehr gutes Wachstum gegeben. Das sind aber auch weiterhin spannende Zukunftsmärkte. Heutzutage stehen in jedem Büro-Konferenzzimmer Telefone – in ein paar Jahren werden dort auch überall Geräte für Videokonferenzen verfügbar sein. Diesen Trend erleben wir schon länger in den USA, das kommt immer mehr auch in der Schweiz. Das ist ein riesiger Wachstumsmarkt. Derweil ist das Thema Videospiele und E-Gaming ein struktureller Trend, und da ist das Ende des Wachstums noch lange nicht erreicht. Mir gefällt Logitech, weil das Management über eine sehr hohe Glaubwürdigkeit verfügt. Denn in den vergangenen Jahren hat Logitech einen sehr schönen Turnaround erreichen können. Das ist ein Garant dafür, dass es auf diesem Weg weitergehen sollte. Logitech hat bereits Zukäufe angekündigt, ich könnte mir aber auch vorstellen, dass die Firma wegen ihrer Attraktivität irgendwann auch mal ein mögliches Übernahmeziel eines grösseren Anbieters sein könnte.

Google drängt mit seiner Streaming-Plattform Stadia ins Gaming-Geschäft, in Zukunft braucht es wohl weniger Konsolen. Schadet dieser Trend Logitech?

Wenn Konzerne wie Google ebenfalls in den Gaming-Markt einsteigen, zeigt das die Attraktivität dieses Geschäfts. Konsolen sind zwar wichtig für Logitech, aber die Profi-Gamer wollen auch über hoch qualitative Geräte verfügen, mit denen sie professionell spielen können. Ich gehe daher nicht davon aus, dass der Konsolenmarkt so schnell verschwinden wird. Eher gehe ich davon aus, dass der Gaming-Markt noch wächst und davon sollte Logitech profitieren können.

Was missfällt Ihnen an Logitech?

Im Falle hoher Volatilität an der Börse, also wenn die Aktienkurse stark schwanken, oder in Zeiten, wenn Tech-Aktienkurse stark sinken, dann wird ein Wert wie Logitech schnell in Sippenhaft genommen – das war besonders im vierten Quartal 2018 der Fall. Operativ hat sich eigentlich nichts negativ geändert. Aber wenn AppleAmazon und Co. an der Börse leiden, dann ist Logitech mit dabei.

Nicht nur Logitech ist eine der grössten Positionen in Ihrem Fonds. Sie sind auch bei Valora stark engagiert. Lieben Sie das Kiosk-Geschäft so?

Wir sind erst seit Anfang des Jahres bei Valora investiert. Ich bin auch nicht der allergrösste Fan vom Kiosk-Handelsgeschäft, aber die steuerfreie Dividendenrendite bei Valora von rund 5 Prozent ist sehr attraktiv. Das Unternehmen generiert einen schönen Cashflow, zudem gab es einen starken Kursverfall in den vergangenen anderthalb Jahren, weil viele Anleger sich fürchteten, dass bei der Neuausschreibung durch die SBB viele Valora-Standorte gefährdet sein könnten. Doch Valora hat an Standorten gewonnen, allerdings sind auch die Mietpreise für diese Objekte gestiegen. Alles in allem sind wir aber davon überzeugt, dass der Trend zu mehr Convenience-Food dazu führt, dass Valora auf einem guten Weg ist. Besonders an den Hochfrequenz-Standorten wie Bahnhöfen ist das ein grosses Thema. Allerdings hat dieses Geschäft auch einen gewissen Konsolidierungsdruck. Sollte es aber keine Übernahme geben, ist man mit der relativ hohen Dividendenrendite immer noch gut abgesichert.

Ein anderes von Ihnen favorisiertes Unternehmen ist Swatch. Kann sich das Unternehmen von den Folgen der Handelsstreitigkeiten lösen?

Dieser Aktientitel ist sehr volatil und stark davon abhängig, was in Sachen Handelsstreitigkeiten passiert. Besonders wenn es um China geht, ist Swatch gleich betroffen. Das gehört bei diesem Wert aber einfach dazu. Daher halten wir an Swatch auch eher langfristig fest.

Martin Lehmann (Jahrgang 1981) ist CEO und Fondsmanager des 3V Invest Swiss Small & Mid Cap bei 3V Asset Management in Zürich. Die Firma verwaltet rund 105 Millionen Franken. Lehmann leitet den Fonds seit dem Jahr 2016.

Dieses Interview erschien zuerst im Magazin «Millionär», das von der Handelszeitung und cash.ch herausgegeben wird, unter dem Titel «Kleine sind innovativer».

Tim Höfinghoff
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